Der Jura-Hochstapler

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Ein Schwarz-Weiß-Foto eines aufgeschlagenen Buches mit dem Labello-Fall.

Die Serie „Suits“ ist eine der erfolgreichsten Anwaltsserien. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein junger Mann, der vorgibt einen juristischen Abschluss zu haben und damit erfolgreich in einer Großkanzlei arbeitet.
In Deutschland gelten die juristischen Staatsexamen als eine der schwierigsten akademischen Abschlüsse. Jedes Jahr fallen pro Examensdurchgang bis zu 30% der Kandidaten durch und stehen dann mit nichts als dem Abitur dar. Fünf Jahre Studium und kein Abschluss. Da scheint es durchaus verlockend vorzugeben, man habe das Staatsexamen bestanden.

1. Der Sachverhalt

Der 35jährige Angeklagte, der nunmehr eine Ausbildung zum Handwerker macht, fälschte in München im Notariat seines früheren Arbeitgebers die Beglaubigung juristisches Staatexamenszeugnisse. Dabei bescheinigte er sich für das Erste Examen 12,48 Punkte und fürs Zweite Examen 11,64 Punkte. Diese Noten werden in Bayern nur von einem kleinen einstelligen Prozentsatz der Kandidaten erreicht. In Wirklichkeit hatte der Angeklagte das Jurastudium nach dem sechsten Semester abgebrochen.
Die gefälschten Examina legte er der Rechtsanwaltskammer zur Erlangung der Rechtsanwaltszulassung vor, um dann als Rechtsanwalt oder Syndikus zu arbeiten. So schaffte er es in eine angesehene Großkanzlei und arbeitete dort als Rechtsanwalt für Immobilienwirtschaftsrecht und erzielte innerhalb von zwei Jahren ein Bruttogehalt von mindestens 193.042 €. Seine Leistung in der Kanzlei wurde eher als kritisch bewertet, weshalb er sich nach eigener Kündigung eine neue Anstellung suchte. Zwei Angebote mit 75.000 und 100.000 € Anfangsgehalt schlug er aus, um als Syndikus bei einem großen Versicherungsunternehmen zu arbeiten. In diesem Unternehmen erhielt er innerhalb von ca. anderthalb Jahren ein Bruttogehalt von 132.600 €. Dort waren sie zwar mit seinen Leistungen zufrieden, der Angeklagte entschied sich jedoch wegen mangelnder Aufstiegschancen seinen Job erneut zu wechseln und bewarb sich deshalb in einer Kanzlei. Dort hätte er ein Anfangsgehalt von 120.000 € jährlich erhalten. Diesen Vertrag kündigte der Angeklagte zügig, nachdem die Kanzlei sich wegen des auf den Pfingstmontag 2015 lautenden Ausstellungsdatums beim Justizprüfungsamt nach der Richtigkeit des Zeugnisses erkundigt hatte, die Täuschung erkannt hatte und Anzeige erstattete.

Man ist geblitzt worden und hat den Bußgeldbescheid bekommen, will aber nicht zahlen. Und nun? 

Grundsätzlich gilt, dass gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt werden kann. Damit dieser Erfolg hat muss ein Fehler vorliegen und dieser Fehler muss auch gefunden werden. 

Betroffene dürfen seit der neusten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts während eines Bußgeldverfahrens die Rohdaten des Messgeräts einsehen. Wird ihnen dies verwehrt ist das Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Diese Rohdaten sind allerdings häufig gar nicht Teil der Bußgeldakte.
Konkret ging es bei der Verfassungsbeschwerde, die dem Bundesverfassungsgericht vorlag darum, dass das Amtsgericht den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 30 km/h zu einer Geldbuße und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Der Verurteilte wollte während des Bußgeldverfahrens unter anderem die Lebensakte des Messgeräts, den Eichschein, sowie die Rohmessdaten einsehen, die aber nicht in der Bußgeldakte waren. Das hatten ihm die Behörde, das Amtsgericht, sowie das Oberlandesgericht verwehrt. Das Amtsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem zum Einsatz gekommenen Messgerät um ein standardisiertes Messverfahren handele. Unter dem Begriff des standardisierten Messverfahrens ist ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Durch das Nutzen dieses Verfahrens sei die Richtigkeit der Messung indiziert. Das OLG hingegen argumentierte, dass der Betroffene ausreichend prozessuale Möglichkeiten habe, sich aktiv an der Wahrheitsfindung zu beteiligen. Eine Beiziehung von Beweismitteln sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geboten.

