Die Bevölkerung in Deutschland nimmt politisch immer extremere Formen an. So hat die neu gegründete Partei von Sahra Wagenknecht aus dem Stand bei der Europawahl Ergebnis von über 6,0% erzielen können und die AfD und gilt als absoluter Wahlsieger. Gerade in den ostdeutschen Bundesländern hat die AfD bei Kommunalwahlen erschreckende Ergebnisse erzielen können. Wieso ein derart starker Rechtsruck durchs Land geht ist bislang noch unerforscht. Klar ist aber, dass die AfD nicht ungefährlich ist. In NRW ist in diesem Frühjahr vom Oberverwaltungsgericht eine Entscheidung getroffen worden, nachdem die AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft werden kann.
Die Wahlergebnisse der AfD zeigen aber auch, dass Menschen mit dieser Gesinnung in der Mitte Deutschlands angekommen sind. Das hat auch Folgen in der Justiz. Grundsätzlich sind Schöffen angehalten, neutral zu sein. Das gelingt nicht immer. Nunmehr schleusen sich aber immer mehr Schöffen mit rechtsextremer Gesinnung in die deutschen Sitzungssäle.
So auch kürzlich am Amtsgericht in Essen. Correktiv hat Recherchen zu Folge herausgefunden, dass eine der neu ernannten Schöffinnen Ende des Jahres 2023, also kurz vor der Vereidigung als Schöffin, auf der social-media-Plattform Facebook folgendes gepostet hat: „Die Brandmauer fällt. Ich wurde zur Schöffin gewählt. In Essen wurden nun zwei AfD-Mitglieder zum Schöffen gewählt.“. Darunter setzte sie den Eid für Soldaten und schwor, der Bundesrepublik treu zu dienen und „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. Seit Jahren hetzt sie in den sozialen Netzwerken gegen Migranten und Menschen, die trans sind, sich also nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Sie nahm an Demonstrationen mit Rechtsextremen teil. Im Jahr 2020 schloss sie der Essener Jugendamtselternbeirat wegen hetzerischen und rassistischen Inhalten in sozialen Netzwerken aus. Das Gremium vertritt die Kita-Eltern in der Stadt. Nunmehr ist sie am Amtsgericht Schöffin und hat die gleiche Stimmgewalt bei der Entscheidung über die Strafe wie der Berufsrichter.
Im Idealfall sollten Bewerberinnen und Bewerber, die für das Schöffenamt ungeeignet sind, bereits im Wahlverfahren ausgeschlossen werden, um nicht ins Amt zu gelangen. Etwa wenn befürchtet wird, dass sie den Rechtsstaat und die Verfassung ablehnen. Doch das funktioniert nicht immer: Eine kürzlich veröffentlichte Recherche von CORRECTIV.Lokal zeigt, dass in der vergangenen Amtszeit mindestens elf verfassungsfeindliche Schöffen ins Amt kamen. Und dass dies durch das intransparente Wahlverfahren und die Überlastung der zuständigen Institutionen weiter möglich ist. Denn die Gemeinden, die oft hunderte Bewerberinnen überprüfen sollen, verfügen häufig nicht über die nötigen Ressourcen.
Die Wahlausschüsse an den Amtsgerichten verlassen sich oft auf die vorherige Überprüfung durch die Gemeinden. Es gibt jedoch gute Gründe, die Kandidierenden genauer zu prüfen, denn Rechtsextreme haben in der Vergangenheit wiederholt zur Unterwanderung der Schöffenwahlen aufgerufen.
Was ist aus Sicht des Angeklagten zu tun, wenn davon auszugehen ist, dass ein Schöffe diese Gesinnung hat?
