Der Künast Kommentar

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Ein Telefon mit der Aufschrift „Social Media“ neben einem Holztisch mit „Der Künast Kommentar“.

Der Künast Kommentar

Politiker stehen in der Öffentlichkeit. Das müssen und wollen sie in der Form auch. Anders würde ihr Job nicht funktionieren. Mit dem Stehen in der Öffentlichkeit geht aber auch einher, dass auch private Dinge diskutiert werden und die Öffentlichkeit sich ein Bild über die Person hinter dem Politiker macht. Die Auffassung der Öffentlichkeit steht dann natürlich aber nicht immer im Sinne des Protagonisten. 

Renate Künast hat sich jahrelang einen Rechtsstreit über die Frage, ob bestimmte Kommentare unter einem Facebook-Post rechtmäßig sind oder nicht, geleistet. 

Nunmehr hat sie vor dem Kammergericht in Berlin gewonnen. 


Was war passiert?

Renate Künast ist eine deutsche Grünen-Politikerin, die seit 2002 Mitglied des Bundestages ist. 2013 kam es zu einer Pädophilie-Debatte, bei dem sie sich erst relativ spät von den pädophilen Strömungen abgegrenzt hat. 

Die Pädophilie-Debatte war eine öffentliche Debatte über den Umgang der Partei die Grünen mit parteinahen Personen, Mitgliedern, parteiinternen Gruppierungen und Vertretern der Pädophilenbewegung.

Ursprung des Streits Kommentare als Reaktion auf einen Facebook-Post des bekannten Rechtsextremisten Sven Liebich, mit einem Künast unzutreffend zugeschriebenen Zitat, demzufolge sie nichts gegen Sex mit Kindern einwende, wenn keine Gewalt im Spiel sei. Hintergrund war ein Artikel der Zeitung die Welt aus dem Jahr 2015, in dem es unter anderem um eine Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus von 1986 ging, in der ein Teil des Zitates in einem anderen Kontext gefallen war. In den entsprechenden Kommentaren war Künast als „Pädophilen-Trulla“ und „Gehirnamputiert“ und mit den Worten „Sie wollte auch mal die hellste Kerze sein, Pädodreck“ beschimpft worden. 

Das Landgericht Berlin war seinerzeit davon ausgegangen, dass entsprechende Äußerungen (unter anderem auch der Ausdruck „Drecksfotze“) von der Meinungsfreiheit gedeckt seien und deshalb eine Strafbarkeit der Täter wegen Beleidigung (§ 185 StGB) ausschieden. 

Dagegen wehrte Künast sich und erreichte in kleinen Schritten immer wieder kleine Erfolge. 

Zunächst ruderte das Landgericht Berlin zurück und erklärte zumindest den Kommentar „Drecksfotze“ als Beleidigung. Später stufte das Kammergericht auch weitere Kommentare als Beleidigung ein. 

Nachdem im Februar 2022 das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Kammergerichts scharf kritisierte, bekam Künast (vor dem Kammergericht) schließlich vollumfänglich Recht. Das Bundesverfassungsgericht forderte das Kammergericht auf, eine Abwägung zwischen den betroffenen Rechtsgütern der Meinungsfreiheit einerseits und dem Schutz des Persönlichkeitsrechts Künasts andererseits vorzunehmen. 

In einem Beschluss des Kammergerichts sei klar, „dass das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit umso höher ist, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht“

Das Kammergericht ging in seiner Entscheidung davon aus, dass Nutzerinnen und Nutzer hätten erkennen können, dass es sich um Falschzitate gehandelt habe, zumindest wäre es ihnen aber möglich gewesen, wenn sie sich näher mit der Thematik beschäftigt hätte. Das wiederum habe zur Folge, dass der Meinungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer weniger Gewicht zukäme. 

Das Kammergericht ging ebenfalls davon aus, dass allgemein bekannt sei, dass Falschmeldungen im Internet zur Stimmungsmache gegen Meinungen oder Personen oder zu Desinformationszwecken eingesetzt werden. Die Nutzerinnen und Nutzer seien auch deshalb verpflichtet gewesen, „Vorsicht und Mäßigung“ walten zu lassen und sie könnten sich nicht darauf berufen, dass jede Handlung von der Meinungsfreiheit umfasst sei. 

Bei einer Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin Renate Künast sei des Weiteren zu beachten, dass ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Politikerinnen und Politikern bei der Verbreitung von Informationen über das Internet im öffentlichen Interesse liege, da nur dann eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft erwartet werden könne.

 

Folgen

Die Anonymität des Internets sorgt immer wieder dafür, dass Menschen der Meinung sind, sie könnten all ihren Hass an Personen auslassen und würden dafür strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen oder seien durch die Meinungsfreiheit geschützt. 

Der Rechtsstreit um Renate Künast zeigt aber einmal mehr deutlich, dass auch das Internet kein rechtsfreier Raum ist und dass das Recht auch online gilt. Nicht nur das Internet entwickelt sich immer weiter, sondern auch die technischen Möglichkeiten der Ermittlungsbehörden werden täglich besser und sind in der Lage auch anonyme Täter zu verfolgen. Nachdem das Kammergericht nunmehr bestätigt hat, dass nicht jeder Kommentar der Meinungsbildung dient, sondern dass auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht über der Meinungsfreiheit stehen kann, haben Ermittlungsbehörden mehr Möglichkeiten die Täter auch strafrechtlich zu verfolgen. 

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[1] Renate Künast, Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Renate_Künast, abgerufen am 05.12.2022.
[2] Pädophilen-Debatte (Bündnis 90/ die Grünen), Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Pädophilie-Debatte_(Bündnis_90/Die_Grünen), abgerufen am 05.12.2022.
[3] KG Berlin, Beschluss vom 31. Oktober 2022 – 10 W 13/20.
[4] KG Berlin, Beschluss vom 31. Oktober 2022 – 10 W 13/20.
[5] Kaufmann, in: Doch noch voller Erfolg gegen Hass-Kommentare, LTO, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/kg-berlin-10w1320-renate-kuenast-hass-kommentare-facebook-falsches-zitat-kammergericht-bverfg-meinungsfreiheit-abwaegung/, abgerufen am 08.12.2022.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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