Strafbarkeit des Verbreitens von SARS-CoV-2

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Ein Hamburger Strafverteidiger zeichnet gekonnt den Kopf einer Person auf eine Tafel.

Strafbarkeit des Verbreitens von SARS-CoV-2

Menschen neigen dazu einen Schuldigen zu suchen. Sei es für eine persönliche Niederlage oder aber für Nachteile, die sie aus anderen Gründen erleiden mussten. Die Frage nach der Schuld wird dabei meist mit Hilfe des Strafrechts geklärt und sanktioniert. 

„Der Schuldige“ ist jedoch in Bezug auf eine Infizierung mit dem Corona-Virus häufig weder eindeutig zu ermitteln, noch besteht die Möglichkeit einer adäquaten Sanktionierung.

Das Corona-Virus ist derzeit für jeden präsent. Ständig wird einem vor Augen gehalten, dass zu jeder Zeit die Gefahr besteht sich anzustecken und zu erkranken. Strafrechtliche Fragen drängen sich aus dieser Sorger heraus praktisch auf. Beispielsweise die Frage was passiert, wenn ein Infizierter Dritte ansteckt oder sie gefährdet. 

Im Zusammenhang mit der Corona-Krise wurden immer wieder strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet gegen Infizierte, die sich trotz der Infektion unvorsichtig in der Öffentlichkeit bewegten und damit Dritte gefährdeten. Dabei geriet auch ein Richter in Schwierigkeiten, weil er in der Zeit in der die Anzahl der Infektionen stetig anstiegt, einen Strafprozess mehr oder weniger normal verhandelte. 

Die Anwendung des Strafrechts als Mittel zur Eindämmung der Corona-Krise ist dabei durchaus als kritisch zu beurteilen. So wurde zwar im Zusammenhang mit einer HIV-Infektion bereits strafrechtlich ermittelt, Menschen, die sich mit einer saisonalen Grippe infiziert hatten und sich im öffentlichen Raum aufhielten wurden dagegen von einem Ermittlungsverfahren verschont.

1. Wissenschaftliche Informationen zu SARS-CoV-2

Das besondere des Corona-Virus ist, dass es noch nicht vollständig erforscht ist. Niemand weiß genau, wie sich der Krankheitsverlauf entwickelt. Die Symptome variieren von Erkältungserscheinungen bis hin zu Magen-Darm-Problemen. So unterschiedlich wie die Symptome des Virus sind, so unterschiedlich sind auch deren Verläufe. Vereinzelt läuft die Krankheit gänzlich asymptomatisch ab, in anderen Fällen sterben die Infizierten an dem Virus. Bei derzeitigem Kenntnisstand wird davon ausgegangen, dass ca. 80% der Infektionen milde verlaufen und die häufigsten Symptome Husten und Fieber sind. Schwere, aber nicht lebensgefährliche Verläufe haben etwa 14% der Erkrankten und nur etwa 6% der Infektionen verlaufen tödlich. Dabei versterben die Menschen an Lungenversagen oder einem septischen Schock. Eine Letalitätsrate ist derzeit nicht bestimmbar, da Wissenschaftler von einer sehr hohen Dunkelziffer von Infektionen ausgehen.

Übertragen wird das Virus über eine sogenannte Tröpfcheninfektion. Die ersten Symptome zeigen sich durchschnittlich nach 5-6 Tagen nach der Ansteckung. Eine Ansteckung einer weiteren Person erfolgt meist erst, wenn die Krankheit Symptome entfaltet. Wissenschaftler gehen allerdings davon aus, dass das Virus auch dann übertragen werden kann, wenn die Erkrankung asymptomatisch verläuft.

2. Strafbarkeit der Verbreitung des Virus

Besonders im Fokus einer strafrechtlichen Verfolgung im Rahmen einer Infektion mit dem Corona-Virus liegen Körperverletzungs-und Tötungsdelikte. 

  1. a) Verbreitung des Virus als Körperverletzungsdelikt

 

Die Voraussetzungen für die Erfüllung des tatbestandlichen Erfolgs eines Körperverletzungsdelikts ist unproblematisch dann gegeben, wenn nach der Ansteckung durch einen Infizierten bei dem Opfer erste Symptome wie Fieber auftreten. Ein Erfolg liegt dann vor, wenn das Opfer körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt wurde.

Eine Besonderheit in der Konstellation der Infektion mit COVID-19 ist, dass nicht jeder bei einer Infizierung auch tatsächlich Symptome entwickelt. 

Fraglich ist also, ob bereits die bloße Infektion mit dem Corona-Virus und nicht das Entwickeln von Symptomen ausreichend ist für eine vollendete Körperverletzung.

