Strafbarkeit von Impfpassfälschungen

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Ein gelbes Blatt Papier auf einem Tisch in Hamburg.

Strafbarkeit von Impfpassfälschungen

In Zeiten von Corona erhalten Impfpässe in der Gesellschaft einen ganz neuen Stellenwert. Geimpfte, die ihren Status mithilfe des Impfasses nachweisen können, durften ohne Corona-Tests in Restaurants, Kinos oder Bekleidungsläden. All diejenigen, die ungeimpft oder unzureichend geimpft waren, mussten einen offiziellen negativen Corona-Test vorweisen, der nicht älter als 24 Stunden war. Das war nicht nur aufwendig, sondern konnte unter Umständen auch kostenintensiv sein, da der Staat nur eine gewisse Anzahl an Coronatests finanziell unterstützte. Wer seinen Impfpass nicht täglich bei sich haben wollte, musste sich ein Impfzertifikat in der Apotheke ausstellen lassen, welches dann im Mobiltelefon hinterlegt war. An dieses Impfzertifikat kam man aber nur, wenn man in der Apotheke mit Hilfe eines gültigen Impfausweises vorweisen konnte, dass man ausreichend gegen das Corona-Virus geimpft war. Es ist also wenig verwunderlich, dass Kriminelle auf die Idee kamen, Impfausweise zu fälschen um so unrechtmäßig an Impfzertifikate zu kommen. 

 

Problemkreis

Lange war umstritten, ob das Vorzeigen eines gefälschten Impfausweises strafbar ist. 

Seinerzeit hatte das Landgericht Osnabrück entschieden, dass das Vorzeigen selbst nicht strafbar ist, der gefälschte Impfausweis wohl aber von der Polizei sichergestellt werden darf.

Das LG hatte sich in diesem konkreten Fall mit der Strafbarkeit eines Mannes beschäftigt, dem vorgeworfen wurde, in einer Apotheke einen gefälschten Impfausweis vorgezeigt zu haben, um ein digitales Impfzertifikat zu bekommen. Die Polizei hatte daraufhin die gerichtliche Bestätigung für die Beschlagnahme des mutmaßlich gefälschten Impfausweises beantragt, was das Amtsgericht Osnabrück jedoch abgelehnt hatte, mit der Begründung, das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten sei nicht strafbar.

Auch in zweiter Instanz erklärte das Gericht, das Vorlegen der Fälschung sei nicht strafbar. Dieses Verhalten sei an das Ziel geknüpft, an einen digitalen Impfausweis zu kommen, und nach derzeitiger Rechtslage kein strafbares Handeln. Das LG ging deshalb von einer Strafbarkeitslücke aus. Zwar war das LG Osnabrück überzeugt, ein Impfpass sei ein Gesundheitszeugnis im Sinne von §§ 277, 279 StGB (Fälschung von bzw. Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse). Die Vorlage erfolge allerdings in einer Apotheke, die ein privates Unternehmen sei und nicht vor einer Behörde im Sinne der Norm. 

Zudem fänden nach Ansicht des LG die allgemeinen Regelungen der Urkundsdelikte keine Anwendung, da die §§ 277, 279 StGB auf Grund der Spezialität die Urkundsdelikte verdrängen. Eine Strafbarkeit nach § 75a Abs. 2 Nr. 1 IfSG (unrichtige Dokumentation zur Täuschung im Rechtsverkehr) komme ebenfalls nicht in Betracht, weil der Straftatbestand nur von einer zur Durchführung der Schutzimpfung berechtigten Person begangen werden könne, wie beispielsweise von einem Arzt oder einer Ärztin.

Letztlich machte das LG aber deutlich, dass die Sicherstellung eines gefälschten Impfausweises trotzdem möglich sei. Das Gebrauchen eines unechten oder gefälschten Impfausweises stelle wegen der bestehenden Ansteckungsgefahr eine gegenwärtige Gefahr für die Allgemeinheit dar. Entsprechend dürfe er auf Grundlage des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts sichergestellt werden.

 

Neue Rechtsprechung 

Der Bundesgerichtshof stellte jetzt aber in einer aktuellen Entscheidung klar, dass auch nach alter Rechtslage keine Strafbarkeitslücke bestand. 

Seit November 2021 ist das Vorlegen eines gefälschten Impfausweises als Gebrauchen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses gem. § 279 StGB strafbar.
Ob auch das Vorzeigen des gefälschten Impfpasses auch vor der Gesetzesänderung strafbar war, war in der Rechtsprechung hoch umstritten. Nach Ansicht einiger Landes- und Oberlandesgerichte kam die Bestrafung wegen Urkundenfälschung nach § 267 StGB nicht in Betracht. Bei der Vorschrift über Gesundheitszeugnisse handele es sich nämlich um eine Sondervorschrift, die eine Sperrwirkung entfalte, sodass eine Annahme von Urkundsdelikten ausscheide. Die Oberlandesgerichte in Hamburg, Stuttgart, Schleswig und Celle hatten sich gegen eine Sperrwirkung ausgesprochen. Das OLG Karlsruhe hatte die Frage bereits dem BGH vorgelegt. 

Der BGH beanstandete die Auffassung des LG Hamburg als rechtsfehlerhaft, nachdem § 277 StGB a.F. eine Sondervorschrift sei. 

Laut BGH handele es sich bei § 277 StGB a.F. nicht um eine spezielle Vorschrift, die den Täter der Fälschung von Gesundheitszeugnissen im Verhältnis zu dem einer Urkundenfälschung privilegieren soll. „Weder dem Zweck noch dem systematischen Zusammenhang der miteinander konkurrierenden Bestimmungen oder dem Willen des Gesetzgebers lassen sich Anhaltspunkte für eine solche Privilegierung entnehmen“, hieß es in der Entscheidung. Erst recht entfalte § 277 StGB a.F. keine Sperrwirkung gegenüber der Urkundenfälschung, wenn der Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen – so wie im Fall – nicht (vollständig) erfüllt sei.




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[1] LG Osnabrück, Beschluss vom 26.10.2021.
[2] LTO-Redaktion, in: Vorzeigen eines gefälschten Impfausweises nicht strafbar, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-osnabrueck-gefaelschter-impfausweis-vorzeigen-nicht-strafbar-digitales-impfzertifikat-polizei-sicherstellung-coronavirus-covid19/, abgerufen am 19.11.2022.
[3] LTO-Redaktion, in: Vorzeigen eines gefälschten Impfausweises nicht strafbar, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-osnabrueck-gefaelschter-impfausweis-vorzeigen-nicht-strafbar-digitales-impfzertifikat-polizei-sicherstellung-coronavirus-covid19/, abgerufen am 19.11.2022.
[4] OLG Celle, Urteil vom 31.05.2022, Az. 1 Ss 6/22.
[5] Lorenz, in: Eine Entscheidung des BGH muss her, LTO, https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/impfausweis-faelschung-strafbarkeit-urkundenfaelschung-bgh-corona-covid/, abgerufen am 23.11.2022.
[6] LTO-Redaktion, in: Vorzeigen eines gefälschten Impfausweises nicht strafbar, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-osnabrueck-gefaelschter-impfausweis-vorzeigen-nicht-strafbar-digitales-impfzertifikat-polizei-sicherstellung-coronavirus-covid19/, abgerufen am 23.11.2022.
[7] BGH, Urteil vom 10.11.2022, Az. 5 StR 283/22.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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