Unterscheidung Mord und Totschlag

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Eine neblige Gegend mit einer teilweise unbefestigten Straße.

In Deutschland ist es weitverbreitet, dass wenn jemand vorsätzlich jemanden tötet, dieser einen Mord begeht, Totschlag hingegen immer nur fahrlässig begangen wird. Bei dieser These handelt es sich allerdings um einen Irrglauben, der nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Sowohl Mord, als auch Totschlag können ausschließlich vorsätzlich begangen werden. Kommt ein Mensch durch eine fahrlässige Handlung zu Tode kann eine fahrlässige Tötung zu bejahen sein.

Grundsätzlich gilt der Mordparagraph als Relikt aus nationalsozialistischen Zeiten.

Nach § 211 II StGB ist Mörder, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet. Die ungewöhnliche Gesetzesfassung, die den Täter als „Mörder“ bezeichnet, war Ausfluss der rechtstheoretischen Figur des Typus. Sie rezipierte die im Dritten Reich propagierte Lehre vom „Tätertypen“. Nach diesem Verständnis stand also weniger die Tat, sondern mehr der Täter im Zentrum der strafrechtlichen Wertung. Grundsätzlich baut § 211 StGB verbrechenssystematisch auf dem Grunddelikt des Totschlags auf. Dazu muss der Täter für einen Mord bestimmte sogenannte Mordmerkmale erfüllen. Diese Mordmerkmale können in Gruppen eingeteilt werden. Zur ersten Gruppe gehören Tötung aus Mordlust, Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, Tötung aus Habgier und sonstige niedrige Beweggründe. 

Habgierig handelt in diesem Fall der Täter, der einen Menschen aus Gründen der Vermögensmehrung umbringt. Dem Mordmerkmal unterfallen Taten, die sich dadurch auszeichnen, dass der Täter das Opfer um eines Vermögensvorteils wollen tötet. 

Niedrige Beweggründe sind hingegen solche bei denen die Motivation der vorsätzlichen Tötung solche sind, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich, ja verachtenswert sind. 

Die zweite Gruppe der Mordmerkmale umfasst eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln, eine grausame Tötung, sowie eine heimtückische Tötung. Eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln liegt vor, wenn der Täter sein Ziel mit unberechenbaren Mitteln durchsetzt und dabei Tötungsmittel mit Breitenwirkung verwendet, die nicht nur gegen das unmittelbar angegriffene Opfer gerichtet sind, sondern auch unbeteiligte Dritte in Mitleidenschaft ziehen können. Ein Mord ist hingegen dann heimtückisch, wenn der Täter in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tötung ausnutzt.

Die dritten und letzte Mordmerkmalsgruppe umfasst primär einen Mord, wenn die Tötung vorgenommen wurde um eine andere Straftat zu verdecken oder eine andere Straftat zu ermöglichen. 

II. Dogmatische Einordnung von Mord und Totschlag

Teile des Schrifttums stützen die gesetzliche Differenzierung zwischen Mord und Totschlag entweder durchgängig oder aber schwerpunktmäßig auf sozialethische Verwerflichkeitserwägungen. Eine Präzisierung erfährt diese Erklärung durch die Rückführung der subjektiven Mordmerkmale der 1. Und 3. Gruppe auf das Prinzip der Nichtigkeit des Tatanlasses. Es soll das krasse Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck das maßgebliche Indiz für die besondere Verwerflichkeit eines Tötungsverbrechens sein. So ist beispielsweise eine Tötung aus Habgier oder zur Befriedigung des Geschlechtstriebs nicht etwas deshalb höchst verwerflich, weil der Täter finanzielle oder sexuelle Bedürfnisbefriedigung sucht, sondern weil er diese über ein Menschenleben stellt. Dieses egoistische „Gehen über Leichen“ offenbart eine sozialethisch besonders verwerfliche Diskrepanz zwischen Tatzweck und Tatmittel.

Andere gehen davon aus, dass die Gesinnung des Täters entscheidend für die Bewertung der Verwerflichkeit ist. Danach typisieren die Mordmerkmale grobe geistige Wertverfehlung, mit denen der Täter das Minimum an sittlicher Anforderung unterschreite und deswegen besonders verwerflich handele. Vorteile bei dieser Betrachtung sind, dass auf Grund der Gesamtbetrachtung von Täterpersönlichkeit und Tatumständen ein hohes Maß an Einzelfallgerechtigkeit erzielbar ist. 

Das Bundesverfassungsgericht geht teilweise davon aus, dass in der Verwirklichung von Mordmerkmalen eine erhöhte kriminelle Energie zu Tage trete, die eine überdurchschnittliche Gefährlichkeit des Täters kennzeichne und rechtfertigt so die höhere Strafandrohung bei Vorliegen eines Mordes. Diese mordmerkmalstypische Gefährlichkeit wird teilweise spezialpräventiv hergeleitet. Andere begründen diese mit generalpräventiven Ansätzen. Begründet wird dies damit, dass die verknüpfte Höchststrafe auf die Abschreckung potenzieller Täter durch den im Vorfeld der Tat nicht überschaubaren und damit nicht kalkulierbaren Freiheitsentzug wirkt.

 

[1] Schneider, in: MüKO zum StGB, § 211, Rn. 5.
[2] Schneider, in: MüKO zum StGB, § 211, Rn. 5.
[3] Schneider, in: MüKO zum StGB, § 211, Rn. 6.
[4] Schneider, in: MüKO zum StGB, § 211, Rn. 59.
[5] BGH, Urteil v. 10.11.1993 – 3 StR 476/93, StV 1994, 182 (182); BGH, Urteil v. 21.12.1951 – 1 StR 675/51, BGHSt 2, 60 (63).
[6] BGH, Urteil v. 04.02. 1986 – 5 StR 776/85, NJW 1986, 1503 (1503).
[7] BGH, Urteil v. 22.01.1952 – 1 StR 485/51, NJW 1952, 834 (835).
[8] Momsen, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier StGB, § 211, Rn. 3.
[9] Schneider, in: MüKO zum StGB, § 211, Rn. 9.
[10] Schröder, in: Grundgedanken der Mordmerkmale, JuS 1984, 275 (277 f.).
[11] Schneider, in: MüKO zum StGB, § 211, Rn. 9.
[12] Schröder, in: Grundgedanken der Mordmerkmale, JuS 1984, 275 (277 f.).
[13] Schneider, in: MüKO zum StGB, § 211, Rn. 11.
[14] Schneider, in: MüKO zum StGB, § 211, Rn. 12.
[15] BVerfG, Urteil v. 21.06.1977 – 1 BvL 14/76, NJW 1977, 1525 (1528).
[16] Schneider, in: MüKO zum StGB, § 211, Rn. 17.
[17] Schneider, in: MüKO zum StGB, § 211, Rn. 18.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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