Für den Angeklagte kann eine solche Schöffin mitunter zu einem Nachteil führen. Grundsätzlich besteht in diesen Fällen die Möglichkeit einen Befangenheitsantrag gem. § 24 Abs.2 StPO stellen. Wann genau die Besorgnis der Befangenheit gegenüber einem Richter oder Schöffen besteht, muss am Einzelfall ermittelt werden. Dabei kann sich die Ablehnung eines Richters entweder auf das Verhalten des Richters im Strafprozess selbst stützen, zum Beispiel einseitiges Erteilen von Ratschlägen, oder aber auch auf ein Verhalten außerhalb der eigentlichen Hauptverhandlung. Wenn es aber Hinweise darauf gibt, dass der Schöffe, so wie die Schöffin vom Amtsgericht Essen, den Rechtsstaat nicht treu sind, ist davon auszugehen, dass der Befangenheitsantrag als begründet angenommen wird und dem Verfahren ein neuer Schöffe zugeordnet wird. Das sorgt dann aber nicht dafür, dass der für befangen erklärte Schöffe, nie wieder an einer Hauptverhandlung als Schöffe teilnehmen kann. Dafür muss in jedem einzelnen Verfahren ein erneuter Befangenheitsantrag gestellt werden.
Was kann das Gericht tun, wenn es feststellt, dass ein Schöffe diese Gesinnung hat?
Problematischer ist die Ablehnung von Schöffen von dem Berufsrichter, dem der möglicherweise kritisch zu sehende Schöffe zugeteilt ist.
Ein Schöffe kann gem. § 51 GVG vom Amt des Schöffen enthoben werden, wenn er seine Amtspflicht gröblich verletzt. Eine zur Amtsenthebung führende gröbliche Amtspflichtverletzung ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift dann anzunehmen, wenn der Schöffe ein Verhalten zeigt, das ihn aus objektiver Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten ungeeignet für die Schöffenamtsausübung macht, weil er nicht mehr die Gewähr bietet, unparteiisch und nur nach Recht und Gesetz zu entscheiden. Im Hinblick auf den Grundsatz des gesetzlichen Richters ist in besonderem Maße dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen. Zuständig für diese Entscheidung ist das Oberlandesgericht.
Darüber hinaus kann ein Schöffe von der Schöffenliste gestrichen werden nach § 52 GVG. Dies ist dann der Fall, wenn seine Unfähigkeit zum Amt des Schöffen eintritt oder bekannt wird oder das Vorhandensein dieser Umstände dazu führt, dass eine Berufung zum Schöffenamt nicht erfolgen soll. Diese Entscheidung wird dann allerdings nicht vom OLG sondern von dem Richter am Amtsgericht getroffen, der zum Schöffenausschussvorsitzenden gem. § 40 GVG bestimmt wurde.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es nicht leicht ist, einen Schöffen aus seinem Amt zu entheben. Leichter wäre es, die Kontrollen vor Ernennung zum Schöffen zu verschärfen und so die Kriterien und Voraussetzungen strenger zu kontrollieren, damit Verfassungsfeinde gar nicht erst in die Justiz gelangen.
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[1] Miriam Lenz , Jonathan Sachse , Tim Wurster, in: Schöffin am Amtsgericht Essen hetzt gegen Migranten und zweifelt an Unabhängigkeit der Justiz, correctiv, https://correctiv.org/aktuelles/justiz-polizei/2024/07/04/schoeffin-am-amtsgericht-essen-hetzt-gegen-migranten-und-zweifelt-an-unabhaengigkeit-der-justiz/, abgerufen am 04.07.2024.
[2] Miriam Lenz , Jonathan Sachse , Tim Wurster, in: Schöffin am Amtsgericht Essen hetzt gegen Migranten und zweifelt an Unabhängigkeit der Justiz, correctiv, https://correctiv.org/aktuelles/justiz-polizei/2024/07/04/schoeffin-am-amtsgericht-essen-hetzt-gegen-migranten-und-zweifelt-an-unabhaengigkeit-der-justiz/, abgerufen am 04.07.2024.
[3] OLG Celle, Beschl. v. 23.9.2014 – 2 ARs 13/14, NStZ-RR 2015, 54.
[4] BeckOK GVG/Goers GVG § 51 Rn. 24.