Einsatz von V-Leuten

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Eine Person geht durch einen Park mit Bäumen und zerbrochenem Glas.

Einsatz von V-Leuten

Die meisten kennen V-Leute (Vertrauensleute) nur aus Krimis, in denen die Tarnung des verdeckten Ermittlers auffliegt und er sich dadurch in ungeahnte Gefahr begibt.

Rechtlich ist der Einsatz von V-Leuten nicht ganz unproblematisch. Wie weit darf der Ermittler gehen? Darf er jemanden dazu bringen eine Straftat zu begehen um eine andere aufzudecken oder darf er selber Straftaten begehen um seine Tarnung zu wahren?

1. Rechtliche Einordnung von V-Leuten

Als Erstes sind sogenannte V-Leute von Informanten abzugrenzen. Während Informanten ihr Wissen im Einzelfall den Ermittlungsbehörden zur Verfügung stellen sind V-Leute zu dieser Informationsbeschaffung längerfristig bereit. In der Regel handelt es sich um Personen, die wegen ihrer „Milieuzugehörigkeit“ über einen privilegierten Informationszugang verfügen. Meist geben V-Leute nicht nur zufällig erhaltene Informationen weiter, sondern bekommen generelle bzw. konkrete Erforschungsaufträge.

Problematisch wird es dann, wenn die betroffene Person informationserhebende Gespräche führt oder einsatzbedingte Straftaten begeht.

Grundsätzlich sind natürlich auch V-Leute an Recht und Gesetz gebunden. Begehen sie eine Straftat, kann es zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen. Es besteht aber die Möglichkeit, dass ein V-Mann durch § 34 StGB gerechtfertigt ist. Diese Rechtfertigung kann allerdings nach herrschender Meinung nur in absoluten Notfällen herangezogen werden. Damit ein V-Mann aber nicht gänzlich schutzlos ist, besteht die Möglichkeit die Strafe zu mildern oder aber unter bestimmten Voraussetzungen ganz von einer Strafe abzusehen und das Verfahren einzustellen. 

Auch der Europäische Gerichtshof geht von der Zulässigkeit des Einsatzes von verdeckten Ermittlern aus. Insbesondere dann, wenn es um den Kampf gegen das organisierte Verbrechen, den Drogenhandel und Korruption geht. Der Gerichtshof legt aber auch fest, dass die gezogenen Erkenntnisse nur dann verwertet werden können, wenn der V-Mann nicht die Grenze zum Lockspitzel überschreitet. Die Grenzen des Lockspitzels sind überschritten, wenn er eine Tatprovokation begeht. Diese setzt voraus, dass eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch einen V-Mann der Polizei zu der Straftat verleitet worden ist. (agent provocateur). Bei einer übermäßig intensiven Einwirkung des Lockspitzels auf den Täter liegt darin ein wesentlicher Strafmilderungsgrund.

2. NPD-Verbotsverfahren

Einer der bekanntesten Einsätze von V-Männern war im Rahmen des NPD-Verbotsverfahrens. 

2003 war es bereits schon einmal zu dem Versuch gekommen, die NPD als verfassungsfeindlich einzustufen und sie somit zu verbieten. Damals war das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, weil der Verfassungsschutz bis in die NPD-Spitze Informanten hatte. Das Verfahren wurde eingestellt, weil es den rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügte. Die Verfassungswidrigkeit der NPD wurde damals primär mit Zitaten eines V-Manns des Verfassungsschutz begründet. Zum damaligen Zeitpunkt gingen alle Beteiligten noch davon aus, dass der Verfassungsschutz die V-Leute für das Verfahren rechtzeitig abgeschaltet worden seien. Später stellte sich dann jedoch heraus, dass es die V-Leute nicht rechtzeitig abgeschaltet worden waren und auch in der Parteispitze tätig gewesen sind. 

