Nicht immer, wenn eine Straftat geahndet werden soll, ist es notwendig, dass die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt. Für die Staatsanwaltschaft besteht auch die Möglichkeit, einen Strafbefehlt zu erlassen. Die Anzahl der Strafbefehle steigt in Deutschland. Deshalb soll nunmehr ein Forschungsprojekt begonnen werden, in dem es um Gerechtigkeit gehe und überprüft würde, ob sozial Schwächere von dem Erlass eines Strafbefehls häufiger betroffen sind. Das Problematische bei dem Erlass eines Strafbefehls ist, dass die Betroffenen unter Umständen nicht einschätzen können, was so ein Strafbefehl eigentlich bedeutet. Vorteil des Strafbefehlsverfahrens ist, dass die Beendigung des Verfahrens deutlich kostengünstiger und schneller ist, als wenn das Verfahren durch Erhebung einer Anklage und Durchführung einer Hauptverhandlung beendet werden muss.
Verfahren beim Strafbefehl
Der Strafbefehl lässt sich als „schriftliches Gerichtsverfahren“ beschreiben. Die Staatsanwaltschaft beantragt dafür bei Gericht den Erlass eines Strafbefehls, wenn sie eine öffentliche Hauptverhandlung nicht für erforderlich hält. Wenn der Richter nach Aktenlage dann davon ausgeht, dass der Fall einfach gelagert ist und dass das Verfahren ohne Hauptverhandlung entschieden werden kann, erlässt er diesen Strafbefehl. Der Tatvorwurf wird nur summarisch, also nicht genau, geprüft und die Schuld des Täters wird nicht festgestellt, sondern lediglich für wahrscheinlich gehalten. Entscheidender Unterschied zum „normalen“ Verfahren ist, dass Prinzipien des Strafverfahrens, namentlich der Mündlichkeit, Öffentlichkeit und Unmittelbarkeit eines Hauptverfahrens entfallen.
Strafbefehlsverfahren sind bei Bagatelldelikten und bei Fällen mittlerer Kriminalität möglich. Insbesondere im Steuerstrafrecht werden Verfahren häufig im Strafbefehlsverfahren abgeschlossen.
Grundsätzlich können mit einem Strafbefehl nur ganz bestimmte Rechtsfolgen festgesetzt werden. Darunter fallen Geldstrafen, die Entziehung der Fahrerlaubnis und unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr unter Bewährung. In den letztgenannten Fällen kann das Gericht einen Pflichtverteidiger bestellen. Der rechtskräftige Strafbefehl steht dann einem Urteil gleich und hat auch entsprechende Wirkung.
Da der Strafbefehlsantrag im Übrigen die Funktion einer Anklageschrift hat, muss er auch den Erfordernissen, die das Gesetz (vgl. § 200) und die Praxis an eine Anklageschrift stellen, genügen, d.h. der Strafbefehl muss ebenso wie die Anklageschrift die Tatsachen und die rechtliche Würdigung enthalten, die den Gegenstand der Beschuldigung ausmachen. Denn der Gegenstand des Strafverfahrens, der sog. Prozessgegenstand, muss in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht eingegrenzt werden. Dadurch wird die Entscheidungsbefugnis des Gerichts und der Umfang der möglichen Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung festgelegt (Umgrenzungsfunktion). Andererseits wird dem Angeklagten ein Eindruck von der Berechtigung des gegen ihn erhobenen Vorwurfs verschafft, der ihn in die Lage versetzt, seine Verteidigung in der Hauptverhandlung vorzubereiten oder vorab zu entscheiden, ob er Einspruch einlegen soll.
Der Einspruch
Der Angeklagte hat in diesen Situationen zwei Möglichkeiten. Er kann zum Einen den Strafbefehl annehmen und die Strafe begleichen, oder aber er legt einen sogenannten Einspruch gegen den Strafbefehl ein und zwingt so das Gericht, doch noch eine Hauptverhandlung durchzuführen. In diesem Fall stellt der Strafbefehl nur eine vorläufige Entscheidung dar.
Der Einspruch ist fristgebunden und muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Strafbefehls schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat, eingelegt werden. Grundsätzlich kann diese Frist nicht verlängert werden, es sei denn, die Frist ist unverschuldet versäumt worden und der Angeklagte stellt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Der Einspruch kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden (§ 410 II), z.B. auf den Rechtsfolgenausspruch. Es gelten hierzu die Grundsätze, die für die Beschränkung einer Berufung gelten. Im Übrigen aber muss der Angeklagte beachten, dass das Verbot der „reformatio in peius” nicht gilt, wenn aufgrund des Einspruchs die Hauptverhandlung anberaumt wird. Das folgt aus dem summarischen Charakter des bisherigen gerichtlichen Verfahrens ohne Hauptverhandlung. Der Angeklagte muss dann ggf. eine erhebliche Verschlechterung seiner Situation hinnehmen. Das bedeutet, dass auch ein evtl. eingeschalteter Verteidiger die Erfolgsaussichten einer Hauptverhandlung sorgfältig prüfen muss.
[1] Podolski, in: „Wir befürchten eine Bestrafung der Armen“ Interview zu Forschung über Strafbefehl, LTO, https://www.lto.de/recht/justiz/j/justiz-strafbefehl-forschung-amtsgericht-frankfurt-strafverteidiger/, abgerufen am 26.03.2024.
[2] Ranft, in: Grundzüge des Strafbefehlsverfahrens, JuS 2000, 633 (634).
[3] Ranft, in: Grundzüge des Strafbefehlsverfahrens, JuS 2000, 633 (636).
[4] Ranft, in: Grundzüge des Strafbefehlsverfahrens, JuS 2000, 633 (638).