Verleumdung am Beispiel des Fußballnationalspielers Antonio Rüdiger

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Eine Person kniet auf einem Holzboden neben einem Fenster und liest ein Buch, das auf einem niedrigen Ständer steht. Die Szene ist in Schwarzweiß gehalten, mit gemusterten Fliesen und einer Holzwand im Hintergrund. Der Raum wird durch Licht beleuchtet, das durch das Fenster fällt.

Antonio Rüdiger ist deutscher Fußballnationalspieler und gilt als Stammspieler der Nationalmannschaft. Wenn er nicht gerade als deutscher Innenverteidiger auf dem Platz steht spielt Rüdiger für Real Madrid und kommt auch dort regelmäßig zum Einsatz. Einen Vertrag hat er in Spanien noch bis zum Sommer 2026. 

Rüdiger ist praktizierender Muslim und bereits in der Vergangenheit durch umstrittene Handlungen bei Instagram aufgefallen. So likte er beispielsweise einen gegen den französischen Präsidenten gerichteten, islamistischen Beitrag bei Instagram, entschuldigte sich jedoch im Nachhinein dafür.  

Nunmehr tritt Rüdiger mit einem eigenen Beitrag bei Instagram in den Fokus der Öffentlichkeit. Im März postete der Fußballspieler ein Bild von sich selbst, auf dem er die Tauhid-Geste präsentierte. Darunter kommentierte er „Ramadan Mukbarak to all Muslims around the world. May the almighty accept our fastings and prayers”. 

Das nahm der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt zum Anlass um auf der Plattfor X anlässlich des Fußballspiels Deutschland gegen Frankreich das Bild von Rüdiger zu teilen und es zu kommentieren mit „Islamismus heute Abend in der deutschen Start-Elf. Das ist die Ideologie, die alles mit Regenbogen-Farben vom Dach wirft und Frauen steinigt. Antonio Rüdiger sollte uns mehr besorgen als ein Nike-Trikot #FRAGER“. Er spielte damit unter anderem auf die vorherige Debatte bezüglich des neuen Ausstatters der Nationalmannschaft an, bei dem ein Aufschrei durch die Presse gegangen war, weil die Fußballnationalmannschaft künftig von Nike und nicht mehr von dem deutschen Unternehmen Adidas ausgestattet werden soll. 

Nach dem Post auf X postete Reichelt erneut und veröffentlichte das Bild von Rüdiger ergänzt um eine Broschüre des Bundesamts für Verfassungsschutz. In dieser Broschüre war ein Bild der Tauhid-Geste eines IS-Kriegers zu sehen mit der Bildunterschrift „IS-Kämpfer zeugen den sogenannten IS-Finger“. Dazu schrieb Reichelt: „Für alle, die beim Islamisten-Gruß von Antonio Rüdiger keinen Islamismus erkennen wollen: Der Verfassungsschutz nennt diese Geste den IS-Finger und wertet den Zeigefinger als klares Zeichen für Islamismus. Man kann es nicht schönreden, der DFB muss sich dazu äußern.“

 

Der DFB reagierte auch, aber nicht so wie Reichelt es sich vermutlich erhofft hatte. Sowohl Antonio Rüdiger als auch der DFB erstatteten Strafanzeige wegen Beleidigung bzw. Verleumdung, verhetzende Beleidigung sowie Volksverhetzung. Gegenüber der Bild-Zeitung teilten Rüdigers Anwälte mit, er sei als überzeugter Gläubiger ein friedlebender Mensch, der jede Art von Gewalt ablehne. Die von Rüdiger gepostete Geste als „Islamisten-Gruß“ zu werten, sei „falsch, verkürzt und bewusst polarisieren“. Es handele sich um die Tauhid-Geste, die sinngemäß bedeute: „es gibt keinen Gott außer Alah“.

 

Bei der sogenannten Tauhid-Geste wird der Glaube an die Einheit Gottes im Islam mit erhobener rechter Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger kundgetan. Der Tauhid-Finger ist in diesem Sinne als Glaubensbekenntnis zu verstehen. Allerdings wird die Geste seit Jahren von Islamisten als Erkennungszeichen benutzt, um ihre Ablehnung der Demokratie als unislamisch zu symbolisieren.

