Missbrauchsvorwürfe

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Bei Sonnenuntergang in der katholischen Kirche zeichnet sich ein Kreuz gegen die Sonne ab.

Die katholische Kirche muss sich immer mal wieder Vorwürfe in Bezug auf Kindesmissbrauch anhören. 

Auch in diesem Jahr kam es erneut zu diesen Vorwürfen. Ein Gutachten hat nunmehr festgestellt, dass es in diesem Fall 202 Beschuldigte im Erzbistum Köln gibt. 

1. Entwicklungen in Deutschland

Bereits im Mittelalter gibt es erste Aufzeichnungen darüber, dass es zu sexuellem Missbrauch bei Kindern in Klöstern gekommen ist. Allerdings lag diese Epoche bisher nicht im Fokus der Forschungen. 

Seit dem 19. Jahrhundert erhebt der Pfaffenspiegel, ein in Deutschland weit verbreitetes antiklerikales Buch, schwere Vorwürfe gegen die katholische Kirche. So wurde die intime Situation der Beichte sexuell ausgenutzt und es soll zu schändlichen Verführungen gekommen sein, denen die unter Leitung der Mönche stehenden Knaben ausgesetzt waren.

In der Zeit des Nationalsozialismus ist der sexuelle Missbrauch insbesondere durch den Internatsleiter der Regensburger Domspatzen in die Öffentlichkeit geraten. Der Priester gestand in seinem Verfahren den sexuellen Missbrauch von Abhängigen und gab an, dass er bereits 1941 seine Zöglinge im Internat sexuell missbraucht hatte. Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs wurde von den Nationalsozialisten im Kampf gegen die katholische Kirche zur Diffamierung und Verfolgung von Geistlichen verwendet.

2. Rechtliche Lage in Deutschland

Sexueller Missbrauch von Jugendlichen ist in Deutschland gem. § 182 StGB verboten. Dabei handelt es sich aber je nach Situation um ein Offizialdelikt, das von Amts wegen verfolgt wird, oder ein Antragsdelikt, das nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt wird. 

Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist hingegen gem. § 176 StGB bzw. § 176 a StGB verboten. In diesen Fällen liegt hingegen immer ein Offizialdelikt vor. 

In einer von der deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegeben Studie wurde deutlich, dass es aus den 27 deutschen Bistümern in der Zeit von 1946 bis 2014 bei 1670 Klerikern zu schweren Vorwürfen in Bezug auf sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen kam. Darunter waren 1429 Diözesanpriester, 159 Ordenspriester und 24 ehrenamtliche Diakone. Bei 54 % der Beschuldigten handelte es sich nur um ein Opfer, der 42,3 % gab es Hinweise auf mehrere Opfer. Dabei schwankt die Zahl zwischen 2- 44 Opfer eines einzigen Täters. 3677 Kinder und Jugendliche sind als Opfer dieser Taten dokumentiert, davon waren über 60 % männlich. Der hohe Anteil an männlichen Opfern unterscheidet nach Angaben von Forschen, diese Taten von nichtkirchlichem sexuellen Missbrauch. Die Studie spiegelt aber natürlich nur das Hellfeld wieder, sodass Forscher von einer erheblich höheren Zahl der Betroffenen ausgeht.

3. Kirchliche Reaktionen auf die Vorwürfe

Kürzlich sind erneut Vorwürfe gegen die katholische Kirche laut geworden, weshalb ein Gutachten erstellt wurde. In diesem Gutachten werden die Beschuldigten namentlich genannt. Besonders der Erzbischof von Köln Woelki stand in diesem Zusammenhang unter harscher Kritik. Im Oktober 2020 gab Woelki bekannt, dass er diese Gutachten nicht veröffentlichen werde, weil es erhebliche methodische Mängel aufweise. Die begutachtende Kanzlei wies daraufhin die Vorwürfe von Woelki zurück und gab bekannt, dass sie das Gutachten gerne veröffentlichen würden, damit die Öffentlichkeit und die Opfer Fakten prüfen könnten. Das Kölner Gutachten wies insbesondere deshalb besonders hohe Brisanz auf, weil darin auch Personen beschuldigt wurden, die führende Positionen in der Kirche innehatten.

