Der Fall Till Lindemann

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Das Publikum hebt bei einem Konzert voller Begeisterung die Hände in die Luft und feiert „Der Fall Till Lindemann“.

Kaum etwas wird in der Klatschpresse derzeit mehr diskutiert, als die Vorwürfe gegen Till Lindemann. Lindemann ist Frontsänger von Rammstein. Ihm wird derzeit von mehreren Frauen vorgeworfen, dass er sie betäubt und anschließend sexuelle Handlungen an ihnen ohne ihr Einverständnis vorgenommen hat.

In der Presse werden dabei vermehrt juristische Begriffe verwendet, ohne dabei sauber zwischen den einzelnen Begriffen zu differenzieren. Dieser Aufsatz soll Klarheit über die unterschiedlichen Begriffe schaffen und für Verständnis der Differenzierung sorgen.

Vorwürfe gegen Lindemann

Lindemann soll unter anderem im Februar 2020 gegen ihren Willen Sex mit einer 22-Jährigen gehabt haben. Nach eigenen Angaben soll sie Schmerzen gehabt haben und verkrampft gewesen sein. Sie ist der Meinung, Lindemann hätte es auffallen müssen, „dass es nicht leicht gewesen sei, mit ihr zu schlafen.“ Sie habe danach auch geblutet und es habe vielleicht 10 Minuten gedauert.

Es sei insgesamt ziemlich schnell gegangen und sei ziemlich gewaltvoll gewesen. Sie habe ihm aber nicht sagen wollen, dass sie das nicht wolle, weil es eben Till Lindemann gewesen sei, sie habe sich aber extrem unwohl gefühlt. Die Frau sei zum damaligen Zeitpunkt nicht zur Polizei gegangen, habe aber Freundinnen und Freunden von dem Vorfall erzählt.

Eine weitere Frau berichtet von einem Vorfall, bei dem sie besinnungslos auf einem Hotelbett nach einer Aftershowparty aufgewacht sei. Laut ihren Erinnerungen habe Lindemann auf ihr gelesen und sie gefragt, ob er aufhören solle. Sie habe zu dem Zeitpunkt gar nicht gewusst, womit er aufhören solle. Lindemann sei dann irgendwann gegangen und Mitglieder des Teams hätten ihr später Drogen angeboten, die sie aber abgelehnt habe.

Recherchen zufolge gibt es für Lindemann organisierte Anbahnungen. Mehr als ein Dutzend Frauen berichten davon, wie sie von mehreren Menschen aus dem Umfeld von Lindemann gezielt angesprochen worden seien, beispielsweise über Instagram oder auf Konzerten selbst, um zu speziell für Lindemann organisierten Aftershowpartys zu kommen.

Die Frauen hätten im Vorfeld Fotos oder Videos von sich schicken müssen, oder es seien Fotos und Videos von ihnen auf dem Konzert gemacht worden. Außerdem sei ihnen mitgeteilt worden, dass sie sich auf eine bestimmte Art und Weise zu kleiden hatten.

Eine Frau berichtete sogar, dass der Zugang zur Aftershowparty nur möglich gewesen sei, wenn sie Bereitschaft zu Geschlechtsverkehr mit Lindemann gehabt habe. Der Sänger habe nur sehr junge Frauen dabei haben wollen, die teilweise nicht nach ihrem Alter gefragt wurden, obwohl kostenlos Alkohol und Drogen zur Verfügung gestellt worden seien.

Juristische Begriffe

Grundsätzlich ist bei Vorwürfen hinsichtlich sexueller Selbstbestimmung zwischen sexuellem Missbrauch und sexuellem Übergriff, sexueller Nötigung und Vergewaltigung zu unterscheiden.

Sexueller Missbrauch ist nur dann strafbar, wenn die Beziehung zum Opfer eine Besonderheit aufweist, wie beispielsweise bei Kindern (§§ 176 ff. StGB), bei Jugendlichen (§ 182 StGB), Schutzbefohlenen (§ 174 StGB), Gefangenen oder Kranken (§ 174a StGB) und Patienten (§ 174c StGB). Lässt sich also eine erwachsene Konzertbesucherin auf sexuelle Handlungen mit einem berühmten Sänger, der seine Machtposition ausspielt, ein, ist das kein sexueller Missbrauch. Bei den übrigen Begriffen wird eine Abgrenzung komplizierter.

Sexuelle Handlungen mit Personen, die nicht durch solche Sondertatbestände geschützt werden sind gemäß § 177 Abs. 1 StGB dann als sexueller Übergriff strafbar, wenn sie gegen deren „erkennbaren Willen“ erfolgen. Das Opfer muss also in der Lage gewesen sein, einen Willen zu bilden und diesen entgegenstehenden Willen auch geäußert haben. Im Rahmen des subjektiven Tatbestands muss der Täter diesen entgegenstehenden Willen erkannt haben und zumindest billigend in Kauf genommen haben, sich darüber hinwegzusetzen.

In manchen Situationen ist dem Opfer aber nicht mehr möglich einen Willen zu bilden (beispielsweise, wenn dem Opfer „K.O.-Tropfen“ verabreicht wurden). Wird diese Lage vom Täter ausgenutzt, macht er sich gem. § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar.

Ein Ausnutzen liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon dann vor, wenn sich der Täter durch das Ergreifen der Gelegenheit bewusst eine Auseinandersetzung mit einem „stets möglichen“ entgegenstehenden Willen des Opfers erspart.

Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die betroffene Person schon vor ihrer Bewusstlosigkeit ein umfassendes Geständnis geäußert hat.
Es gibt auch Situationen, in denen die Willensbildung eingeschränkt ist, wie beispielsweise wenn das Opfer unter starkem Alkoholeinfluss steht.

Dann ist der Täter verpflichtet, sich die Zustimmung des Opfers zu holen. Die Zustimmung kann dabei ausdrücklich oder konkludent erfolgen, muss aber eindeutig sein. Macht er dies nicht, macht er sich gem. § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB strafbar.

Bei einer Vergewaltigung kommt es zum Vagina-, Oral- oder Analverkehr. Die Strafbarkeit ergibt sich dann aus § 177 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 StGB. Solche Vergewaltigungen müssen aber nicht zwangsläufig etwas mit Gewalt zu tun haben.

Wird nicht in den Körper des Opfers eingedrungen, kommt es aber trotzdem zu sexuellen Handlungen, spricht man von sexuellen Übergriffen, die gem. § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB strafbar sind.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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