Der Mordfall Walter Lübcke

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Ein Mann hält während eines Abgasskandals eine Waffe in der Hand.

Der Mordfall Walter Lübcke

Walter Lübcke war ein deutscher Politiker (CDU) und zeitweise Abgeordneter des Hessischen Landtags und bis zu seinem Tod Regierungspräsident im Regierungsbezirk Kassel. 

2015 wurde er durch sein Engagement für Flüchtlinge und seinen Widerspruch gegen die Pegida-Bewegung bundesweit bekannt. 

Am 01.06.2019 wurde er auf seiner Veranda seines Wohnhauses mit einem Kopfschuss aus geringer Entfernung getötet. Täter war der Rechtsextremist Stephan Ernst, der nach seiner Festnahme die Tat gestand und als Motiv die Einstellung Lübckes zu Flüchtlingen nannte. Der Fall hat in Deutschland große Wellen geschlagen, weil zum ersten Mal seit der Ermordung Rathenaus 1922 ein Politiker getötet wurde wegen seiner politischen Überzeugung. 

Was war passiert?

Der Angeklagte hatte bereits seit seiner Schulzeit eine fremdenfeindliche Gesinnung. Er war der Überzeugung Migranten würden in Deutschland für bürgerkriegsähnliche Zustände sorgen. Lübecke informierte die Bevölkerung bei einer Bürgerversammlung über die Einrichtung einer Notunterkunft für Flüchtlinge. An dieser Veranstaltung nahm auch der Angeklagte teil. Dabei erinnerte der Politiker in einer Rede an die historische Verantwortung der Bundesrepublik und rechtfertigte die Unterbringung von Schutzsuchenden, wobei er als Reaktion auf tumultartige Zwischenrufe von Störern aus dem rechten Spektrum auf die Freiheit eines jeden Deutschen verwies, das Land zu verlassen, wenn er diese Werte nicht vertrete. Nachdem der spätere Angeklagte Informationen über Lübcke gesammelt hatte, entschied er sich, den Regierungspräsidenten in dessen Wohnhaus zu töten. 

Am 01.06.2019 gegen 23:30 Uhr saß Lübcke auf seiner Veranda und beschäftigte sich mit seinem Laptop. Der Angeklagte schlich sich unbemerkt im Dunkeln an und schoss seinem Opfer in Tötungsabsicht mit einem Trommelrevolver aus kurzer Distanz gezielt in den Kopf. Er handelte aus fremdenfeindlichen Motiven und nutzte die Arglosigkeit sowie die darauf beruhende Wehrlosigkeit seines Opfers aus. Dabei kam es ihm darauf an, diesen wegen seiner politischen Überzeugung und Betätigung als Regierungspräsident zu töten und gleichsam für die von ihm vertretene Linie in der Flüchtlingspolitik abzustrafen.

Das OLG hat den Angeklagten wegen Mordes unter Verwirklichung der Mordmerkmale der Heimtücke oder sonstigen niedrigen Beweggründen gewertet. Erstinstanzlich wurde bereits die besondere Schwere der Schuld festgestellt, die Anordnung der Sicherungsverwahrung des Angeklagten sowie die Einziehungsentscheidung getroffen. 

Dagegen wurde Revision eingelegt. Gerügt wurde unter anderem die Beweiswürdigung des OLG. 

Entscheidungsgründe des BGH

Die eingelegte Revision hat keinen Erfolg.

Grundsätzlich gilt: Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es auf der Grundlage einer Gesamtbewertung aller Umstände des Einzelfalls Zweifel an der Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so hat das RevGer. dies grundsätzlich hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen. Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob ihm bei der Beweiswürdigung ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt oder erkennen lässt, dass das Tatgericht überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Überzeugung gestellt hat. Zwar verpflichtet § 261 StPO das Tatgericht, alle festgestellten Tatumstände und Beweisergebnisse, soweit sie für oder gegen den Angeklagten sprechen können oder beide Möglichkeiten zulassen, einer umfassenden Würdigung zu unterziehen; diese ist in den Urteilsgründen darzulegen. Ausreichend ist die Angabe des für die Entscheidung Wesentlichen; die Urteilsgründe müssen deutlich machen, dass das Tatgericht naheliegende erhebliche Beweistatsachen nicht übersehen oder unvertretbar gewertet hat. Aus einzelnen tatsächlich bestehenden oder denkbaren Lücken der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, das Tatgericht habe nach den sonstigen Urteilsgründen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht. Soweit der Angeklagte in der Hauptverhandlung eine neue Version geschildert hat, nach der Zeuge H. unmittelbar an der Tatausführung beteiligt gewesen sein soll, hat die Einlassung zwar ungeachtet des Tatvorwurfs in der Anklageschrift der Kognitionspflicht des OLG (§ 264 StPO) unterlegen. Jedoch hat der Staatsschutzsenat in einer umfassenden, revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden Würdigung dargelegt, warum er diese Aussage insgesamt als nicht glaubhaft erachtet hat. 

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Wechsel der Einlassung eines Zeugen im Laufe des Verfahrens ein Indiz für ihre Unrichtigkeit sein kann und ihre Bedeutung für die Beweiswürdigung verringern oder unter Umständen ganz entfallen lassen kann.

 

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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