Woelki gab an, bis zum 18.03.21 das Gutachten zu veröffentlichen, welches er bei einer anderen Kanzlei in Auftrag gegeben hatte. Am 28.11.20 teilt er jedoch mit, das Gutachten doch nur einzelnen Personen zu einem späteren Zeitpunkt zugänglich machen zu wollen.

Am 06.01.21 bot das Erzbistum Journalisten eine jeweils 20-minütige Einsicht in das Gutachten unter den Voraussetzungen eine Vertraulichkeitsvereinbarung zu unterschreiben. Dies wurde jedoch von den Journalisten einstimmig abgelehnt. Auch das Angebot der Kanzlei, das Gutachten unter Übernahme des Haftungsrisikos selbst zu veröffentlichen, wurde vom Bistum umgehend abgelehnt mit der Begründung, man dürfe kein rechtswidriges Gutachten veröffentlichen.

Tatsächlich ist letztlich das Gutachten am 18.03.21 von Strafrechtlern vorgestellt worden. In dem Gutachten lässt sich erkennen, dass Woelki selbst keinerlei Pflichtverletzungen begangen hat, sondern die Fehler bereits bei seinen Vorgängern zu suchen sind. Nach der Vorstellung des Gutachtens hat Woelki zwei Mitarbeiter vorläufig von ihrer Dienstpflicht entbunden.

Bundesjustizministerin Lambrecht fordert nunmehr weitreichende Konsequenzen. Sie ist der Meinung, dass alle, die in der katholischen Kirche Verantwortung tragen die Strukturen ändern müssen, hinsehen und eingreifen müssen. Es seien dringend vertrauenswürdige Stellen erforderlich, die jeden Hinweis ernst nehmen würden.

[1] Schleier, in: Geschichte der deutschen Kulturgeschichtsschreibung: Bd. 1: Vom Ende des 18. Bis 19. Jahrhunderts, Reprint, Spenner, Kamen 2002, S. 875-679.
[2] Corvin, in: Der Pfaffenspiegel. Historische Denkmale des christlichen Fanatismus. 43. Auflage. Rudolstadt, 1927, S. 267.
[3] Werner, in: Die Causa Georg Zimmermann, Regensburg.digital.de, https://www.regensburg-digital.de/uber-50-jahre-vertuschungsgeschichte/11052013/, abgerufen am 19.03.21.
[4] MHG, in: Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz, S. 252 und 255, https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/dossiers_2018/MHG-Studie-gesamt.pdf, abgerufen am 19.03.21.
[5] Löbbert/Löwisch, in: Bedingt aufklärungsbereit, Zeitonline, https://www.zeit.de/2020/43/dominikus-schwaderlapp-stefan-hesse-missbrauchsskandal-katholische-kirche-erzbistum-koeln?utm_referrer=https%3A%2F%2Fde.wikipedia.org, abgerufen am 19.03.21.
[6] Könische Rundschau, in: „Erhebliche Mängel“ Kardinal Woelki will Missbrauchsgutachten nicht veröffentlichen, https://www.rundschau-online.de/news/aus-aller-welt/-erhebliche-maengel–kardinal-woelki-will-missbrauchsgutachten-nicht-veroeffentlichen-37557362?cb=1616143323488, abgerufen am 19.03.21.
[7] Drobinski/Wernicke, in: Lesen und Schweigen, https://www.sueddeutsche.de/medien/katholische-kirche-missbrauch-kardinal-woelki-stillschweigen-erzbistum-koeln-journalisten-1.5166778, abgerufen am 19.03.21.
[8] Spiegel Panorama, in: Kanzlei will Haftungsrisiko für Missbrauchsgutachten übernehmen- Woelki lehnt ab, https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/rainer-maria-woelki-kanzlei-will-risiko-fuer-missbrauchsgutachten-im-erzbistum-koeln-uebernehmen-a-51de79d2-9f91-4ccb-8e69-6f0343b38c3b, abgerufen am 19.03.21.
[9] Missbrauchsgutachten: Keine Pflichtverletzung Kardinal Woelkis, Katholisch.de, https://www.katholisch.de/artikel/29130-missbrauchsgutachten-keine-pflichtverletzungen-kardinal-woelkis, abgerufen am 19.03.21.
[10] LTO-Redaktion, in: Gutachter identifiziert 202 Beschuldigte im Erzbistum Köln, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/gutachten-gerke-umgang-vorwuerfe-missbrauch-erzbistum-koeln/, abgerufen am 19.03.21.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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