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Unfälle auf Klassenfahrten

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Unfälle auf Klassenfahrten -Drei Kinder sitzen mit dem Rücken zur Kamera auf einer Bank. Sie tragen schmutzige Kleidung und scheinen draußen gespielt zu haben. Die Umgebung wirkt natürlich und rustikal, mit Holzelementen um sie herum.

Dieser Fall ist im Winter diesen Jahres groß durch die Medien gegangen und sicherlich ein Alptraum für jede Eltern, die ihr Kind auf Klassenfahrt schicken. Aber auch strafrechtlich war dieser Fall nicht so einfach zu lösen wie sich Eltern oder die Gesellschaft das vielleicht gewünscht hätten.

 

Der Sachverhalt

Zur Vorbereitung einer Schulfahrt an einer Gesamtschule in Mönchengladbach nach London hatte die Lehrerin S, die schon einige Klassenfahrten begleitet und organisiert hat und ihre Pflichten diesbezüglich kennt, eine unverbindliche Informationsveranstaltung für die teilnehmenden Schüler und ihre Eltern durchgeführt. Im Einladungsschreiben war darauf hingewiesen worden, dass die Möglichkeit zur Beantwortung etwaiger Fragen bestehe, nicht aber darauf, dass auch gesundheitliche Themen erörtert würden. S hatte im Plenum nach gesundheitlichen Besonderheiten der Teilnehmenden gefragt und darauf hingewiesen, dass etwaig erforderliche Medikamente selbst mitgeführt werden müssten. Im Anschluss daran hatte sie den Anwesenden Gelegenheit zur Nachfrage und zu einem Gespräch unter vier Augen gegeben. Das hatten einige Eltern genutzt, um S auf Vorerkrankungen oder Reiseübelkeit ihrer Kinder hinzuweisen. An der Informationsveranstaltung hatten auch E sowie der Lebensgefährte (M) ihrer Mutter teilgenommen. Weder E noch M hatten S an dem Informationsabend mitgeteilt, dass E unter Diabetes Typ I litt. Ob sie die mündliche Abfrage der P nach gesundheitlichen Besonderheiten der Teilnehmer und den Hinweis auf die Möglichkeit eines persönlichen Gesprächs überhaupt wahrgenommen hatten, konnte nicht festgestellt werden. Anders als bei Klassenfahrten an der Gesamtschule verpflichtend, hatte S vor, während oder nach dem Informationsabend das Vorliegen von Erkrankungen oder gesundheitlichen Besonderheiten und die Notwendigkeit einer bestimmten Medikation bei den Erziehungsberechtigten der minderjährigen Schüler nicht schriftlich abgefragt. Wäre eine solche verbindliche schriftliche Abfrage erfolgt, hätte die Mutter der E jedenfalls die Diabeteserkrankung ihrer Tochter angegeben, wenn nicht sogar das erforderliche Diabetesmanagement ergänzend mündlich oder schriftlich dargelegt.

Hätte S diese schriftliche Abfrage durchgeführt, in die Schulakte Einsicht genommen oder sich bei den Lehrern der E informiert, wäre ihr deren Diabeteserkrankung vor Beginn der Schulfahrt bekannt gewesen. Tatsächlich erfuhr S hiervon erst am Tag der Rückfahrt aus London. 

Am ersten Tag der Klassenfahrt ging E mit ihren Freundinnen, darunter K, in einem chinesischen Restaurant essen. Nach der Rückkehr ins Hotel fühlten sich E und K unwohl und mussten sich jeweils übergeben. Während es K bereits am gleichen Abend wieder besser ging, wird der gesundheitliche Zustand von E über die nächsten drei Tage immer schlechter. E erbrach sich weiterhin und verbrachte die meiste Zeit auf ihrem Hotelzimmer im Bett. K informierte in dieser Zeit mehrfach die S über den schlechten Gesundheitszustand der E. Eine Nachschau seitens von S erfolgte, trotz anders getätigter Aussage gegenüber K, nicht. 

Am letzten Tag der Klassenfahrt war E schläfrig, matt, verwirrt und kaum noch ansprechbar ist. Als S dies im Rahmen einer Zimmerkontrolle nach dem Frühstück erkannte, verständigte sie den Notarzt. Gleichzeitig telefonierte sie mit der Mutter der E, die ihnen dabei mitteilte, dass E unter Diabetes leide. Die Rettungskräfte veranlassten eine umgehende Krankenhauseinweisung. E verstarb am noch am selben Tag infolge eines durch eine schwerwiegende Stoffwechselentgleisung ausgelösten Herzinfarkts. Hätte S von der Diabeteserkrankung der E gewusst, hätte sie den wiederholten Mitteilungen von K stärkere Beachtung geschenkt und bereits am ersten Tag hierauf reagiert. Der Tod der E hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können, wenn sie spätestens am Abend des ersten Tages stationär aufgenommen und (intensiv- ) medizinisch versorgt worden wäre.

 

Die Angeklagten sind jeweils wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen schuldig. 

Sie haben ihre Sorgfaltspflichten verletzt. Die beiden Angeklagten hatten als Lehrerinnen eine Garantenstellung i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB gegenüber ihrer Schülerin E., wie ihnen bekannt war. Sie waren durch die tatsächliche Übernahme der Verantwortlichkeit für ihre Schülerin E. als Lehrerinnen Beschützergaranten gegenüber E. Jedem Lehrer obliegt die Amtspflicht, die ihm anvertrauten Schülerinnen und Schüler im Schulbetrieb vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren. Er ist verpflichtet, die Gefahren so niedrig wie den Umständen nach möglich und geboten zu halten. Er muss die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und gegebenenfalls, wenn sich ausreichende Vorkehrungen nicht treffen lassen, von einer gefährlichen Maßnahme Abstand nehmen. Im Falle der Erkrankung eines Schülers bzw. einer Schülerin während des Unterrichts, während einer sonstigen Schulveranstaltung am Schulort oder während einer Klassen- bzw. Schulfahrt besteht die Aufsichtspflicht der Schule bzw. der konkret aufsichtsführenden Lehrer solange fort, bis der erkrankte Schüler/die erkrankte Schülerin gefahrlos in die Obhut seiner Eltern (nach Hause) gelangt ist. Die Angeklagten haben nicht sorgfaltsgemäß, sondern (unbewusst) fahrlässig gehandelt. Sie hätten jedenfalls bei Abfahrt in M., als sie die Verantwortung für E. von deren Mutter, der Zeugin Y., übernahmen und ab diesem Zeitpunkt E. Beschützergaranten waren, durch schriftliche Abfrage von Erkrankungen oder zumindest Einsichtnahme in die Schulakte sicherstellen müssen, dass sie zuverlässig über die Gesundheitsdaten aller mitfahrenden Schülerinnen und Schüler, konkret E. Y., verfügt hätten.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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