Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

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Goldene Pillen auf schwarzem Hintergrund mit Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

In manchen Fällen ist es nach der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nicht sinnvoll, den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe zu verurteilen und diese dann auch direkt vollziehen zu lassen. Beispielsweise in den Fällen, in denen der Angeklagte drogenabhängig ist kann es zweckmäßig sein, den Angeklagten erst in einer Entziehungsanstalt unterbringen zu lassen, die Zeit, die er dort verbringt auf die Freiheitsstrafe anzurechnen und ihn erst nach erfolgter Behandlung in einem möglichen Strafvollzug unterzubringen. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist nur anzuordnen, wenn eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit des Behandlungserfolgs besteht; die bloße Möglichkeit einer therapeutischen Veränderung genügt zumal bei Vorliegen gewichtiger ungünstiger Faktoren nicht.

Sachverhalt

Das Landgericht Göttingen hatte in seiner Entscheidung den Angeklagten wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tatmehrheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt.

Das Gericht stellte fest, dass die Taten aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurden. Im Berufungsverfahren wurde das Urteil mit der Maßgabe verworfen, dass die Unterbringung des Angeklagten in eine Entziehungsanstalt angeordnet wurde. Der vorbestrafte 29-jährige Angeklagte hat einen Hauptschulabschluss, die Handelsschule brach er jedoch ab und auch über eine Berufsausbildung verfügt er nicht.

Er begann im Alter von 16 Jahren mit dem Konsum von Alkohol und Betäubungsmitteln, zunächst Cannabis, später Kokain. Daneben nahm er auch Heroin, Benzodiazepine, LSD und MDPV. Zwei stationäre Suchtbehandlungen in den Jahren 2016 und 2021 blieben ohne nachhaltigen Erfolg.

Die durch einen Sachverständigen beratene Kammer ging vom Vorliegen einer Abhängigkeit von Kokain, einem schädlichen Gebrauch von Cannabinoiden und Alkohol sowie einem polyvalenten Substanzmissbrauch aus. Zudem liege bei dem Angeklagten eine stark ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstörung vor.

Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt begründete das Gericht mit dem Hang des Angeklagten aufgrund seiner Suchtmittelproblematik, dem Symptomcharakter der Anlasstaten und der weiterhin bestehenden Gefahr hangbedingter Taten wie Körperverletzungen und Eigentumsdelikten.

Es könne zwar nach Angaben des Gerichts angenommen werden, dass der Angeklagte aufgrund seiner Persönlichkeitsstörungen, sich auch ohne Drogenkonsum unter Umständen überheblich benommen hätte, jedoch ist davon auszugehen, dass es ihm leichter gefallen wäre, sich an die sozialen Normen anzupassen. Es bestehe auch grundsätzlich eine „soeben“ hinreichend konkrete Erfolgsaussicht.

Die Persönlichkeitsstörung erschwere dabei allerdings die Therapie, weil sie die Gefahr begründe, dass der Angeklagte keine realistische Sicht auf seine Erkrankung und die erforderlichen Behandlungsschritte entwickele, sie könne aber im Maßregelvollzug mitbehandelt werden. Der Sachverständige hatte zuvor in der Hauptverhandlung seine diesbezügliche Skepsis darüber geäußert, ob der Angeklagte dazu in der Lage sei, die Maßregelbehandlung durchzuhalten.

Der Angeklagte habe aber in der Hauptverhandlung seine Mitwirkungsbereitschaft erklärt und der Versuch, seine Suchtproblematik im Wegen einer Unterbringung zu behandeln sei bislang noch nicht unternommen worden, wenn überhaupt sei dies aber in einem solchen Setting möglich. Bei einem günstigen Verkauf sei mit einer Behandlungsdauer von zwei Jahren zu rechnen.

Gründe

Die vom Landgericht angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hielt einer rechtlichen Überprüfung durch das OLG nicht stand. Begründet wurde diese Entscheidung des OLGs damit, dass das Landgericht keine hinreichend konkreten Erfolgsaussichten, den Angeklagten während der Dauer der Unterbringung zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, belegen.

Die Kammer stützt die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht letztlich nur auf die in der Hauptverhandlung erklärte Therapiebereitschaft und den Umstand, dass eine Behandlung des Angekl., „wenn überhaupt“, nur im Setting einer Maßregelvollzugseinrichtung möglich erscheine. Das Fehlen erfolgversprechender alternativer Behandlungsmöglichkeiten ist indes nicht geeignet, die Erfolgsaussicht zu begründen.

Die erklärte Therapiemotivation ist zwar ein gewichtiger Faktor, der für die Erfolgsaussicht sprechen kann. Sie allein sowie die bloße Möglichkeit einer therapeutischen Veränderung vermögen jedoch bei Vorliegen gewichtiger ungünstiger Faktoren grundsätzlich nicht die Prognose eines hinreichend konkreten Therapieerfolgs zu stützen.

Notwendig ist vielmehr eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit des Behandlungserfolgs, die mithilfe von Anhaltspunkten in der Persönlichkeit und den Lebensumständen des Angeklagten darzulegen ist. Eine solche Erfolgswahrscheinlichkeit ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Aus diesen folgt allenfalls die theoretische Möglichkeit, der Angekl. könnte die Behandlung mit Gewinn abschließen.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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