Tauhid bedeutet, Gott als den Einen erklären und sich zum Glauben an die Einheit Gottes bekennen. Damit wird bezeugt, dass es neben Gott keine anderen Götter gebe, dass es weder gezeugt noch geschaffen sei.

Einer der bekanntesten Tauhid-Finger war Anis Amri, der Amokfahrer von Berlin, der kurz vor der Tat vor einer Überwachungskamera mit dem erhobenen Zeigefinger aufgezeichnet wurde. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz warnt deswegen vor dem „Tauhid“-Finger als Zeichen der Radikalisierung. „Aus dem islamischen Tauhid-Prinzip leiten Salafisten ab, dass Allah der alleinige Souverän und die Scharia das von ihm offenbarte – und daher einzig legitime – Gesetz ist“, schreibt die Behörde dazu. Die Demokratie würden Salafisten deswegen als „unislamisch“ ablehnen.

 

Nunmehr stellt sich die Frage, ob Reichelt mit einer Anzeige zu rechnen hat. 

Eine Anzeige wegen Verleumdung gilt als unwahrscheinlich. Für eine Verleumdung ist es notwendig, dass unwahre Tatsachen behauptet werden. Soweit die Äußerungen Reichelts einen Tatsachenkern enthalten, ist dieser wahr: Der Islamismus diskriminiert Personen anderer sexueller Orientierung, in islamischen Republiken werden Frauen (und etwa auch gleichgeschlechtlich Orientierte) gesteinigt, und das Bundesamt für Verfassungsschutz bezeichnet den „Tauhid-Finger“ in der Tat als „IS-Finger“ und kategorisiert ihn als islamistische Symbolik.

Auch ist nicht davon auszugehen, dass es zu einer Anklage wegen Beleidigung kommen wird. Der Vorwurf der Beleidigung setzt einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch die vorsätzliche Kundgabe ihrer Miss- oder Nichtachtung voraus. Der Post von Reichelt ist auf Vielfaches zu deuten. Zum Einen besteht natürlich die Möglichkeit ihn dahingehend zu deuten, dass er Rüdiger als Person mit dem von ihm scharf kritisierten Islamismus gleichsetzt. Andererseits kann der Post auch dahingehend interpretiert werden, dass er Rüdiger kritisiert, dass er islamistischen Symbolen eine Bühne bietet. Aufgrund der hohen Bedeutung der Meinungsfreiheit darf dann aber nicht direkt von einer Beleidigung ausgegangen werden. Es handelt sich auch nicht um eine Form der Schmähkritik da nicht davon auszugehen ist, dass Reichelt die Schmähung der Person des Antonio Rüdigers im Vordergrund stand, sondern dass es im ihm ausschließlich darum ging, sich kritisch mit der Geste bzw. der islamistischen Ideologie auseinanderzusetzen. 

 

[1] Antonio Rüdiger auf seinem Instagram-Account, abgerufen am 01.04.2024.
[2] Julian Reichelt auf der Plattform X, abgerufen am 01.04.2024
[3] Tahuid, Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Tauhīd#:~:text=Der%20Glaube%20an%20die%20Einheit,Sinne%20als%20Glaubensbekenntnis%20zu%20verstehen., abgerufen am 01.04.2024.
[4] Tahuid, Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Tauhīd#:~:text=Der%20Glaube%20an%20die%20Einheit,Sinne%20als%20Glaubensbekenntnis%20zu%20verstehen., abgerufen am 01.04.2024.
[5] Von der Brelie, in: Was der Tauhid-Zeigefinger im Islam wirklich bedeutet, rnd, https://www.rnd.de/wissen/was-der-tauhid-zeigefinger-im-islam-wirklich-bedeutet-2WLUBFBG6ZBSJC5FWUUGNGVAKA.html, abgerufen am 01.04.2024.
[6] Dr. Georg, in: Ist der Islamismus-Vorwurf gegenüber Rüdiger strafbar?, LTO, https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/taubid-finger-kritik-ruediger-strafbar/, abgerufen am 01.04.2024.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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