Das Sylt-Video

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Ein Sandstrand mit grasbedeckten Dünen ist leicht mit Schnee bedeckt. Der Himmel ist klar und im Hintergrund ist das Meer teilweise sichtbar. Der Strand schlängelt sich sanft entlang des Horizonts, mit einigen Schneeflecken auf Sand und Gras.

Passend zum 75-Jubiläum des deutschen Grundgesetzes gibt es derzeit auf Social-Media in Deutschland praktisch nur ein Thema: Das Sylt-Video. 

Was war passiert? 

An Pfingsten sind jungen Frauen und Männer nach Sylt gefahren um dort die Feiertage zu verbringen. Abends fanden entsprechend zahlreiche Partys statt. In dem umstrittenen Video, das nunmehr durch die sozialen Netzwerke geistert, grölen junge Menschen im Außenbereich des Lokals „Pony“ auf Sylt „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“. Dazu läuft der Party-Hit „L’amour Toujours“ von Gigi D’Agostino. Ein Mann schien mit seinen Fingern auf der Oberlippe einen Hitlerbart anzudeuten und bewegte den Arm im Takt des Liedes so, dass ein Hitlergruß angedeutet wurde. 

In den sozialen Netzwerken wird das Video nun scharf kritisiert und von Nutzern sind die zusehenden Menschen mit Namen ausfindig gemacht worden und öffentlich an den Pranger gestellt worden. Das hat für die Personen teilweise zur Folge, dass sie ihre Jobs verloren haben und eine regelrechte Hetze im Netz losgetreten wurde. 

Nunmehr ermittelt auch die Staatsanwaltschaft, aber was daran ist denn überhaupt die strafbare Handlung?

Nach den Verfassungsschutzberichten der Jahre 2006 und 2007 sind pro Jahr mehr als 15.000 Straftaten mit erwiesenem bzw. zu vermutendem rechtsextremistischen Hintergrund festzustellen, in den Jahren 2017 und 2018 jeweils über 19.000. Der Anteil an Jugendlichen und Heranwachsenden war durchgehend unerfreulich hoch.

 

Einige der Oberlandesgerichte haben es in der Vergangenheit als Volksverhetzung angesehen, wenn größere Personengruppen ausländerfeindliche Parolen verbreitet haben. Die Aussage „Ausländer raus“ würde in diesem Fall unter den Tatbestand der Volksverhetzung fallen. „Ausländer raus“ ist grundsätzlich dazu geeignet, zum Hass aufzustacheln und zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzufordern. Eine unmittelbare Aktion braucht nicht beabsichtigt zu sein.

In Brandenburg hatte zur Jahrtausendwende das Oberlandesgericht entschieden, dass ein ähnlich gelagerter Fall den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen würde. 

Das Bundesverfassungsgericht ist bei der Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB) in seiner Meinungsfreiheitsjudikatur deutlich restriktiver. Es geht für die Parole „Ausländer raus“ nur beim Hinzutreten weiterer Begleitumstände von einem Angriff auf die Menschenwürde aus. Diese Umstände müssen jetzt über die kurze Videosequenz hinaus durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden ermittelt werden, denn ein Anfangsverdacht besteht.

 

Tatbestand der Volksverhetzung

 

Der Straftatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 StGB besagt, dass derjenige, der in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören

  1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
  2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,

 

mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bestraft wird. 

 

Ähnliches gilt nach Abs.2 für denjenigen, der diese Aussagen der Öffentlichkeit zugänglich macht oder sie verbreitet. 

 

Unter Aufstacheln zum Hass ist ein Verhalten zu verstehen, das auf die Gefühle oder den Intellekt eines anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende, feindselige Haltung gegen den betreffenden Bevölkerungsteil zu erzeugen oder zu verstärken. Vorauszusetzen ist ein besonders qualifizierter Eingriff im Sinne einer gesteigerten, von Feindseligkeit getragenen Einwirkung auf den unverzichtbaren Persönlichkeitskern der Betroffenen oder einer schwerwiegenden Form der Missachtung, die durch ein besonderes Maß an Gehässigkeit und Rohheit oder eine besonders gehässige Ausdrucksweise geprägt wird.

Kein Aufstacheln zum Hass ist grds. eine sachliche, wahrheitsgemäße Berichterstattung, selbst wenn sie in tendenzieller Absicht erfolgt und geeignet ist, ein feindseliges Klima gegen einen Teil der Bevölkerung zu schaffen. Die Voraussetzungen der Norm können erfüllt sein, wenn offensichtlich auf das Schüren von Hass angelegte Äußerungen lediglich als scheinbar sachliche Enthüllungen verbrämt oder unter dem Deckmantel einer Auseinandersetzung mit geschichtlichen Vorgängen in einen solchen Darlegungszusammenhang eingefügt werden. 

 

Ganz egal, wie sich die Gerichte oder Strafverfolgungsbehörden entscheiden, feststeht, dass sich das Leben für diejenige aus dem Video drastisch verändert hat und dass rechte Gesinnung immer weiterverbreitet ist und wird in der Gesellschaft. 

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[1] Schäfer/Anstötz, MüKo zum StGB, § 130, Rn. 13.
[2] kj/kus/LTO-Redaktion, in: Was an dem „Sylt-Video“ strafbar sein könnte, LTO, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/sylt-pony-video-volksverhetzung-strafbarkeit-deutschland-auslaender/, abgerufen am 27.05.2024.
[3] Schäfer/Anstötz, MüKo zum StGB, § 130, Rn. 40.
[4] Schäfer/Anstötz, MüKo zum StGB, § 130, Rn. 43.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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