Der Schiebetermin zur Wahrung der Unterbrechungsfrist

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Ein Notizbuch mit Brille und Stift auf einem Holztisch, das den Abgasskandal darstellt.

Der Schiebetermin zur Wahrung der Unterbrechungsfrist

Umfangreiche Verfahren können nicht an einem Tag stattfinden. Da aber sowohl das Gericht, als auch die Staatsanwaltschaft sowie vermutlich auch die Verteidiger weitere Verfahren haben, die parallel laufen, kann nicht einfach an einem Stück durchverhandelt werden, sondern es werden mehrere Termine veranschlagt. Die Hauptverhandlungsunterbrechung darf gem. § 229 StPO nicht länger als drei Wochen dauern. Da aber auch diese drei-Wochen-Frist, insbesondere bei unvorhergesehenen Beweisanträgen oder neu aufkommenden Sachverhaltsvarianten, knapp gehalten ist werden manchmal sogenannte Schiebetermine gemacht an denen aufgerufen wird, aber ansonsten keine großen Verhandlungen stattfinden. Nunmehr hat der BGH in seinem Beschluss festgestellt, dass ein entsprechendes Handeln unzulässig ist. 

Zum Sachverhalt 

Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe wegen überlanger Verfahrensdauer für vollstreckt erklärt. 

Der Angeklagte legte gegen die Entscheidung Revision ein und rügte die Verletzung des § 229 StPO wegen überlanger Verfahrensdauer. 

Entscheidungsgründe des BGH

Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg. 

Die Hauptverhandlung zu den Taten begann am 04.05.2017 und die Fortsetzungstermine waren auf den 15., 19., 23. und 31.05.2017 terminiert. Das Beweisprogramm wurde an diesen Tagen abgearbeitet. Allerdings verlängerte sich die Hauptverhandlung aufgrund von Beweisanträgen und durch erneute Vernehmung von weiteren Zeugen. Durch einen weiteren Beweisantrag der Verteidigung verzögerte sich das Verfahren erheblich. Einer der letzten Termine fand dadurch erst am 28.07.2020 statt, bei dem ausschließlich ein weiterer Beweisantrag abgelehnt wurde. 

Die in § 229 StPO normierten Unterbrechungsfristen werden im Hinblick auf die der Vorschrift zugrunde liegende Konzentrationsmaxime nur dann gewahrt, wenn in dem zur Fortsetzung der Hauptverhandlung anberaumten Termin zur Sache verhandelt, das Verfahren mithin inhaltlich auf den abschließenden Urteilsspruch gefördert wird. Dies ist immer dann der Fall, wenn es zu Verfahrensvorgängen kommt, die die zur Urteilsfindung führende Sachverhaltsaufklärung betreffen. 

Auch die alleinige Befassung mit Verfahrensfragen kann ausreichend sein, sofern es dabei um den Fortgang der Sachverhaltsaufklärung geht. Dabei ist die Dauer des Termins nicht entscheidend.

Auch wenn in dem Termin Verfahrensvorgänge stattfinden, die nach diesen Maßstäben grundsätzlich zur Unterbrechung der Fristen des § 229 StPO geeignet sind, liegt ein Verhandeln zur Sache jedoch dann nicht vor, wenn das Gericht dabei nur der äußeren Form nach zum Zwecke der Umgehung dieser Vorschrift tätig wird und der Gesichtspunkt der Verfahrensförderung dahinter als bedeutungslos zurücktritt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eigentlich zusammengehörige Verfahrenshandlungen willkürlich zerstückelt werden um entsprechende Unterbrechungsfristen einhalten zu können.

Im konkreten Fall kann es dahinstehen, ob es an einzelnen Verhandlungstagen überhaupt nicht zu Verfahrensvorgängen kam, die das Verfahren inhaltlich auf den abschließenden Urteilsspruch förderten.

Mit der Verfahrensart des Landgerichts sollte die Aussetzung des Verfahrens verhindert werden. Das Landgericht befasste sich über drei Jahre hinweg mit der Buchhaltung des Angeklagten und ließ mehrere alternative Schadensberechnungen erstellen, sodass substantielle Förderungen des Verfahrens in den Hauptverhandlungen nicht möglich waren. 

Um die Hauptverhandlung trotz der Verzögerungen fortzuführen, hat das LG die Unterbrechungsfristen des § 229 StPO über Jahre hinweg ausgereizt und die Verhandlung zeitlich dermaßen gestreckt, dass die jährliche Verhandlungsdauer kaum über diejenige eines einzigen gewöhnlichen Sitzungstages hinausging. Im Jahr 2018 verhandelte das LG – verteilt auf 19 Sitzungstage – insgesamt nur siebeneinhalb Stunden, und in den Jahren 2019 und 2020 war die gesamte Verhandlungsdauer mit fünfeinhalb bzw. sechseinhalb Stunden noch kürzer, verteilt auf 17 bzw. 16 Tage.

Gegenstand der Hauptverhandlungen waren in dem Zeitraum meist außerhalb der Hauptverhandlung stattfindende Vorgänge, sowie die Bekanntgabe von Verfügungen. Diese Bekanntgabe hätte jedoch genauso gut ohne eine Hauptverhandlung den Beteiligten zugehen können. An mehreren Verhandlungstagen wurden ausschließlich Urkunden verlesen, die ohne weiteres schon deutlich früher in die Hauptverhandlung hätten eingeführt werden können.

[1] BGH, Beschluss vom 13.12.2022 – 6 StR 95/22, NJW 2023, 377 (377).
[2] BGH, Urt. v. 16.11.2017 − 3 StR 262/17, NStZ 2018, 297 (298).
[3] BGH, Urt. v. 16. 1. 2014 − 4 StR 370/13, NStZ 2014, 220 (220).
[4] BGH, Beschluss vom 13.12.2022 – 6 StR 95/22, NJW 2023, 377 (379).
[5] BGH, Urteil vom 2. 2. 2012 – 3 StR 401/11, NStZ 2012, 343; BGH, Urt. v. 16. 1. 2014 − 4 StR 370/13, NStZ 2014, 220 (220).
[6] BGH, Beschluß vom 16. 10. 2007 – 3 StR 254/07, NStZ 2008, 115 (115).
[7] BGH, Beschluss vom 13.12.2022 – 6 StR 95/22, NJW 2023, 377 (380).
[8] BGH, Beschluss vom 13.12.2022 – 6 StR 95/22, NJW 2023, 377 (380).
[9] BGH, Beschluss vom 13.12.2022 – 6 StR 95/22, NJW 2023, 377 (380).

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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