Einsatz von Lügendetektoren im Strafverfahren

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Ein Bild eines von elektronischen Schaltkreisen umgebenen Gehirns, das die komplexe Verbindung zwischen Neurowissenschaften und Technologie darstellt.

Einsatz von Lügendetektoren im Strafverfahren

Technik ist aus unserem Leben heutzutage nicht mehr wegzudenken. Nicht nur Smartphones, Smartwatches und Laptops sind unser ständiger Begleiter, sondern auch intelligente System wie Siri oder Alexa sind aus den deutschen Haushalten praktisch nicht mehr wegzudenken.

In der Justiz haben die technischen Entwicklungen an vielen Stellen noch keinen Einzug erhalten.

Beim Lügendetektortest, auch Polygraphentest genannt, werden linker Oberarm, Brustkorb sowie Ring- und Zeigefinger des Befragten an Messfühler angeschlossen. Körperliche Reaktionen, wie Atmung, Hautwiderstand und Blutdruck, werden durch einen Schreiber auf Millimeterpapier gezeichnet. Bei einem Vergleichsfragentest werden die Reaktionen auf Tatfragen auf sogenannte Vergleichsfragen gemessen. Die Vergleichsfragen sind dabei möglichst vage formuliert, haben aber eine ähnliche Vorwurfsrichtung und es ist schwierig vollkommen wahrheitsgemäß zu antworten. Eine besonders deutliche Reaktion auf eine Tatfrage im Vergleich zur Vergleichsfrage soll indizieren, dass die Tatfrage wahrheitswidrig verneint wurde. Umgekehrt soll eine heftige Reaktion auf eine Vergleichsfrage eine wahrheitsgemäße Antwort auf eine Tatfrage indizieren.

2. Ablehnende Entscheidung zu Lügendetektoren

Theoretisch würde das Nutzen von Lügendetektoren die Arbeit eines Richters um einiges erleichtern. Vorbei wäre die Zeit, in der Zeugen oder Angeklagte eine Lügengeschichte erzählen könnten. 

Die Zulässigkeit von solchen Maßnahmen ist aber nicht unumstritten. 

So hat der BGH in einem Urteil von 1954 entschieden, dass die Untersuchung mit einem Lügendetektor die Freiheit der Willensentschließung- und Betätigung des Beschuldigten verletzt und daher im Strafverfahren und den Vorermittlungen ohne Rücksicht auf sein Einverständnis unzulässig ist. 

In diesem konkreten Fall war der Angeklagte beschuldigt worden, bei einer Genossenschaft 5760 DM unterschlagen zu haben und der Polizei zur Verdeckung einen Einbruch in den Kassenschrank der Genossenschaft vorgetäuscht zu haben. Die Antworten des Angeklagten wurden dabei mittels eines Lügendetektors überprüft. 

Dagegen legte der Angeklagte eine erfolgreiche Verfahrensrüge ein. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Aufzeichnung dieses Geräts als Beweismittel grundsätzlich unzulässig ist. Die Erforschung der Wahrheit ist die Hauptaufgabe des Gerichts in Strafverfahren. Der Beschuldigte ist Beteiligter und nicht Gegenstand des Verfahrens.

Die Entschließungsfreiheit des Beschuldigten hinsichtlich seiner Einlassung zur Anklage bleibt nach dem Gesetz in jeder Verfahrenslage unangetastet. Er ist nicht verpflichtet sich zur Anklage zu äußern oder an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Unterstrichen wird diese Ansicht mit dem Rechtsgedanken des § 136 a StPO. Sie gewährleistet die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung des Beschuldigten hinsichtlich seiner Einlassung.

Zur Erhaltung und Entwicklung der Persönlichkeit gehört ein lebensnotwendiger und unverzichtbarer seelischer Eigenraum, der auch im Strafverfahren unantastbar bleiben muss.

Im Übrigen stellt der BGH fest, dass die wissenschaftlichen Grundlagen der Untersuchung und die Zuverlässigkeit der Prüfungsergebnisse keineswegs gesichert sind.

3. Zweites entscheidendes Urteil im Rahmen der Lügendetektorzulässigkeit

Der BGH musste sich dann 1998 erneut mit der Zulässigkeit der Nutzung von Lügendetektoren beschäftigen. In diesem Urteil entschied der BGH, dass eine polygraphische Untersuchung dann zulässig ist, wenn der Beschuldigte hierzu sein Einverständnis erklärt. 

