Eines der tragenden Tatbestandsmerkmale in jeder strafrechtlichen Prüfung ist die Kausalität. Ist das Handeln nicht kausal für den Erfolg, so ist der Erfolg nur zufällig eingetreten und es hat zur Folge, dass der Täter nicht verurteilt bzw. sanktioniert werden kann. Über die Frage, wann etwas kausal ist, wird hingegen in der Literatur und Rechtsprechung viel gestritten und diskutiert. Dabei tauchen immer neue Konstellationen auf in der jede der Theorien Stärken und Schwächen aufzeigt.
Vielleicht in dem Zusammenhang bekannt ist der Begriff des Schmetterlingseffekts. Der Schmetterlingseffekt (englisch butterfly effect) ist ein Phänomen der Nichtlinearen Dynamik. Er tritt in nichtlinearen dynamischen, deterministischen Systemen auf und äußert sich dadurch, dass nicht vorhersehbar ist, wie sich beliebig kleine Änderungen der Anfangsbedingungen des Systems langfristig auf die Entwicklung des Systems auswirken.
Die namensgebende Veranschaulichung dieses Effekts am Beispiel des Wetters soll von Edward N. Lorenz stammen: „Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?“
Das Paradebeispiel im Strafrecht ist die Zeugung eines Kindes, das viele Jahre später einen Menschen umbringt. Sind die Eltern dieses Kindes dann „schuld“ an dem Mord?
Diese Kette könnte man unendlich weiterführen, schließlich haben auch die Urgroßeltern dieses Kindes dafür gesorgt, dass es mal gezeugt werden konnte und könnten als mitverantwortlich herangezogen werden. Das hätte aber zur Folge, dass es zu einer uferlosen Strafrechtshaftung kommen würde, die vom Gesetzgeber in dieser Form sicherlich nicht gewollt ist. Deshalb ist neben der eigentlichen Kausalität auch noch das Tatbestandsmerkmal der objektiven Zurechenbarkeit vonnöten.
Das StGB verwendet den Begriff „Kausalität“ nicht, setzt ihn aber voraus. Bei Fahrlässigkeitsdelikten wie § 222 StGB wird dies besonders deutlich. Der Täter muss den Tod „verursachen“, ihn also wenigstens kausal herbeiführen.
Das Strafrecht hat verschiedene Ansätze entwickelt anhand derer die Kausalität bestimmt werden kann.
Die Kausalitätstheorien
Die vermutliche herrschende Theorie ist die Äquivalenztheorie. Sie betrachtet alle Bedingungen, die den Erfolg verursachen, als gleichwertig (lat. aequus = „gleich“; valere = „wert sein“). Kausal sind demnach die Handlungen, die nicht hinweggedacht werden können ohne dass der tatbestandsmäßige Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. In dem oben genannten Beispiel hätte das zur Folge, dass auch die Urgroßeltern schuld an dem Mord wären. Korrekturen finden bei dieser Theorie erst auf Ebene der objektiven Zurechnung statt.
Eine konkurrierende Meinungsströmung nimmt normative Einschränkungen bereits auf Kausalitätsebene vor. Die individualisierenden Kausaltheorien wählen hier aus allen Ursachen eine Ursache im Rechtssinne aus. Kriterien sind etwa die wirksamste oder die zeitlich letzte Bedingung. Die Relevanz- und die im Zivilrecht bedeutsame Adäquanztheorie selektieren ebenfalls und halten nur solche Verhaltensweisen für kausal, die zur Herbeiführung des Erfolgs generell geeignet waren und mit ihm nicht in bloß zufälligem Zusammenhang stehen.
In Reaktion auf die massiven Schwächen der Conditio-Formel hat Engisch die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung entwickelt. Danach ist ein Verhalten für den Erfolg kausal, „wenn sich an eine Handlung zeitlich nachfolgende Veränderungen in der Außenwelt angeschlossen haben, die mit der Handlung nach den uns bekannten Naturgesetzen notwendig verbunden waren und sich als tatbestandsmäßiger Erfolg darstellen“. Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung hat gegenüber der Conditio-Formel zwei entscheidende Vorteile: Zum einen verschleiert sie ihre Abhängigkeit von naturwissenschaftlichen Kausalgesetzen nicht, sondern gesteht sie offen zu und ist daher ehrlicher. Zum anderen formuliert die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung – im Unterschied zur Conditio-Formel – positiv. Entscheidend ist der tatsächlich zum Erfolg führende gesetzlich bedingte Geschehensablauf, kein hypothetisches Szenario. Diese beiden Aspekte senken das Risiko von Fehlschlüssen, das die Anwendung der Conditio-Formel mit sich bringt.
Puppe hat dagegen eine weitere Theorie begründet. Sie hält eine Ursache für kausal, „wenn sie notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung ist“. Erforderlich ist immer ein Bündel an Umständen, die gemeinsam vorliegen müssen, um eine hinreichende Bedingung des Erfolgs zu bilden. Entscheidend ist also, ob der Täter einen maßgeblichen Anteil an dem „Bündel“ hat oder nicht.