Das Bundesverfassungsgericht stellte dazu fest:

Die Beobachtung einer politischen Partei durch V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder des Bundesvorstands fungieren, unmittelbar vor und während der Durchführung eines Parteiverbotsverfahrens ist in der Regel unvereinbar mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren. Staatliche Präsenz auf der Führungsebene einer Partei macht Einflussnahmen auf deren Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar.

3. Aktuelle Entscheidung

In dem kürzlich entschiedenen Urteil hatten zwei von sechs Kriminalbeamte des LKA einen in einer Rockergruppe eingesetzten V-Mann angewiesen, die Mitglieder der Gruppe zu einem Diebstahl nach Dänemark zu begleiten. Auf dieser Tour sollten zahlreiche Bagger gestohlen werden. Angeklagt waren sie wegen Strafvereitelung im Amt. 

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Angeklagten freigesprochen. Der Beamte habe durch weitere verdeckte Maßnahmen dem Verschwinden der Bagger vorgebeugt. Jeder der angeklagten Beamten hätte den V-Mann für straflos gehalten. 

Auch der BGH bestätigte dieses Urteil.

4. Fazit

V-Männer sind für die Bekämpfung von Schwerstkriminalität sicherlich sinnvoll und auch notwendig, um komplett hinter die Machenschaften des Milieus zu kommen. Die V-Männer gehen dabei allerdings ein hohes Risiko ein. Zum einen könnte ihre Tarnung jederzeit entdeckt werden und sie laufen Gefahr selber Opfer einer Straftat zu werden, zum anderen sind die Grenzen des Erlaubten für V-Männer nicht immer eindeutig und so setzen sie sich der Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung aus. Seit geraumer Zeit fordern immer mehr Politiker Richtlinien für das Arbeiten mit V-Männern. Dabei steht nicht nur im Vordergrund was diese V-Leute dürfen und welche Grenzen nicht überschritten werden dürfen, sondern auch inwieweit Beweise, die durch die V-Männer erlangt werden in einer späteren Beweisaufnahme genutzt werden dürfen. Bis heute hat sich die Politik aber noch nicht dazu durchringen können, diese klaren gesetzlichen Regelungen auch tatsächlich zu erlassen, sodass sowohl die Rechtsprechung, als auch die sich derzeit im Einsatz befindenden V-Männer einer großen Unsicherheit ausgesetzt sind.

[1] Kölbel, in: MüKO zur StPO, § 163, Rn. 20.
[2] Soiné, in: Zulässigkeit und Grenzen heimlicher Informationsbeschaffung durch Vertrauensleute der Nachrichtendienste, NStZ 2013, 83 (84).
[3] Soiné, in: Zulässigkeit und Grenzen heimlicher Informationsbeschaffung durch Vertrauensleute der Nachrichtendienste, NStZ 2013, 83 (87).
[4] Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: EMRK, Art. 6, Rn. 157.
[5] Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: EMRK, Art. 6, Rn. 160.
[6] BGH, Beschluss v. 17.03.1994 – 1 StR 1/94, NStZ 1994, 335 (335).
[7] Tagesschau, in: Karlsruhe stellt NPD-Verbotsverfahren ein, https://www.tagesschau.de/inland/meldung221602.html, abgerufen am 23.12.2020.
[8] ZeitOnline, in: Verfassungsschutz führte elf V-Leute in NPD-Spitze, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-05/verfassungsschutz-npd-verbot?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com, abgerufen am 23.12.2020.
[9] BVerfG, Beschluss v. 18.03.2003 – 2 BvR 1/01, Pressemitteilung Nr. 22/2003.
[10] Urteil v. 22.12.2020- 1 StR 165/19, Pressemitteilung Nr. 165/2020.
[11] LTO, in: Kriminalbeamte nicht wegen Baggerdiebstahls strafbar, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bgh-1str16519-baggerdiebstahl-kriminalbeamte-v-mann-v-leute-revision-freispruch/, abgerufen am 23.12.2020.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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