Was sind Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel? Und was passiert beim Einlegen eines Rechtsmittels?

Beitrag teilen

Eine Statue der Gerechtigkeit mit Schwert und Waage in Hamburg.

Was sind Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel? Und was passiert beim Einlegen eines Rechtsmittels?

Wenn der Richter das Urteil spricht und es begründet hat, belehrt er den Angeklagten darüber, dass er ein Rechtsmittel einlegen kann. Was genau ein Rechtsmittel ist, ist jedoch vielen Angeklagten gar nicht bewusst.

Grundsätzlich ist zwischen ordentlichen Rechtsbehelfen und außerordentlichen Rechtsbehelfen zu unterscheiden.

Ordentliche Rechtsbehelfe, auch Rechtsmittel genannt, sind Beschwerde nach § 304 StPO, Berufung nach § 312 StPO, Revision nach § 333 StPO.

Außerordentlichen Rechtsbehelfe sind zum Beispiel Wiederaufnahme in den vorherigen Stand, Wiederaufnahme des Verfahrens und Verfassungsbeschwerde. 

Vorliegend soll aber nur auf die ordentlichen Rechtsbehelfe eingegangen werden.

1. Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Rechtsmittel ist grundsätzlich gemein, dass sie einen Devolutiv- und einen Suspensiveffekt haben. Mit dem Devolutiveffekt ist gemeint, dass die mit der Einlegung verbundene Wirkung des Rechtsmittels über seine Zulässigkeit und Begründetheit eine nächst höhere Instanz zu entscheiden hat. Eine Ausnahme gilt bei der Beschwerde. Gem. § 306 II StPO kann bei einer Beschwerde das Gericht bei dem die Entscheidung angefochten wird der Beschwerde selbst abhelfen, sofern es die Beschwerde für begründet hält. 

Der Suspensiveffekt bewirkt hingegen, dass die Entscheidung nicht rechtskräftig (und damit vollstreckbar) wird, solange die Rechtsmittelinstanz nicht abschließend über das Verfahren entschieden hat. Auch hier gibt es eine Ausnahme bei der Beschwerde. Bei diesem Rechtsmittel tritt der Suspensiveffekt nämlich gem. § 307 I StPO nicht automatisch ein. § 307 II StPO besagt allerdings, dass das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aussetzen kann. 

Grundsätzlich können Rechtsmittel von der Staatsanwaltschaft gem. § 296 I StPO, dem Beschuldigten gem. § 296 I StPO, dem Verteidiger gem. § 297 StPO allerdings nicht gegen den Willen des Beschuldigten, der gesetzliche Vertreter gem. § 298 StPO, der Privatkläger gem. § 390 StPO, sowie der Nebenkläger gem. § 400 und § 401 StPO eingelegt werden.

Eine weitere gemeinsame Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist, dass der Einlegende ein Rechtsschutzinteresse haben muss. Dies ist dann der Fall, wenn er durch die Entscheidung beschwert ist. 

Die Staatsanwaltschaft kann stets zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten Rechtsmittel einlegen. Sie hat immer ein Rechtsschutzinteresse, wenn sie geltend macht, das Urteil sei unrichtig ergangen. 

Der Angeklagte und dementsprechend auch sein Verteidiger bzw. gesetzliche Vertreter ist dann beschwert, wenn die Entscheidung zu seinem Nachteil ergangen ist. Bei der Beurteilung der Beschwer ist ausschließlich der Urteilstenor maßgeblich. Die Urteilsbegründung ist unerheblich. 

Der Rechtsmittelführer hat die Möglichkeit über sein Rechtsmittel zu disponieren. Das bedeutet, dass er sein Rechtsmittel beschränken, zurücknehmen oder aber gem. § 302 I 1 StPO ganz darauf verzichten kann. Gem. §§ 318, 344 I StPO ist es bei der Berufung und Revision möglich, die Anfechtung des Urteils nur auf bestimmte Beschwerdepunkte zu beschränken.

Eine fehlende oder falsche Bezeichnung des Rechtsmittels, dem sogenannten „falsa demonstratio non nocet“, ist bei der Einlegung eines Rechtsmittels gem. § 300 StPO unschädlich. Dies gilt aber nur dann, wenn das Rechtsmittel statthaft ist und die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen.

