Der BGH und die mörderischen Raser – Teil 1

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Ein Mann und sein Hund gehen eine Straße mit einem Schild mit der Aufschrift „Kurfürstendam“ entlang.

Der BGH und die mörderischen Raser- Teil 1

Vor 4 Jahren haben sich in Berlin auf dem Kurfürstendamm zwei Männer ein Autorennen geliefert. Dabei ist ein 69-jähriger Mann zu Tode gekommen. 

Seitdem wird unter Juristen viel diskutiert, ob illegale Autorennen mit Personenschaden eine Verurteilung zum Mord rechtfertigen oder nur um fahrlässige Tötungen.

Diese Frage hat vor allem das Landgericht Berlin, sowie den BGH ausgiebig beschäftigt und soll nachfolgend besprochen werden.

In der Nacht zum 01.02.2016 entschlossen sich der Angeklagte N, die Beifahrerin und spätere Zeugin K und der Angeklagte H sich ein illegales Autorennen zu liefern. 

Der Angeklagte H machte mit lauten Motorengeräuschen im Leerlauf seines Fahrzeugs auf sich aufmerksam und signalisierte, dass er zu einer Wettfahrt bereit wäre. Beide Angeklagte fuhren nach Umschalten der Ampel schnell los und überquerten den Adenauerplatz, um abrupt hinter einer Bushaltestelle anzuhalten. Hier erfolgte ein kurzes Gespräch und die Verabredung zu einem Straßenrennen zwischen beiden.

Unmittelbar nach dieser Verabredung fuhren die beiden Angeklagten unter Überfahren von roten Ampeln mit stark überhöhter Geschwindigkeit in Richtung Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche los. 

Der Angeklagte H hatte bereits zu diesem Zeitpunkt den Entschluss gefasst, möglichst schnell vor dem Angeklagten N das Ziel zu erreichen und dabei alle Verkehrsregeln außer Acht zu lassen. 

Der Angeklagte N nahm unter deutlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und unter Überfahren von mehreren roten Ampeln die Verfolgung auf. Er entschloss sich ebenfalls unter Missachtung der Verkehrsregeln den Angeklagten H möglichst schnell einzuholen und das Ziel als Erster zu erreichen. 

Mit einem leichten Vorsprung von wenigen Metern und einer Geschwindigkeit von 139-149 km/h fuhr der Angeklagte N bei Rot in den Kreuzungsbereich Tauentzienstraße/Nürnberger Straße ein. Auch der Angeklagte H fuhr mit einer Geschwindigkeit von mindestens 160-170 km/h in die Kreuzung ein. 

Der Angeklagte H kollidierte im Scheitelpunkt der Kreuzung mit dem Fahrzeug des Geschädigten W. Dieser war regelkonform bei Grün in die Kreuzung eingefahren. 

Durch den Aufprall wurde der Wagen des W quasi durchstoßen, das Fahrzeug mehrfach gedreht und durch die Luft geschleudert. 

Der Angeklagte N und H konnten noch vor Ort von einem Notarzt behandelt werden und hatten nur leichte und oberflächliche Verletzungen. Der Geschädigte W erlag noch vor Ort seinen Verletzungen. 

Beide Angeklagten hätten den Jeep des W auf Grund der räumlichen und zeitlichen Zusammenhänge ab rund einer Sekunde vor dem Zusammenstoß erkennen können. Bei einer Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50km/h hätte der Unfall vermieden werden können.

2. Entscheidung des Landgerichts Berlin

Das Landgericht Berlin hat festgestellt, dass sich die Angeklagten gem. § 25 Abs. 2 StGB mittäterschaftlich und bedingt vorsätzlich handelnd mit gemeingefährlichen Mitteln einen Mord zum Nachteil des Geschädigten W gem. § 211 StGB in Tateinheit zum Nachteil der Zeugin und Nebenklägerin K gem. §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315c Abs. 1 Nr. 2a) und d) StGB strafbar gemacht haben. 

Die Angeklagten handelten bei der Tat mit bedingtem Vorsatz.

Für diese Feststellungen ist eine Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit vorzunehmen. Bewusst fahrlässig handelt derjenige, der die mögliche Folge erkannte aber nicht damit einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt vertraut. Der bedingt vorsätzlich Handelnde ist mit dem Eintreten des schädlichen Erfolges in der Weise einverstanden, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder dass er sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet. Die Prüfung, ob bedingter Vorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände.

Im Gegensatz zu vorherigen illegalen Straßenrennen handelte es sich im hiesigen Fall nicht um Heranwachsende, verkehrsrechtliche Unbelastete und Geschwindigkeiten von unter 100 km/h. Die Verteidigung der Angeklagten hatte argumentiert, dass in der Welt der Raserszene der Einzelne dem bedingten Tötungsvorsatz nicht zugänglich sei.

Die Angeklagten haben bereits im vorhinein in einem kurzen Zeitraum mehrere Verkehrsordnungswidrigkeiten davon vorwiegend Parkverstöße und geringe Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen. Bei zusammenfassender Würdigung ergibt dies, nach Meinung des LG Berlin, ein Bild über die Angeklagten, dass diese grundsätzlich nicht gewillt sind das geltende Verkehrsrecht einzuhalten und ihr Fahrzeug nur zur Durchsetzung ihrer Interessen einzusetzen. Die Angeklagten leben in einer Welt eigener Maßstäbe. 