In der Hauptverhandlung hatte der Angeklagte zum Beweis dafür, dass er die ihm zu Last gelegten Vorwürfe zu Recht bestreite, die Einholung eines psychophysiologischen Gutachtens mittels der Durchführung einer Untersuchung mit dem Polygraphen beantragt. Das zuständige Landgericht hatte den Beweisantrag abgelehnt. Dagegen wendete sich der Angeklagte mit einer Revision.

Der BGH gab an, dass dem seine Entlastung anstrebenden Beschuldigten ein Mittel zu verwehren, eine der Sache nach ungerechtfertigten Schutz bedeuten würde. Es ist auch kein Verstoß des § 136 a StPO gegeben, da das Merkmal der Täuschung in § 136 a StPO restriktiv auszulegen ist. 

Eine Verwendung eines Lügendetektors ist aber nichtsdestotrotz unzulässig, da es sich nach Meinung des BGH um ein völlig ungeeignetes Beweismittel i.S.v. § 244 Abs. 3 S. 2 Alt. 4 StPO handelt. 

Der BGH betonte im Übrigen, dass es sich hinsichtlich des Vergleichsfragentests nicht um eine in den maßgebenden Fachkreisen allgemein und zweifelsfrei als richtig und zuverlässig eingestufte Methode handele.

Feldstudien haben bisher reihenweise den Mangel an statistischer Verzerrung aufgewiesen, was unter anderem daran liegen könnte, dass es praktisch kaum Kriterien gibt, die mit einer tatsächlichen Wahrheit belegt werden können.

Auch in neuster Rechtsprechung hat der BGH seine Rechtsprechung bestätigt und den Einsatz von Lügendetektoren abgelehnt.

4. Fazit

Solange kein eindeutiger Zusammenhang zwischen den von Polygraphen erfassten körperlichen Reaktionen und dem Aussprechen von Unwahrheiten gefunden wird, ist davon auszugehen, dass der BGH die Zulässigkeit der Nutzung von Lügendetektoren weiterhin ablehnt. 

Mehr Akzeptanz könne sich hingegen durch die Nutzung von künstlicher Intelligenz ergeben. Allerdings sind sämtliche in die Richtung gehende Projekte noch in der Forschung und derzeit noch nicht dazu bereit um in der Praxis eingesetzt zu werden. Ob sich die Justiz durch künstliche Intelligenz unterstützen lassen kann, wird sich in der Zukunft zeigen.

[1] Rodenbeck, in: Lügendetektor 2.0 – der Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Aufdeckung bewusster unwahrer Aussagen im Strafverfahren, StV 2000, 479 (479).
[2] BGH, Urteil v. 16.02.1954 – 1 StR 578/53, NJW 1954, 649 (649).
[3] BGH, Urteil v. 16.02.1954 – 1 StR 578/53, NJW 1954, 649 (649).
[4] BGH, Urteil v. 16.02.1954 – 1 StR 578/53, NJW 1954, 649 (650).
[5] BGH, Urteil v. 16.02.1954 – 1 StR 578/53, NJW 1954, 649 (650).
[6] BGH, Urteil v. 16.02.1954 – 1 StR 578/53, NJW 1954, 649 (650).
[7] BGH, Urteil v. 17.12.1998 – 1 StR 156 – 98, NJW 1999, 657 (657).
[8] BGH, Urteil v. 17.12.1998 – 1 StR 156 – 98, NJW 1999, 657 (659).
[9] BGH, Urteil v. 17.12.1998 – 1 StR 156 – 98, NJW 1999, 657 (658 f.).
[10] BGH, Urteil v. 17.12.1998 – 1 StR 156 – 98, NJW 1999, 657 (660).
[11] BGH, Urteil v. 17.12.1998 – 1 StR 156 – 98, NJW 1999, 657 (661).
[12] Putzke/Scheinfeld/Klein/Undeutsch, in: Polygraphische Untersuchungen im Strafprozess. Neues zur faktischen Validität und normativen Zulässigkeit des vom Beschuldigten eingeführten Sachverständigenbeweis, ZStW 2009, 607 (607); BGH, Beschluss v. 30.11.2010 – 1 StR 509/10, NStZ 2011, 474 (475).

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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