In der Rechtsprechung und der herrschenden Literatur wird bei einer Ansteckung mit dem HI-Virus angenommen, dass es sich um eine vollendete Körperverletzung handelt, wenn die Möglichkeit besteht, dass durch die Infektion eine nicht ganz unerhebliche Erkrankung hervorgerufen werden kann. Bei einer Infektion mit dem Corona-Virus sind jedoch deutliche Unterschiede im Vergleich zu einer Ansteckung mit HIV zu erkennen. Sollten bei einer Infektion mit COVID-19 keinerlei Symptome auftreten besteht zwar eine Gefahr für Dritte, der Infizierte ist aber nicht in einem pathologischen Sinn erkrankt. Nähme man in diesem Fall eine Vollendung des Körperverletzungsdelikts an, würde man § 223 I StGB zu einem Volksgesundheit schützendes Gefährdungsdelikt machen.

Überwiegend wird angenommen, dass Krankheitserreger und damit auch Viren ein „anderer gesundheitsschädlicher Stoff“ ist. Das hat zur Folge, dass eine Ansteckung mit einem Virus von § 224 I Nr.1 StGB erfasst ist. Damit § 224 I Nr.1 StGB verwirklicht ist muss aus der Anwendung des Tatmittels im Einzelfall in die konkrete Gefahr einer erheblichen Körperverletzung resultieren. Der Stoff muss nach konkreten Umständen dazu geeignet sein eine solche Körperverletzung zu verursachen. Dabei ist insbesondere Art und Menge des Stoffes sowie Konstitution des Opfers zu berücksichtigen. Das SARS-CoV-2 stellt danach ein taugliches Tatmittel dar, da eine Infektion sogar zu tödlichen Verläufen führen kann. Eine Strafbarkeit nach § 224 I Nr.1 StGB ist folglich denkbar.

Im Übrigen stellt eine Infektion mit dem Virus auch eine lebensgefährdende Behandlung im Sinne von § 224 I Nr. 5 StGB dar. Dabei ist es unerheblich, wie schwerwiegend der tatsächlich eingetretene Körperverletzungserfolg ist, solange eine Gefährlichkeit für das Opfer besteht.

 

  1. b) Verbreitung des Virus als Tötungsdelikt

Um eine Strafbarkeit nach § 212 I StGB bejahen zu können ist es elementar, dass dem Handelnden wenigstens dolus eventualis nachgewiesen werden kann. Unproblematisch ist dies immer dann, wenn jemand beabsichtigt, den Tod seines Opfers durch die Infektion herbeizuführen. Ist dies nicht eindeutig feststellbar, muss auf Grundlage einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls genau geprüft werden, ob es dem Täter auf den Tod ankam. Dadurch, dass die Wahrscheinlichkeit eines Todes durch eine COVID-19-Infektion im einstelligen Prozentbereich liegt, wird der Täter häufig zu Unrecht darauf vertrauen, dass aus der Infektion mit dem Virus tödliche Folgen resultieren. Ohne Vorliegen gewichtiger anderweitiger Gesichtspunkte wird also davon auszugehen sein, dass ausschließlich ein Köperverletzungsvorsatz gegeben ist. Ist ein Tötungsvorsatz nicht zu bejahen, kommt eine Strafbarkeit nach § 222 StGB sowie § 227 I StGB in Betracht.

3. Fazit

Ob sich ein Infizierter strafbar macht oder nicht und vor allem nach welchen Vorschriften ist nicht immer leicht zu beurteilen. Fest steht aber, dass sobald dem Betroffenen seine Infizierung bewusst wird und er sich nicht entsprechend verhält, er einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt werden könnte. 

[1] Robert-Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit 2019, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html, abgerufen am 01.10.2020.
[2] Robert-Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit 2019, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html, abgerufen am 01.10.2020.
[3] Fischer, in: Virus strafbar! https://www.spiegel.de/panorama/justiz/coronavirus-und-das-strafrecht-virus-strafbar-kolumne-a-9347f5da-d295-4a67-90b4-3e0362f77089, abgerufen am 01.10.2020.
[4] BGH, Urteil vom 18.10.2007 – 3 StR 248/07, NStZ 2009, 34 (34).
[5] Hotz, in: Die Strafbarkeit des Verbreitens von Krankheitserregern am Beispiel der Corona-Krise, NStZ 2020, 320 (322).
[6] Prittwitz, in: Das „AIDS-Urteil“ des Bundesgerichtshofs, StV 1989, 123 (126f.).
[7] Hotz, in: Die Strafbarkeit des Verbreitens von Krankheitserregern am Beispiel der Corona-Krise, NStZ 2020, 320 (324).
[8] BGH, Urteil vom 16.03.2006 – 4 StR 536/05, JuS 2006, 758 (760).
[9] BGH, Urteil vom 04.11.1988 – 1 StR 262/88, NJW 1989, 781 (783).
[10] Hotz, in: Die Strafbarkeit des Verbreitens von Krankheitserregern am Beispiel der Corona-Krise, NStZ 2020, 320 (326).
[11] Hotz, in: Die Strafbarkeit des Verbreitens von Krankheitserregern am Beispiel der Corona-Krise, NStZ 2020, 320 (326).

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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