Strafmilderung bei Anstiftung

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Eine Steinstatue stellt Justitia dar. In ihrer linken Hand hält sie eine Waage und mit ihrem rechten Arm den Rücken eines jungen Menschen. Eine sitzende Figur blickt von unten zu Justitia auf. Die Statue ist an einem Gebäude mit Steinmauern befestigt.

Grundsätzlich werden Anstifter gem. § 26 StGB „gleich einem Täter bestraft“. Das hat zur Folge, dass es auch für den Anstifter, der möglicherweise gar keinen direkten Tatbeitrag zu der Tat hatte, sondern nur dafür gesorgt hat, dass die Tat begangen wird, genauso bestraft wird, wie der unmittelbare Täter. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, den Unwert der Anstiftung zu einer Tat zu bestrafen. Letztlich ist davon auszugehen, dass der unmittelbare Täter die Tat nicht begangen hätte, wenn der Anstifter ihn nicht zur Tat angestiftet hätte. Der Anstifter ist also „schuld“, dass die Tat begangen wurde. 

Es gibt aber eine Möglichkeit eine Milderung vorzunehmen. Dies ist gem. § 28 StGB immer dann der Fall, wenn besondere persönliche Merkmale beim Teilnehmer, hier also dem Anstifter, fehlen, die die Strafbarkeit des Täters begründen. 

Dafür muss bestimmt werden, was denn eigentlich besondere persönliche Merkmale sind. 

Im Rahmen der Strafbarkeit von Mord hat jeder Jurastudent sich mit dieser Frage bereits intensiv beschäftigt. Nunmehr musste der BGH sich jedoch mit der Frage auseinandersetzen, ob im Rahmen von § 153 StGB auch mit § 28 StGB gemildert werden kann. 

 

Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dagegen legte der Angeklagte Revision ein. 

Wegen uneidlicher Falschaussage macht sich strafbar, wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt. Die Revision des Angeklagten begründete er damit, dass die Strafe hätte wegen § 28 StGB gemildert werden müssen. 

Wäre § 28 StGB anwendbar hätte das Landgericht nicht von einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten ausgehen dürfen, sondern gem. § 49 I Nr. 3 StGB vom gesetzlichen Mindestmaß ausgehen müssen. Dieses liegt bei einem Monat. In einem solchen Fall käme dann nach § 47 Abs. 2 StGB entgegen dem Wortlaut des § 153 StGB dann auch eine Geldstrafe in Betracht.  

Für diese Frage maßgeblich ist, ob die Zeugeneigenschaft ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne von § 28 StGB ist. 

Der BGH hat nunmehr entschieden, dass die Zeugeneigenschaft kein besonderes persönliches Merkmal im Sinne von § 28 StGB begründet. Nach Ansicht des BGH sei die Zeugeneigenschaft eine Tat bezogene Eigenschaft und nicht auf den Täter bezogen. 

Die Abgrenzung zwischen täterbezogenen und tatbezogenen persönlichen Merkmalen hängt nach Ansicht der Karlsruher Richter davon ab, ob das betreffende Merkmal im Schwergewicht die Tat oder die Persönlichkeit des Täters kennzeichnet. Umstände, die eine besondere Gefährlichkeit des Täterverhaltens anzeigen oder die Ausführungsart des Delikts beschreiben, seien in der Regel tatbezogen.

Entscheidend sei, welche Art von Pflichten das Merkmal umschreibe. Handelt es sich um eine vorstrafrechtliche Sonderpflicht, werde eher die Persönlichkeit des Täters gekennzeichnet und das Merkmal sei täterbezogen. Handelt es sich dagegen um ein strafrechtliches, an jedermann gerichtetes Gebot, werde eher die Tat gekennzeichnet und das Merkmal sei tatbezogen.

Der BGH löste das Problem anhand der klassischen Auslegungsmethoden: Sinn und Zweck, Historie, Wortlaut und Systematik der Regelung. 

Anhand des Wortlautes ermittelte der BGH die These, dass bereits der Begriff des Zeugen so zu verstehen sei, dass das Merkmal nicht die Persönlichkeit des Täters kennzeichne, sondern Element der Deliktshandlung sei. 

