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Rechte von Ausländern im Strafverfahren

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Eine große Treppe mit verziertem Steingeländer führt zwischen großen klassischen Säulen nach oben und symbolisiert die komplexe Struktur des Strafverfahrens. Zwei steinerne Statuen in Roben stehen am Fuße der Treppe und vermitteln ein Gefühl von Würde und den komplexen Ausländerrechten, die dieser imposanten Architektur zugrunde liegen.

Rechte von Ausländern im Strafverfahren

Es kommt immer mal wieder vor, dass auch gegen Ausländer Strafverfahren geführt werden. Für diese gelten grundsätzlich die gleichen Regeln. Sowohl materiell- rechtlich (bezüglich der Strafbarkeit) als auch prozessual. Wenn die Ausländer der deutschen Sprache aber nicht ausreichend mächtig sind, gibt es darüber hinaus Sonderrechte, die ihnen gewährleistet werden, damit sie (genauso wie alle anderen) ein faires Verfahren durchleben. 

Der BGH hat sich kürzlich mit der Frage auseinandergesetzt, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn die Anklage nicht ausreichend übersetzt wird und der Angeklagte der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig ist. Die Konstellationen unterschieden sich dadurch, dass im Fall des 3. Senats während der Hauptverhandlung ein „Heilungsversuch“ unternommen worden war: Zwar hatte das Tatgericht den Antrag der Verteidigung auf Verfahrensaussetzung abgelehnt, dem Angeklagten war aber eine schriftliche Übersetzung übergeben und die Verhandlung für die Dauer von neun Tagen unterbrochen worden. Im vom 1. Senat entschiedenen Verfahren war dem Angeklagten demgegenüber – entgegen der Zusage des Tatgerichts bei Ablehnung des Aussetzungsantrags am ersten Hauptverhandlungstag – bis zum Verfahrensende keine Übersetzung übermittelt worden.

Zunächst wurde in den Entscheidungen im Einklang mit EU-Recht festgestellt, dass es gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. a EMRK wie auch gegen § 187 Abs. 2 GVG verstößt, wenn die Anklageschrift dem nicht im ausreichenden Maße der deutschen Sprache mächtigen Angeklagten übersetzt zur Verfügung gestellt wird. Abgestellt wird auf die Stellung des Angeklagten als Prozesssubjekt: Als solches kann er nur in Kenntnis des vollständigen Vorwurfs durch Ausübung seiner Beanstandungs- und Mitwirkungsrechte wirksam Einfluss auf das Verfahren nehmen. Erforderlich sei dazu eine schriftlich übersetzte Anklageschrift jedenfalls vor Beginn der Hauptverhandlung.

Die mündliche Übersetzung des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung gem. § 243 Abs. 3 S. 1 StPO vermag den Verstoß nur zu heilen, wenn der Verfahrensgegenstand rechtlich und tatsächlich überschaubar und leicht verständlich ist. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Angeklagte einen Verteidiger an seiner Seite hat. 

 

Die Rechtsfolgen eines solchen Verstoßes waren aber bislang nicht obergerichtlich geklärt. Eine Möglichkeit würde darin bestehen, das Verfahren bis zu einer adäquaten Übersetzung auszusetzen oder zu unterbrechen. Der 3. Senat hat die Frage dahingehend entschieden, dass eine Aussetzung nicht zwingend ist, sondern dem Verstoß in Abhängigkeit vom Einzelfall auch auf andere Weise begegnet werden kann. Ebenso wie die nationalen Prozessregeln verlange auch die EMRK keine Aussetzung. Denn der Verstoß einer einzelnen Regelung der EMRK mache das Verfahren nicht ohne Weiteres zu einem unfairen; es komme vielmehr darauf an, ob das Verfahren insgesamt fair war.

Unter Anlegung dieses Maßstabs erkannte der Senat in der vorliegend zu Beginn der Hauptverhandlung angeordneten Unterbrechung für neun Tage anstatt der beantragten Aussetzung keine fehlerhafte Ermessensanwendung. Im zugrunde liegenden Fall hatte das Tatgericht darauf abgestellt, dass der Sachverhalt nur eine Tat umfasste, dass er dem Angeklagten aus dem Haftprüfungstermin, wo er sich bereits eingelassen hatte, bekannt war und dass er die Anklageschrift in der Haftanstalt mit seinem Verteidiger erörtert hatte.

Der 1. Senat hatte demgegenüber über die Rechtsfolge im Falle gänzlich unterbliebener Heilungsversuche zu befinden – also zu entscheiden, ob die Verurteilung auf dem Fehler beruht. Im Gegensatz dazu nahm der 1. Senat ein Beruhen an. Dabei stellte er auf das Einlassungsverhalten des Angeklagten ab, der sich in der Hauptverhandlung in weiten Teilen abweichend vom Tatvorwurf geäußert hatte. Damit stellte sich die Sachlage für den Senat anders als im 2014 entschiedenen Fall des 3. Senats dar, der sich mit Blick auf die umfassende Beweisaufnahme über 23 Verhandlungstage und der geständigen Einlassung des Angeklagten am letzten Verhandlungstag „auf Drängen seiner Verteidigung“ in der Lage gesehen hatte, ein Beruhen abzulehnen. Im Falle des bestreitenden Angeklagten sei – so der 1. Senat – demgegenüber nicht auszuschließen, dass dieser anders als erfolgt Einfluss auf das Verfahren genommen hätte, wenn er frühzeitig in allen Einzelheiten informiert worden wäre.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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