Der Schlussvortrag

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Der Schlussvortrag auf verschwommenem Hintergrund.

Jeder, der schon mal einen Vortrag halten musste, weiß, dass man sich (im Optimalfall) gut darauf vorbereiten muss, damit er gut wird. Im Rahmen einer Hauptverhandlung haben die Verfahrensbeteiligten nach der Beweisaufnahme die Möglichkeit, ebenfalls einen Schlussvortrag zu halten und ein Strafmaß zu beantragen. Dabei beginnt stets die Staatsanwaltschaft und dann hat die Verteidigung die Möglichkeit, zum Sachverhalt Stellung zu nehmen. Schlusslicht des Schlussvortrags ist das sogenannte „Letzte Wort“ des Angeklagten.

Letztes Wort bedeutet in dem Zusammenhang natürlich nicht, dass der Angeklagte sich auf nur ein Wort beschränken muss. Theoretisch hat der Angeklagte ebenfalls die Möglichkeit einen „Vortrag“ zu halten. In der Realität nehmen die meisten Angeklagten die Möglichkeit ihres letzten Wortes aber nicht wahr.

Das Besondere an diesen Schlussvorträgen, den sogenannten Plädoyers, ist es, dass in leicht gelagerten Fällen von den Parteien verlangt wird, dass sie den in der Hauptverhandlung festgestellten Sachverhalt, so wie sie ihn verstanden haben, wiederzugeben und eine rechtliche Würdigung vorzunehmen. Das ist manchmal gar nicht so leicht. Eben war man noch damit beschäftigt, einen Zeugen zu vernehmen und jetzt soll man schon würdigen, ob der Zeuge die Wahrheit gesagt hat oder eben nicht und welche Folgen das möglicherweise für den Angeklagte hat. Manche Verfahren sind aber so kompliziert, dass es faktisch nicht möglich ist, nach Schließen der Beweisaufnahme aufzustehen und so plädieren.

Gem. § 258 I StPO hat der Angeklagte das Recht, nach Beendigung der Beweisaufnahme und vor der endgültigen Entscheidung des Gerichts zum gesamten Sachverhalt und zu allen Rechtsfragen des Verfahrens Stellung zu nehmen. Es kann je nach Umfang und Dauer der Hauptverhandlung sowie dem konkreten Prozessverlauf notwendig sein, zur Ausarbeitung der Schlussvorträge eine angemessene Vorbereitungszeit einzuräumen. Dieses Recht erschöpft sich aufgrund seiner überragenden Bedeutung nicht in der bloßen Möglichkeit zur Äußerung.

Vielmehr muss den Verfahrensbeteiligten eine wirksame Auseinandersetzung ermöglicht werden. Deshalb ist das Gericht verpflichtet, angemessene Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Verfahrensbeteiligten einen Schlussvortrag in der Weise halten können, wie sie ihn für sachdienlich erachten. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Vorbereitungszeit kann neben Komplexität und Umfang der Sach- und Rechtslage insbesondere auch relevant sein, dass die Verfahrensbeteiligten bereits zuvor auf den anstehenden Schluss der Beweisaufnahme hingewiesen wurden oder aus anderen Gründen damit rechnen mussten, ihre Plädoyers halten zu müssen.

In diesem Fall können sie die Zeit zwischen den Hauptverhandlungsterminen bereits zur Vorbereitung ihrer Vorträge und gegebenenfalls erforderlichen Besprechung und Abstimmung mit dem Mandanten nutzen, sodass die Notwendigkeit einer Unterbrechung ganz entfallen oder jedenfalls ihre Dauer kürzer zu bemessen sein kann.

Beispielsfall

Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs und Verabredung zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Sein Mittäter wurde zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen legten die Angeklagten Revision ein.

Während der mehrtägigen Hauptverhandlung legten die Verteidiger mehrere Beweisanträge vor, die die Kammer überwiegend ablehnte. Nach weiteren abgelehnten Beweisanträgen stellten die Angeklagten einen Antrag wegen Befangenheit gegen den Vorsitzenden. Auch dieser wurde abgelehnt.

Nach Schluss der Beweisaufnahme plädierte der Vertreter der Staatsanwaltschaft. Sodann erklärten die Verteidiger, Zeit für die Vorbereitung ihrer Schlussvorträge zu benötigen, um sich insbesondere mit den Ablehnungsbeschlüssen befassen zu können. Sie stellten einen Unterbrechungsantrag, der abschlägig beschieden wurde. Der Vorsitzende forderte die Verteidiger auf, zu plädieren, was diese unter Verweis auf die mangelnde Vorbereitungszeit verweigerten.

Nach dem letzten Wort des Angeklagten unterbrach der Vorsitzende die Verhandlung bis zur kurz darauf folgenden Urteilsverkündung.
Die Rügen sind begründet. Das Landgericht hätte die nach Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls erforderliche Zeit für die Schlussvorträge gewähren müssen.

§ 258 Abs. 1 StPO räumt dem Angekl. das Recht ein, nach Beendigung der Beweisaufnahme und vor der endgültigen Entscheidung des Gerichts zum gesamten Sachverhalt und zu allen Rechtsfragen des Verfahrens Stellung zu nehmen, und dient damit unmittelbar der Gewährleistung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Zu einer entsprechend Ausübung kann er sich eines Verteidigers bedienen.

Das Gericht ist demnach verpflichtet, angemessene Voraussetzungen zu schaffen, dass die Verfahrensbeteiligten einen Schlussvortrag in der Weise halten können, wie sie ihn für sachdienlich erachten. Was dazu erforderlich ist, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur im Einzelfall bestimmen. Danach kann es je nach Umfang und Dauer der Hauptverhandlung sowie dem konkreten Prozessverlauf notwendig sein, zur Ausarbeitung der Schlussvorträge eine angemessene Vorbereitungszeit einzuräumen.

Ob und ggf. in welchem Umfang diese zu gewähren ist, hat das Tatgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wenn die Verfahrensbeteiligten eine Vorbereitungszeit verlangen. Für die Beurteilung der Angemessenheit derselben kann neben Komplexität und Umfang der Sach- und Rechtslage insbesondere auch relevant sein, dass die Verfahrensbeteiligten bereits zuvor auf den anstehenden Schluss der Beweisaufnahme hingewiesen wurden oder aus anderen Gründen damit rechnen mussten, ihre Plädoyers halten zu müssen.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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