2. Wirkung der einzelnen Rechtsmittel

Bei der Wirkung der Rechtsmittel ist zwischen den einzelnen Rechtsmitteln zu unterscheiden.

  1. a) Die Beschwerde

Die Beschwerde nach § 304 StPO untergliedert sich wiederum in einfach und sofortige Beschwerde. 

Die einfache Beschwerde ist gem. § 304 StPO unbefristet und kann jederzeit eingelegt werden. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 311 StPO binnen einer Woche einzulegen und ist immer dann notwendig, wenn das Gesetz diese ausdrücklich vorschreibt. Sobald die Beschwerde eingelegt wurde, kann das Gericht die Vollziehung aussetzen (s.o.). 

  1. b) Die Berufung

Ein weiteres Rechtsmittel ist die Berufung gem. § 312 StPO. Die Berufung ist nur gegen amtsgerichtliche Urteile des Strafrichters bzw. Schöffengerichts zulässig. Die Berufung führt gem. § 323 III StPO zu einer Überprüfung der Entscheidung sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht. Die Berufung muss, genauso wie die Beschwerde, nicht begründet werden. Liegen die entsprechenden Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung nicht vor, kann das Berufungsgericht die Berufung gem. § 322 I 1 StPO als unzulässig verwerfen. Hält das Gericht die Berufung für zulässig, findet eine erneute Hauptverhandlung statt. Dabei kann die Berufung entweder als unbegründet verworfen werden oder es wird ein neues Urteil gefällt. 

  1. c) Die Revision

Die Revision ist gem. § 333 StPO und § 335 StPO gegen alle erstinstanzlichen Urteile des Amtsgerichts, Landgerichts, Oberlandesgericht sowie alle Berufungsurteile der kleinen Strafkammer des Landgerichts zulässig.

Wird gegen ein erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts Revision eingelegt, handelt es sich gem. § 335 StPO um eine sogenannte „Sprungrevision“. Diese hat zur Folge, dass die Berufungsinstanz „übersprungen“ wird und nur noch durch die Revisionsinstanz überprüft wird. Bei der Revisionsinstanz wird nur überprüft, ob das Urteil in verfahrensrechtlicher und materiell rechtlicher Hinsicht ordnungsgemäß ergangen ist. Sie ist also im Gegensatz zur Berufungsinstanz keine Tatsacheninstanz. 

Bei der Revision gilt gem. § 344 I StPO eine Begründungspflicht. Diese muss binnen eines Monats nach Ablauf der Rechtsmittelfrist angebracht werden. Die Revisionsgründe können unterteilt werden in eine Verletzung des materiellen Rechts und eine Verletzung des formellen Rechts. Mit einer Sachrüge wird das materielle Recht beanstandet. Die Überprüfung des materiellen Rechts erfolgt von Amts wegen. 

Mit einer Verfahrensrüge wird hingegen das formelle Recht gerügt. Bei der Verfahrensrüge muss der Revisionsführer Tatsachen angeben, die den Verfahrensmangel begründen. Dieser Tatsachenvortrag muss in sich schlüssig und widerspruchsfrei sein. 

Hält das Gericht die Revision für zulässig und begründet, hebt das Gericht das Urteil einschließlich der Tatsachenfeststellungen auf und verweist die Sache gem. § 354 II StPO zur erneuten Entscheidung an ein anderes Gericht zurück. 

[1] Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/22016/devolutiveffekt, abgerufen am 01.10.2020.
[2] Eschelbach, in: BeckOK StPO, § 312, Rn. 9.
[3] Zabeck, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 311, Rn. 3.
[4] Quentin, in: MüKO StPO, § 312, Rn. 1.
[5] Paul, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 322, Rn. 3.
[6] Wiedner, in: BeckOK StPO, § 333, Rn. 1.
[7] Knauer/Kudlich, in: MüKO StPO, § 335, Rn. 1.
[8] Knauer/Kudlich, in: MüKO StPO, § 335, Rn. 2.
[9] Gericke, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 344, Rn. 1.
[10] Gericke, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 344, Rn. 25.
[11] Gericke, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 344, Rn. 32.
[12] Knauer/Kudlich, in: MüKO StPO, § 354, Rn. 82.

Suche

Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

Letzte Beiträge

Like

Cookie-Einstellungen