Gem. § 185 StGB macht sich derjenige strafbar, der einen anderen Menschen beleidigt. Gelichzeitig schützt Art. 5 I GG die Meinungsfreiheit, wonach jeder das Recht hat, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Die Meinungsfreiheiz wird jedoch eingeschränkt durch die Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Wann eine Aussage vom Grundgesetz geschützt ist und wann es sich dabei um eine strafbare Äußerung handelt, muss das Bundesverfassungsgericht regelmäßig entscheiden.
Kürzlich entschied das Bundesverfassungsgericht darüber, ob ein Staatsanwalt beleidigt werden darf.
Der Sachverhalt
In dem ursprünglichen Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten unrechtmäßigen Bezug von Arbeitslosengeld zur Last gelegt. Gegen einen gegen ihn erlassenen Strafbefehl in Höhe von 50 Tagessätzen zu je 40€ legte der Beschuldigte Einspruch ein. In der Hauptverhandlung wurde der Angeklagte daraufhin zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen zu je 20€ verurteilt. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
Am selben Tag verfasste der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund seiner Verurteilung eine Anzeige gegen einen Mitarbeiter der Agentur für Arbeit, den er aufgrund der Angaben im Strafbefehl irrtümlich für den Verfasser der ihn betreffenden Anzeige hielt. Anlass war insbesondere der fehlerhaft zu kurz angegebene Zeitraum des Leistungsbezugs im Strafbefehlsentwurf und dem Strafurteil. Der vom Beschwerdeführer vereinnahmte Betrag staatlicher Leistungen – 1.356 EUR – war jedoch in der Anzeige des Hauptzollamtes, dem Strafbefehl und dem Strafurteil zutreffend wiedergegeben.
„(…,) Ich lege Widerspruch ein gegen die Einstellung des Verfahrens oben genannten Aktenzeichens. Es ist nicht richtig, (…) das hier keine ersichtliche Straftat vorliegt. (…) Durch die falsche Zeugenaussage der Agentur für Arbeit (…) hat dann ihr Mitarbeiter, dessen Name man mir nicht sagen will, daraus eine absurde Anklageschrift verfasst, die ein achtjähriges Kind das die zweite Klasse einer Grundschule erfolgreich abgeschlossen hat, erkennen konnte. Nur ein studierter Jurist hat dies offensichtlich nicht erkannt. Zudem wurde von der StA gar nicht ermittelt, sondern sich blind auf die Falschaussage der Agentur für Arbeit verlassen und daraus eine Anklageschrift verfasst. In der Anklageschrift sind gravierende Mängel, keine Beweise wurden gesichert. So wusste die Agentur für Arbeit durch ein Schreiben von mir, das ich ab 15.12.2016 einer Beschäftigung nachgehe. (…) Schwere Ermittlungsfehler und ein selten „dämlicher“ Staatsanwalt, der nicht lesen und schreiben kann. Auf Grund des Strafbefehls hätte ich gar nicht erst verurteilt werden dürfen, (…).“
Aufgrund dieser Äußerungen erließ das Amtsgericht gegen den Beschwerdeführer einen Strafbefehl wegen Beleidigung des den Beschwerdeführer namentlich unbekannten, damals zuständigen Staatsanwalts über 60 Tagessätze zu je 20€. Nach eingelegtem Einspruch wurde der Strafausspruch aus dem Strafbefehl in der Hauptverhandlung durch das Amtsgericht bestätigt.
Die eingelegte Berufung verwarf das Landgericht und erhöhte die Geldstrafe auf 80 Tagessätze. Das OLG hob diese Verurteilung auf und verwies das Verfahren zurück ans LG. Das LG verwarf aufgrund erneuter Verhandlung die Berufung des Beschwerdeführers. Die anschließend eingelegte Revision verwarf das OLG als unbegründet. Dagegen legt der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde ein und rügte insbesondere die Verletzung von Art. 5 I 1 GG.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers hatte Erfolg. Die strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung greift in seine Meinungsfreiheit ein. Der Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Bei Anwendung dieser Strafnorm auf die Äußerung im konkreten Fall verlangt Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zunächst eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung. Darauf aufbauend erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen.
Eine Verurteilung kann ausnahmsweise auch ohne eine solche Abwägung gerechtfertigt sein, wenn es sich um Äußerungen handelt, die sich als Angriff auf die Menschenwürde, Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Der Charakter einer Äußerung als Schmähung oder Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinn folgt nicht schon aus einem besonderen Gewicht der Ehrbeeinträchtigung als solcher und ist damit nicht ein bloßer Steigerungsbegriff. Auch eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik macht eine Äußerung noch nicht zur Schmähung, so dass selbst eine Strafbarkeit von Äußerungen, die die persönliche Ehre erheblich herabsetzen, in aller Regel eine Abwägung erfordert.
Eine Äußerung nimmt den Charakter als Schmähung vielmehr erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Verfassungsrechtlich unzureichend berücksichtigt das LG den Gesichtspunkt der Machtkritik. Er steht in keinem starren Abhängigkeitsverhältnis zum „Kampf ums Recht“. Selbst wenn – wie nicht – der Aspekt des „Kampfs ums Recht“ nicht vorläge, so bliebe eine kritische Äußerung des Bf. doch unter dem Gesichtspunkt der Machtkritik zulässig.
Denn die Meinungsfreiheit enthält das Recht der Bürger, die von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen zu können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden.
Angesichts des Kontextes der Äußerung ist es fernliegend, dass der Bf. den zuständigen, ihm weder namentlich noch persönlich bekannten Staatsanwalt in seiner Person und nicht ausschließlich dessen Amtsführung, konkret in Form der Führung des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens, angreifen wollte. Abwägungsrelevant ist weiter, dass die konkrete Verbreitung und Wirkung der Äußerung überschaubar war. Sie fiel einmalig und dies in einem Schreiben an den Dienstvorgesetzten.
Der Kreis der Personen, die von der Äußerung in dienstlichem, also nichtöffentlichem Zusammenhang Kenntnis genommen haben, ist als überschaubar anzusehen.