Das Bundesverfassungsgericht ging hingegen davon aus, dass die Entscheidung der Gerichte den Fahrer in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzte. Bei standardisierten Messverfahren sei zwar die Feststellungs- und Darlegungspflicht des Tatgerichts im Regelfall reduziert und es müsse nicht jedes Mal anlasslos die technische Richtigkeit einer Messung überprüft werden, aber dem Betroffenen muss das Recht gegeben werden, Informationen der Bußgeldbehörde, die nicht Teil der Akte sind, überprüfen zu dürfen. 

Dabei muss die Behörde dem Betroffenen aber nicht unbegrenzt Informationen zur Verfügung stellen. Das Informationsbegehren muss in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitsvorwurf stehen und zum anderen eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen.

2. Entscheidung des Amtsgerichts München

Das AG München hatte den Angeklagten wegen zum Teil nur versuchten Betruges in sechs und Urkundenfälschung in 22 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt und die Zahlung von 325.642 € an Wertersatz angeordnet.
Das Gericht vertrat die Ansicht, dass die für Beamte entwickelten Grundsätze auch auf die Anstellung von Rechtsanwälten übertragbar sei. Der Angeklagte konnte zum jeweiligen Zeitpunkt der Gegenzeichnung der Arbeitsverträge unter rechtlichen Gesichtspunkten keine gleichwertige Gegenleistung für die ihm gewährte Vergütung erbringen. Dabei ist es unerheblich, ob er eine zufriedenstellende Leistung erbracht hätte. 

Bei der Strafzumessung war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte hinsichtlich aller Taten bereits von Beginn an vollumfänglich geständig war. Er unterstützte die Ermittlungen und war kooperativ. Auch im Rahmen der Hauptverhandlung ließ der Angeklagte sich geständig ein und ersparte allen Beteiligten somit eine umfangreiche Beweisaufnahme. Bisher ist der Angeklagte noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Im Übrigen sei das Nachtatverhalten des Angeklagten zu berücksichtigen. Der Angeklagte bemühte sich eigenständig um Aufarbeitung und auch seine psychische Erkrankung, die ihre Basis in familiären Umständen finde, sei bei der Beurteilung zu berücksichtigen. Zudem muss in das Urteil einfließen, dass die Taten zum Teil schon längere Zeit zurückliegen. Zuletzt sei zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich bei den Geschädigten entschuldigt habe und die Entschuldigungen jeweils angenommen wurden. Im Übrigen zeige der Angeklagte Reue. 

Zulasten des Angeklagten muss aber auch beachtet werden, dass ein hoher Schaden in Höhe von 325.642 € eingetreten sei und auch eine weitere hohe Vermögensgefährdung vorlag. Auch der Folgeschaden von mindestens 495.000 € sei zu berücksichtigen. Dieser Betrag sei bereits von der Kanzlei an Mandanten gezahlt worden, für die der Angeklagte tätig gewesen sei. Auch generalpräventive Gründe sind zulasten des Angeklagten in das Urteil einzubeziehen. Der Angeklagte spiegelte vor Rechtsanwalt zu sein. Der Beruf des Rechtsanwalts hat in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert und genießt großes Ansehen und Vertrauen, welches durch die Tat erschüttert wurde. Auch unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung ist eine Sanktionierung der Taten des Angeklagten notwendig.

Sowohl die Staatsanwaltschaft, als auch die Verteidigung haben Berufung gegen das Urteil eingelegt, sodass dieses noch nicht rechtskräftig ist.

3. Fazit

Es scheint zwar verlockend, auch ohne Staatsexamen vorzugeben selbiges zu haben und dann in einer Kanzlei zu arbeiten und viel Geld zu verdienen. Allerdings ist diese Vorgehensweise mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden und strafbar. Dass ein Fall so läuft wie in der Serien Suits ist wohl tatsächlich nur in einer Serie möglich und nicht im wahren Leben. So hart wie es für Jurastudenten auch sein mag, sie müssen das Risiko eingehen und das Staatsexamen ablegen um Rechtsanwalt werden zu können.

[1] Suits (Fernsehserie), https://de.wikipedia.org/wiki/Suits_(Fernsehserie), abgerufen am 08.12.2020.
[2] Endres/Greiner, in: Deutschlands schwierigste Abschlusstests Die Prüfung meines Lebens, https://www.spiegel.de/karriere/deutschlands-schwierigste-abschlusspruefungen-a-885409.html, abgerufen am 08.12.2020.
[3] Statistik zur 1. Juristischen Staatsprüfung, LTO, https://www.lto.de/jura/studium-zahlen/erste-juristische-staatspruefung/, abgerufen am 08.12.2020.
[4] AG München, Urteil v. 23.11.2020, 823 Ls 231 Js 185686/19, Juris.
[5] Jüngst, in: Pressemitteilung 54 des AG München vom 04.12.2020.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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