Zeugen

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Ein aufgeschlagenes Buch und ein Stift auf einem Holztisch, auf dem ein Strafrechtsanwalt abgebildet ist.

Zeugen sind essentiell für den Strafprozess. Der Zeuge selber ist verpflichtet, wenn er vom Gericht eine Ladung erhalten hat, vor Gericht zu erscheinen und seine Aussage zu machen. Tut er dies nicht, besteht für das Gericht die Möglichkeit ein Ordnungsgeld zu verhängen, oder ersatzweise Ordnungshaft anzuordnen.

Die allermeisten Zeugen empfinden das Erscheinen vor Gericht unangenehm. Das ist zwar verständlich, weil sie vor Ort vom Gericht, der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls vom Verteidiger möglicherweise unangenehm befragt werden, führt aber nicht dazu, dass sie sich dem Prozedere entziehen dürfen.

In vielen Situationen sind Zeugen für die Wahrheitsfindung elementar, sodass das Gericht nicht einfach auf eine entsprechende Aussage verzichten kann. Weil es für viele Zeugen aber eben so unangenehm ist, versuchen viele sich dem Verfahren zu entziehen. Teilweise haben sie schlicht keine Lust, teilweise haben sie Angst vor Strafverfolgung und teilweise haben sie Angst aufgrund eines gegen sie erlassenen Haftbefehls direkt in Gewahrsam genommen zu werden. Die Frage ist dann aber, wie genau mit solchen Zeugen umzugehen ist.

Sachverhalt

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dagegen legte der Angeklagte Revision ein. Gerügt wurde die Ablehnung eines Beweisantrags.

Dem Angekl. werden Betäubungsmittelgeschäfte zur Last gelegt, bei denen er unter Einsatz des Encro-Chat-Accounts „o“ unter anderem vom gesondert Verfolgten S 20 kg bzw. 30 kg Marihuana und 2 kg Kokain erworben haben soll. Das Marihuana soll S als „Großhändler“ teilweise „im dreistelligen Kilogrammbereich“ zuvor aus Spanien nach Deutschland eingeführt haben.

Am letzten Hauptverhandlungstag beantragte die Verteidigung zum Beweis der Tatsache, dass „nicht der Angekl., sondern ein anderer, nicht aus Griechenland stammender Mensch den Encro-Chat-Account ‚o‘ genutzt hat“, den gesondert verfolgten S zu vernehmen. Diesem Zeugen sei der Nutzer des Accounts „o“ persönlich bekannt, was namentlich Chatprotokolle belegten. Der Zeuge sei zwar derzeit nicht unter seiner Meldeanschrift anzutreffen, sein „anwaltlicher Vertreter“, ein Rechtsanwalt aus Hannover, sei aber mit einer „Vollmacht ausgestattet worden“, von der auch die Entgegennahme von Ladungen umfasst sei. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärte dazu, dass sich der Zeuge vor den Ermittlungsbehörden verborgen halte. Derzeit gäbe es gegen den Zeugen einen bislang erfolglosen internationalen Haftbefehl.

Die Strafkammer lehnte den Antrag wegen Unerreichbarkeit des Zeugen ab und gab an, dass der Zeuge mit einem internationalen Haftbefehl gesucht würde und untergetaucht sei. Aus den vorgetragenen Vollmachten ergebe sich nichts anderes denn „derartige Vollmachten beziehen sich grundsätzlich auf bestimmte Verfahren“ und eine „konkrete Vollmacht für eine Zeugenladung in diesem Verfahren ist ebenso wenig ersichtlich oder vorgetragen wie ein tatsächlich andauernder Kontakt“ des benannten „anwaltlichen Vertreters“ zum Zeugen.

Gründe

Die Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg.

Dabei ist nicht maßgeblich, ob es sich bei dem Beweisbegehren überhaupt um einen Beweisantrag im Rechtssinne gehandelt hat, der eine Bescheidung i.S.v. § 244 Abs. 3 S. 3 StPO ermöglicht hat. Grundsätzlich ist der Zeuge als Beweismittel im Antrag mit vollständigem Namen und genauer Anschrift zu benennen; nur wenn der Antragsteller dazu nicht in der Lage ist, genügt es, im Einzelnen den Weg zu beschreiben, auf dem dies zuverlässig ermittelt werden kann.

Die erstinstanzliche Strafkammer war ohne Rechtsfehler von einer Unerreichbarkeit des Zeugen ausgegangen.

Unerreichbar ist ein Zeuge, wenn das Tatgericht unter Beachtung der ihm obliegenden Sachaufklärungspflicht alle der Bedeutung des Zeugnisses entsprechenden Bemühungen zur Beibringung des Zeugen vergeblich entfaltet hat und keine begründete Aussicht besteht, dass der Zeuge in absehbarer Zeit als Beweismittel herangezogen werden kann.

Ist das Gericht nach gewissenhafter Prüfung der maßgebenden Umstände davon überzeugt, dass der Zeuge einer Vorladung zur Hauptverhandlung keine Folge leisten werde, so ist es nicht verpflichtet, vor der Ablehnung eines Beweisantrages den aussichts- und zwecklosen Versuch einer Ladung zu unternehmen. Dies gilt gleichermaßen, wenn Bemühungen zur Herbeischaffung des Beweismittels von vornherein für aussichtslos gehalten werden dürfen.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Zeuge als Beweismittel unerreichbar und die Ladung aussichtslos gewesen sei. Die maßgeblichen Erwägungen, die die Kammer dazu bewegt haben, hat sie in einem Ablehnungsbeschluss niedergeschrieben.

Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer mit Blick auf die besonderen Umstände des Falles weitere Bemühungen zur Aufenthaltsermittlung als zwecklos angesehen. Mit der mehr als fünfmonatigen ergebnislosen internationalen Fahndung – wegen grenzüberschreitender Betäubungskriminalität im „dreistelligen Kilogrammbereich“ – war das effektivste Mittel, einer sich vor den Ermittlungsbehörden verborgen haltenden Person habhaft zu werden, über einen hinreichend aussagekräftigen Zeitraum ausgeschöpft.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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