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Jugendrichterliche Weisungen

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Eine Luftaufnahme zeigt fünf Menschen, die auf einem grauen, gefliesten Bürgersteig gehen. Die meisten von ihnen sind weiß und blau gekleidet. Eine Person ist in ihr Telefon vertieft. Der schwach beleuchtete Bereich, der an die Feierlichkeit der Jugendrichterlichen Weisungen erinnert, wirft Schatten auf die Oberfläche.

Jugendrichterliche Weisungen

Ein Jugendrichter hat, anders als der Strafrichter für Erwachsenenstrafrecht, die Möglichkeit dem Jugendlichen oder Heranwachsenden Weisungen zu erteilen. Sinn und Zweck ist es, den Jugendlichen bzw. Heranwachsenden auf den richtigen Weg zu bringen, für seine Taten unter Umständen zu sanktionieren, aber ihn dabei nicht aus seinem gewohnten Umfeld zu reißen, sofern dies pädagogisch sinnvoll erscheint. Dabei hat der Jugendrichter eine große Auswahl an Sanktionen die er für den Jugendlichen oder Heranwachsenden anordnen kann.

Eine ganz typische Weisung ist dabei, sich des Konsums von Alkohol und Betäubungsmitteln zu enthalten und diese Enthaltsamkeit mittels Tests nachzuweisen. Anhand des nachfolgenden Falls soll dabei eine typische Konstellation aufgezeigt werden.

Der Fall

Ein Jugendlicher tritt zum wiederholten Mal wegen des unerlaubten Besitzes von Cannabis (und eines Diebstahlsdeliktes) in Erscheinung. Die bayerische Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren nun nicht mehr ein, sondern erhebt Anklage vor dem Jugendrichter. Dieser verhängt eine Arbeitsweisung, die Weisung, drei Termine bei einer Drogenberatungsstelle wahrzunehmen, sich des Konsums von Betäubungsmitteln zu enthalten und die Abstinenz durch drei Urinkontrollen nachzuweisen. Nachdem der Jugendliche fristgerecht die Arbeitsweisung erfüllt und die Termine bei der Drogenberatung wahrgenommen hat, gibt er auf Aufforderung pünktlich eine Urinkontrolle ab, die allerdings den Konsum von Cannabis nachweist. Der Jugendrichter verhängt kurzerhand einen Ungehorsamsarrest.

Dagegen legte der Jugendliche Beschwerde ein.

Problemaufriss Gem. § 10 Abs. 2 JGG könnte Voraussetzung des Erlasses der Weisung eine Zustimmungspflicht der Erziehungsberechtigten sein. In Abs. 2 heißt es: Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen. In dem oben genannten Fall hatte die Beschwerdekammer die Abstinenzanordnung aufgehoben, weil das Gericht die Zustimmung der Erziehungsberechtigten nicht eingeholt hatte. Direkt unterfällt die oben genannte Weisung nicht dem § 10 Abs. 2 JGG. Dennoch spricht hier viel dafür, § 10 Abs. 2 JGG auch bei der Verhängung der Abstinenz- und Kontrollweisung für anwendbar zu halten. Zunächst einmal ist fraglich, was überhaupt eine „Erziehungskur“ ist. Eine gesetzliche Definition gibt es nicht und auch die Literatur hat keine gängige Definition aufgestellt. Nach allgemeinem Sprachverständnis ist damit eine medizinische bzw. therapeutische Maßnahme mit einem therapeutischen Gesamtkonzept, das auf die Behandlung der Substanzabhängigkeit hinzielt, gemeint. Dabei wird man auch davon ausgehen, dass die gesamte Entziehungskur von einer hierfür qualifizierten Stelle (in der Praxis regelmäßig freie Träger) ambulant oder stationär durchgeführt wird. Das Ziel ist zunächst die gesundheitliche und soziale Stabilisierung und die Vermeidung von individueller Beschaffungskriminalität; mittelfristig wird auch eine dauerhafte Abstinenz erstrebt. Konzept und Ausgestaltung zur Erreichung dieses Ziels können sich dabei unterscheiden. Teil einer Entziehungskur wird in vielen Fällen auch das therapeutische Gespräch zur Psychoedukation und der Erarbeitung von Strategien im Umgang mit Suchtdruck wie auch zur Bearbeitung individueller Problematiken sein. Abstinenz während der Kur und Urinkontrollen zur Kontrolle des Umfangs des Konsums und bestenfalls der Abstinenz sind regelmäßig auch Teile des Therapiekonzeptes. Die Abstinenz wird je nach Substanz häufig durch den körperlichen Entzug, die sog. Entgiftung, in einer Klinik eingeleitet. Zwar können die ausgesprochenen Weisungen Drogenberatungsgespräche, Abstinenz und Urinkontrollen inhaltlich jeweils Teile einer Entziehungskur sein. Es fehlt hier aber am darüberhinausgehenden Gesamtkonzept, um von einer „Entziehungskur“ sprechen zu können. Damit unterfallen die Weisungen nicht direkt § 10 Abs. 2 JGG. Nachdem die Abstinenzweisung und die Weisung, die Abstinenz durch Urinkontrollen nachzuweisen, nicht Teil des Katalogs in § 10 Abs. 1 S. 3 JGG sind, handelt es sich dabei um sog. allgemeine Weisungen. Bei diesen sind die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu beachten. Dabei gilt unter anderem das Umgehungsverbot. Dabei stellt man deutliche Übereinstimmungen fest: Beratung, Abstinenz und Abstinenzkontrollen sind maßgebliche Teile einer Entziehungskur; als allgemeine Weisungen entsprechen sie in ihrer Zielrichtung und der Eingriffsintensität der ambulanten Entziehungskur. Jede der Weisungen für sich betrachtet und erst recht alle erteilten Weisungen zusammen kommen ihrer Wirkung nach der Entziehungskur gleich. Die Weisungen haben „suchttherapeutischen Charakter“. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Erziehungsgedanken des JGG. Ebenso wie man bei Erwachsenen nur bei Bereitschaft zur Mitwirkung eine erfolgreiche Suchtbehandlung erwarten kann, dürfte der erzieherische Erfolg bei Jugendlichen und Heranwachsenden mit bestehender Mitwirkungsbereitschaft ungleich besser sein. Diese Überlegungen stehen letztlich auch hinter den gesetzlichen Vorgaben zur Einholung der Zustimmung in den § 10 Abs. 2 JGG, § 57 Abs. 3 JGG und § 56c Abs. 3 StPO, § 265a S. 2 StPO. Auch wenn diese Vorschriften bei der Verhängung der jugendrichterlichen Weisung nicht anwendbar sind, ist die Problemlage doch die gleiche und die gesetzgeberische Intention auch hier richtig. Jugendrichterliche Weisungen mit Zielrichtung Suchtmittelabstinenz verlangen demnach das Einverständnis der Erziehungsberechtigten und älteren Jugendlichen und können auch nur so optimale Wirkung erzielen.

 

 

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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