Der Melkmaschinenfall

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Drei Milchkännchen auf einem Melkmaschinenfall-Regal.

Eine der bekanntesten Fälle im Rahmen des § 263 StGB ist der Melkmaschinenfall. Auch heute wird Jurastudenten an diesem Beispiel der Betrugstatbestand und die damit einhergehenden Probleme beigebracht. 

I. Der Sachverhalt

Der Angeklagte war schon seit Jahren Verkaufsvertreter für Melkmaschinen. Als Entgelt für die von ihm vermittelten Vertragsabschlüsse erhielt er von der Lieferfirma Provision. Den von ihm aufgesuchten Landwirten spiegelte er vor, er könne ihnen als „internationaler Propagandist“ und im Rahmen einer Sonderaktion zu Werbezwecken die benötigte Anlage weit unter dem normalen Preis als Musteranlage verschaffen. Tatsächlich war der von ihm geforderte und vereinbarte Preis der gewöhnliche Listenpreis der Melkmaschinen. In einigen Fällen setzte er die Kunden zeitlich unter Druck, indem er deren sofortige Entscheidung verlangte, andernfalls „ein anderer Bauer den Vorteil hätte“. Auf diese Weise gelang es ihm, eine Anzahl von Bauern über die vermeintlich besonders günstige Gelegenheit zum Erwerb der Melkanlage zu täuschen und zur Bestellung solcher Melkanlagen zu veranlassen, die sie bei Kenntnis des wirklichen Sachverhalts jedenfalls zu dieser Zeit nicht gekauft hätten. 

So ging der Angeklagte auch gegenüber Landwirt K vor, von dem er wusste, dass dieser durch den Erwerb in finanzielle Schwierigkeiten geraten würde. 

Auch der Bauer B hatte kurz zuvor seine Wirtschaftsgebäude neu errichtet, war dadurch finanziell stark geschwächt und wollte, als der Angeklagte ihn besuchte, nicht auch noch die Anschaffung einer Melkmaschine auf sich nehmen. Durch die Vorspiegelung B könne durch den sofortigen Erwerb viel Geld sparen, gelang es dem Angeklagten aber dennoch dem B eine Maschine zu verkaufen. B musste deshalb einen Kredit aufnehmen. 

Auch die Bäuerin F hatte gut gebaut und dem Angeklagten bei einem Besuch sofort erklärt, dass sie derzeit nicht über die finanziellen Mittel für eine Anschaffung einer Melkmaschine verfügte. Der Angeklagte überredete F dennoch dazu eine Melkmaschine zu kaufen, wohl wissend, dass diese den Anforderungen der F nicht gerecht werden könnte. Die verkaufte Melkmaschine reichte nur für drei Kühe, statt für benötigte 10 Kühe. F erklärte er irreführend, die von ihm im Rahmen der Werbeaktion angebotenen Melkanlage reiche auch für einen Betrieb mit 10 Kühen aus. 

Ähnliches wiederfuhr auch dem Bauern H. 

Die Strafkammer hatten den Angeklagten wegen Betruges in vier Fällen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. 

Dagegen wurde Revision eingelegt. 

II. Entscheidung des LG Köln

Das OLG Hamm bestätigte ausschließlich den Betrug zulasten der F. Die anderen Feststellungen hielten der Überprüfung nicht stand. 

Dabei war insbesondere die Bejahung eines Vermögensschadens problematisch. 

Eine Vermögensbeschädigung liegt nicht schon dann vor, wenn jemand infolge eines durch eine Täusch hervorgerufenen Irrtums eine Vermögensverfügung getroffen hat, die er nicht getroffen haben würde, wenn er die Wahrheit gekannt hätte. Es ist also nicht die Meinung des Getäuschten darüber maßgeblich, ob und in wieweit sein Vermögen als beschädigt anzusehen ist. Ein Vermögensschaden liegt daher auch dann nicht vor, wenn der Getäuschte wegen des in ihm erregten Irrtums, durch den Erwerb eines Gegenstandes einen Gewinn zu machen, der aber in Wirklichkeit nicht erzielt wurde. Entscheidend ist vielmehr, ob der erworbene Gegenstand wirtschaftlich betrachtet der Gegenleistung entsprach.

Ob dies der Fall ist, kann nicht für sich, also ohne Beachtung der besonderen Gegebenheiten des Einzelfalls, entschieden, muss vielmehr nach den persönlichen Bedürfnissen und Verhältnissen des Erwerbers und unter Berücksichtigung der von ihm nach Maßgabe aller Umstände verfolgten Zweck beurteilt werden.

In den oben beschriebenen Fällen war die Benutzungsmöglichkeit für den im Vertrag vorausgesetzten Zweck gegeben. Hier konnte es sich nur um die Frage drehen, ob bereits die Einschränkung der Verfügungsfreiheit, die durch den Abschluss des Vertrages und die damit verbundene wirtschaftliche Belastung entsteht, einen Vermögensschaden darstellt oder ob in Fällen dieser Art weitere Merkmale hinzukommen müssen, damit man von einem Vermögensschaden ausgehen kann. Welche zusätzlichen Anforderungen bei gleichwertiger Gegenleistung zu erfüllen sind, wird nicht einheitlich beantwortet. So ist zum einen die Rede davon, dass die Leistung in Anbetracht der wirtschaftlichen Verhältnisse des Getäuschten „zu hoch“ sei, oder, dass sie eine wirtschaftlich nicht zu verantwortende oder unerträgliche Last darstelle oder dass die wirtschaftlichen Verhältnisse ein solches Geschäft nicht erlauben oder nicht gestatten.

Ein solcher Vermögensschaden kann vorliegen, wenn der Erwerber durch die eingegangene Verpflichtung zu vermögensschädigende Maßnahmen genötigt wird. Dies kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Getäuschte, um die erforderlichen Mittel zur Erfüllung des Vertrages zu beschaffen, ein anderes wirtschaftlich ungünstiges Geschäft abschließen muss. 

Weiterhin liegt ein Vermögensschaden dann vor, wenn die durch den Vertrag verursachte Bindung von Vermögenswerten einen so starken Mangel an Mittel herbeiführt, dass eine bestimmte Gefahr für die wirtschaftliche Lage eintritt. Dies kann beispielsweise dann vorliegen, wenn er seinen Aufwand im Vergleich zu der seinen Verhältnissen entsprechenden Lebensführung so weit ansprechen muss, dass er nur noch die Mittel für die Befriedigung seiner notwendigen Bedürfnisse zur Verfügung hat.

III. Fazit

Nur weil jemand einen andere täuscht, heißt das noch lange nicht, dass er den Betrugstatbestand aus § 263 StGB erfüllt. Damit sich der Täuschende strafbar macht muss auch immer ein Vermögensschaden vorliegen. Die Bestimmung dieses Schadens ist aber in der Praxis nicht immer leicht und kann auch von den höheren Gerichten nicht eindeutig bestimmt werden. 

[1] BGH, Beschluss v. 16.08.1961 – 4 StR 166/61, NJW 1962, 309 (310).
[2] BGH, Beschluss v. 16.08.1961 – 4 StR 166/61, NJW 1962, 309 (311).
[3] BGH, Beschluss v. 16.08.1961 – 4 StR 166/61, NJW 1962, 309 (311).
[4] BGH, Urteil v. 10.07.1952 – 5 StR 358/52, NJW 1952, 1062 (1063).
[5] BGH, Beschluss v. 16.08.1961 – 4 StR 166/61, NJW 1962, 309 (311).
[6] BGH, Beschluss v. 16.08.1961 – 4 StR 166/61, NJW 1962, 309 (312).

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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