Historisch gesehen habe das StGB ursprünglich nur eine Strafbarkeit der beeidigten Falschaussage vorgesehen. Dadurch sei aber eine Strafbarkeitslücke entstanden, weil eine Beeidigung von Aussagen aufgrund von Neuregelungen in der Straf- und Zivilprozessordnung doch nicht mehr in jedem Fall erforderlich war. Anlass für die Schaffung des § 153 StGB sei mithin allein die Gefahr gewesen, die durch unwahre Aussagen von Zeugen für das Rechtsgut ausgeht, und nicht, dass ihnen eine persönliche Sonderpflicht für das Rechtsgut der Rechtspflege zukommt.

Auch in systematischer Hinsicht spreche Vieles für die Annahme einer tatbezogenen Eigenschaft, so der BGH. Dies ergebe sich aus der Gesamtschau des Paragrafen mit § 154 StGB. Danach macht sich strafbar, wer vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch schwört.

  • 154 StGB beschränke, im Gegensatz zu § 153 StGB den Täterkreis nicht. Im Fall der Teilnahme am Parteienmeineid gemäß § 154 Abs. 1 StGB ergäben sich aus der Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB beim Zeugen im Rahmen des § 153 StGB aber erhebliche Wertungswidersprüche, meint der BGH. Denn es fehle im Tatbestand des § 154 Abs. 1 StGB, der ausdrücklich nur „falsches Schwören“ voraussetzt, ein besonderes persönliches Merkmal, das den Zivilprozessparteien eine Sonderpflicht zur Wahrheit auferlegt, sodass eine Milderung nach § 28 Abs. 1 StGB eigentlich nicht in Betracht kommt. Zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung müsste man daher entweder auf die Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB in Fällen des § 154 StGB gänzlich verzichten oder auch für die Zivilprozesspartei eine Wahrheitspflicht annehmen.

Auch die Schutzrichtung des § 153 StGB spräche für die vom BGH angenommene tatbezogene Eigenschaft des Zeugen. Der Straftatbestand schütze die Rechtspflege davor, die Feststellung des Sachverhalts durch unwahre Aussagen zu gefährden. Deshalb sei das die Strafbarkeit begründende Element die unwahre Aussage als solche. Den Zeugen treffe schließlich auch keine besondere Verantwortung für das geschützte Rechtsgut, die einen qualitativen Unterschied zwischen dem Unrecht des Täters einerseits sowie des Teilnehmers andererseits und damit eine Lockerung der vollakzessorischen Zurechnung nach § 28 Abs. 1 StGB begründen könnte. Denn das geschützte Rechtsgut der Rechtspflege werde dem Zeugen nicht persönlich „anvertraut“.

 

 

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[1] BGH, Beschluss vom 03.02.2024, 3 StR 470/23.
[2] Hoppen, in: Keine Strafmilderung für Anstifter, LTO, https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/bgh-3str47023-strafmilderung-anstifter-28-stgb-zeuge-153-besonderes-persoenliches-merkmal, abgerufen am 09.08.2024.
[3] Hoppen, in: Keine Strafmilderung für Anstifter, LTO, https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/bgh-3str47023-strafmilderung-anstifter-28-stgb-zeuge-153-besonderes-persoenliches-merkmal, abgerufen am 09.08.2024.
[4] Hoppen, in: Keine Strafmilderung für Anstifter, LTO, https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/bgh-3str47023-strafmilderung-anstifter-28-stgb-zeuge-153-besonderes-persoenliches-merkmal, abgerufen am 09.08.2024.
[5] BGH, Beschluss vom 03.02.2024, 3 StR 470/23.
[6] Hoppen, in: Keine Strafmilderung für Anstifter, LTO, https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/bgh-3str47023-strafmilderung-anstifter-28-stgb-zeuge-153-besonderes-persoenliches-merkmal, abgerufen am 09.08.2024.
[7] BGH, Beschluss vom 03.02.2024, 3 StR 470/23.

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Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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