Die Provokation durch Hochstapler

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Ein Hochstapler-Mann mit Hut und Brille steht vor einem Computerbildschirm.

Die typischen Betrüger im Wirtschaftsleben oder in der Politik genießen selten Interesse in der Öffentlichkeit, Hochstapler hingegen gelten als besonders reizvoll und das nicht nur in der breiten Öffentlichkeit, sondern auch in der Justiz. Der klassische Hochstapler gibt ausgesprochen glaubwürdig vor, er sei jemand, der er in Wirklichkeit gar nicht ist. Typischerweise sind besonders die Berufsgruppen für Hochstapler interessant, die besonders renommiert sind. Darunter zählen Ärzte, Ingenieure, Juristen und Piloten. Meistens beginnen Hochstapler mit einem gefälschten Lebenslauf und spinnen ihr Lügennetz dann immer weiter. Ab einem bestimmten Punkt haben sie praktisch keine Möglichkeit mehr aus diesem Labyrinth von Lügen herauszukommen. Manche verstricken sich sogar so tief in ihrem Lügennetz, dass sie am Ende sogar selbst an ihre Lügen glauben. Viele der Hochstapler weisen eine narzisstische Persönlichkeitsstörung auf. Auch haben die meisten einen Mangel an ethischen Standards und einen Hang zu kriminellen Machenschaften. Risiken für andere, die durch die Lügen entstehen, weisen die Hochstapler durch verschiedenste Rechtfertigung zurück. Insgesamt spielen diese Menschen jedoch auch keine große Rolle für die Hochstapler.

1. Historischer Fall

Am 20.02.1956 versuchten zwei Männer, die im Jahr zuvor vom tschechoslowakischen Geheimdienst rekrutiert worden waren, Marie Tumlirova in den Osten zu verschleppen. 

Marie Tumlirova war zum damaligen Zeitpunkt eine tschechische Politikerin und Publizistin. Sie war die erste Frau, die 1921 in Prag zur Agrar-Ingenieurin promoviert worden. Die NS-Herrschaft überstand sie auf ihrem eigenen Hof. Nach der kommunistischen Machtergreifung 1948 ging sie mit ihrer Familie ins westliche Exil, wo sie unter anderem in München als Redakteurin für den Sender „Radio Free Europe“ arbeitete. 

Die beiden Entführer – ein Hochstapler und sein Gehilfe- hatten geplant, die bei den kommunistischen Machthabern verhasste Tumlirova durch einen Schlag auf den Kopf wehrlos zu machen. Der Transport von München zur rund 200km entfernten Grenze sollte wegen der prekären Ausstattung mit Kraftfahrzeugen, mit dem Taxi erfolgen. Dem Fahrer des Taxis erklärten die Männer, der alten Dame sei übel geworden. 

Statt, wie von den Tätern geplant, zusammenzubrechen gelang es Tumlirova in ein nahe gelegenes Münchener Hotel zu fliehen. 

Die beiden Männer wurden daraufhin zeitnah gefasst.

Der BGH verurteilte den Haupttäter in dieser Sache wegen versuchter Verschleppung und weiterer Delikte zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren. Sein Gehilfe wurde zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Der Haupttäter hatte bis zum Zeitpunkt der Tat bereits ein bewegtes Leben hinter sich. Er wurde 1920 in der Tschechoslowakei geboren, machte das Abitur und begann ein Medizinstudium. 1940 wurde er jedoch von der deutschen Luftwaffe eingezogen, geriet nach Entfernung von der Truppe in eine deutsche Bewährungskompagnie, 1944 dann in amerikanische Gefangenschaft, aus der er in die polnische Exilarmee wechselte. In der Zeit entwickelte er den Plan Sanitätsoffizier zu werden. Dieser Plan scheiterte jedoch als die polnische Exilarmee aufgelöst wurde. Daraufhin gab er nach einer Station beim britischen Militär vor, vollwertig Medizin studiert zu haben, weshalb er in britischen Krankenhäusern beschäftigt wurde. 

Seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner englischen Gattin, sowie dem gemeinsamen Kind entzog er sich 1952, behielt aber den Familiennamen bei. Nach dem Versuch, vom amerikanischen Geheimdienst rekrutiert zu werden, war er wohl spätestens seit 1955 für dessen tschechoslowakischen Widerpartei tätig. 

Im Rahmen der Strafzumessung betonte der BGH, dass der Angeklagte in einer verworrenen Zeit aufgewachsen sei und früh den Halt im Elternhaus verloren hätte. Ohne menschlichen Rückhalt sei er so in die Fänge des tschechoslowakischen Geheimdienstes geraten, der ihn nicht mehr losließ und seinem Hang zur Hochstaplerei immer wieder Nahrung gab. 

2. Menschliche Komponente des Hochstaplers

Der klassische Hochstapler ist einem bestimmten Menschentypen zuzuordnen. 

Nicht selten hat der Hochstapler eine frühe familiäre Bindung verloren und die Erfahrung gemacht, dass sich jene Teile der Gesellschaft, die generell für Inszenierung fachlicher Autorität empfänglich sind, leicht vom energisch-klugen Auftreten täuschen lassen. Früher die Medizin im Allgemeinen, später die Psychiatrie, Pädagogik und die Justiz, immer wird der Hochstapler als sehr intelligent beschrieben. Meist fangen die Täter mit kleinen Täuschungsgeschichten an. 

Der typische Hochstapler hat meist ein gutes psychologisches Vermögen und erkennt dadurch, welche Täuschung funktionieren und wer ihm nicht leicht zum Opfer fallen wird.

In dem vorliegenden Fall hatte der Hauptangeklagte Tumlirova ausgeforscht, ihr Gehabe beobachtet, immer wieder gezögert, bis er endlich die Verschleppung angegangen ist. Vermutlich war ihm bewusstgeworden, dass eine alte, im akademischen und politischen Kampf erfahrene Frauenrechtlerin kein geborenes Opfer abgab. 

3. Hochstapler heutzutage

Seit ca. 1970 ist die Anzahl an Hochstaplern deutlich gesunken. Wieso der Hochstapler immer seltener in Erscheinung tritt, ist unklar. 

Grundsätzlich gilt aber, dass der Hochstapler von der markanten Klassengesellschaft profitiert.

Der letzte in der Öffentlichkeit diskutierte Hochstapler war ein Jurist, der das Jurastudium nie abgeschlossen hat und trotzdem über Jahre hinweg als Jurist gearbeitet und Karriere gemacht hat. 

[1] Maier, in: Leben mit der Lüge, Stuttgarter Nachrichten, https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.experten-ueber-hochstapler-leben-mit-der-luege.6bd1242a-13cd-4e07-9829-9a5272704915.html, abgerufen am 29.03.21.
[2] BGH, Urteil v. 26.06.1958, 6 StE 3/58, https://research.wolterskluwer-online.de/bibliothek?page=1&sort=DisplayTitle%20asc&category=AlleWerke, abgerufen am 29.03.21.
[3] BGH, Urteil v. 26.06.1958, 6 StE 3/58, https://research.wolterskluwer-online.de/bibliothek?page=1&sort=DisplayTitle%20asc&category=AlleWerke, abgerufen am 29.03.21.
[4] Müller, in: Merkur Postel die Einsamkeit des Hochstaplers, Heft 801, S. 17 (18).
[5] Rath, in: Eine Provokation für die Justiz, https://www.lto.de/recht/feuilleton/f/hochstapler-justiz-geheimdienst-bgh-bundesrepublik-betrug/, abgerufen am 29.03.21.
[6] Müller, in: Merkur Postel die Einsamkeit des Hochstaplers, Heft 801, S. 17 (19).

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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