Im Vordergrund stand für beide Angeklagten das Gewinnen des Rennens zum Zwecke der Selbstbestätigung.

Das LG Berlin stellte weiterhin fest, dass das Rennen nicht auf einer wenig befahrenen Landstraße, sondern in der Berliner Innenstadt stattfand. Auch nachts war auf dem Kurfürstendamm ein hohes Verkehrsaufkommen von Taxen, Bussen, Privatfahrzeugen und Fußgängern. Auf der Rennstrecke passierten die Angeklagten elf Ampelschaltungen bei denen mehrere Rot abstrahlten und wegen der nächtlichen Beleuchtung und aufgrund von Baustellen bestanden schlechte Sichtverhältnisse, insbesondere für den Rechtsfahrenden. Während des Rennens nahmen beide Angeklagte die gesamte Breite der Fahrbahn ein und beschleunigten unmittelbar vor der Unfallkreuzung erneut. Zu dem Zeitpunkt des Einfahrens in die Kreuzung zeigte die Ampel auf rot und die Angeklagten hatten eine Geschwindigkeit von 139-149 km/h.

Beide haben sich mit der tödlichen Tatbestandsverwirklichung abgefunden und wissentlich eine große Lebensgefahr geschaffen. Hinzukommt, dass die erreichte Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls eine Fahrlässigkeit nahezu ausschließt. Die Angeklagten konnten im Tatzeitpunkt nicht mehr darauf vertrauen, dass schon alles gut gehen werde. Aus Aussagen des Angeklagten H gegenüber eines Sachverständigen lässt sich entnehmen, dass er sich den Risiken seines Verhaltens bewusst war und in Kauf nahm eine Gefahr für Dritte darzustellen. Ähnliches wurde auch für den Angeklagten N festgestellt.

Demnach wurde sowohl das Wissens-als auch das Wollenselement vom LG Berlin bejaht, sodass die Angeklagten mit bedingtem Tötungsvorsatz handelten.

Das LG Berlin hatte die Angeklagten jeweils wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt. 

Dagegen legten die Beide Revision ein.

Die Revision vor dem BGH hatte Erfolg. 

Begründet wurde dies damit, dass die Feststellungen des LG Berlin über den Tötungsvorsatz nicht ausreichend waren. 

Der Vorsatz muss im Zeitpunkt der zum Taterfolg führenden Handlung vorliegen. Daraus folgt, dass sich nur derjenige strafbar macht, wer ab Entstehen des Tatentschlusses noch eine Handlung vornimmt, die in der vorgestellten oder für möglich gehaltenen Weise den tatbestandlichen Erfolg herbeiführt. 

Das LG Berlin hat festgestellt, dass die Angeklagten spätestens zum Zeitpunkt vorsätzlich handelten, als sie bei einer Rotlicht anzeigenden Ampel in den Bereich der Kreuzung einfuhren. Das LG Berlin ging also davon aus, dass die Angeklagten den Tod eines anderen Verkehrsteilnehmers als Folge ihrer Fahrweise schon vor Einfahren in den Kreuzungsbereich als möglich erkannt und billig in Kauf genommen hatten. Vorsatz ist aber nur dann möglich, wenn die Angeklagten zum Zeitpunkt des Einfahrens in den Kreuzungsbereich noch die Möglichkeit hatten eine Handlung vorzunehmen, die für den Tötungsvorsatz ursächlich war oder eine Handlung die den Unfall vermieden hätte. Das LG hat jedoch Feststellungen dazu getroffen, dass die Angeklagten im Zeitpunkt des Einfahrens in den Kreuzungsbereich gerade keine Handlungsmöglichkeiten mehr hatten.

Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind keine maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Angeklagte bedingten Vorsatz hatte oder nicht. Ein möglicher bedingter Vorsatz der Angeklagten wurde nach Ansicht des BGH folglich nicht ausreichend begründet. 

Das Urteil wurde demnach ans LG Berlin zurückverwiesen und musste neu beschieden werden.

[1] LG Berlin, Urteil v. 27.02.2017 – 251 Js 52/16, NStZ 2017, 471 (471 ff.)
[2] nachfolgend als LG Berlin abgekürzt.
[3] LG Berlin, Urteil v. 27.02.2017 – 251 Js 52/16, NStZ 2017, 471 (473).
[4] BGH, Urteil v. 14.01.2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79 (80).
[5] LG Berlin, Urteil v. 27.02.2017 – 251 Js 52/16, NStZ 2017, 471 (473).
[6] LG Berlin, Urteil v. 27.02.2017 – 251 Js 52/16, NStZ 2017, 471 (474).
[7] LG Berlin, Urteil v. 27.02.2017 – 251 Js 52/16, NStZ 2017, 471 (475).
[8] Nachfolgend als BGH abgekürzt.
[9] BGH, Urteil v. 1.03.2018 – 4 StR 399/17, NJW 2018, 1621 (1622 Rn. 13).
[10] BGH, Urteil v. 1.03.2018 – 4 StR 399/17, NJW 2018, 1621 (1622 Rn. 14).
[11] BGH, Urteil v. 1.03.2018 – 4 StR 399/17, NJW 2018, 1621 (1622 Rn. 15).
[12] BGH, Urteil v. 1.03.2018 – 4 StR 399/17, NJW 2018, 1621 (1622 Rn. 19).

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Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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