Straftat gegen Tiere – Unterlassungsstrafbarkeit zu Lasten von Tieren

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Die Silhouette eines Hirsches zeichnet sich vor dem Sonnenuntergang im Wald ab, unbeeindruckt vom anhaltenden Abgasskandal.

Straftat gegen Tiere – Unterlassungsstrafbarkeit zu Lasten von Tieren

Das Strafrecht dient natürlich zum einen dazu Menschen und ihre körperliche Unversehrtheit zu schützen, soll aber auch auf der anderen Seite das Eigentum der Menschen, sowie die Allgemeinheit vor der Begehung von Straftaten bewahren. Auch wenn man es als Tierhalter nicht gerne hört oder liest werden Tiere juristisch wie Sachen behandelt und deshalb wie Eigentum geschützt. Nichtsdestotrotz werden Straftaten gegen Tiere nur in den seltensten Fällen verfolgt. Verurteilungen sind in Anbetracht der tatsächlichen Vielzahl von Verstößen gegen das TierSchG und andere dem Tierwohle dienende Vorschriften rar. Statistisch ist bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bei entsprechenden Straftaten kaum zu erwarten.

 

Unterscheidung zwischen aktivem Tun und Unterlassen

In Deutschland wird bei der Beurteilung der Strafbarkeit zwischen aktivem Tun und Unterlassen unterschieden. In der Gruppe der Unterlassungsdelikte wird wiederrum zwischen echtem Unterlassungsdelikt und unechtem Unterlassungsdelikt differenziert. 

Echte Unterlassungsdelikte fordern als Gebotsnorm explizit die Vornahme einer bestimmten Tätigkeit und haben bei Unterlassen zur Folge, dass der Tatbestand der Norm verwirklicht ist. Echte Unterlassungsdelikte dienen durch das Aufstellen des Handlungsgebots dem Rechtsgüterschutz. 

Bei einem unechten Unterlassungsdelikt hat der Gesetzgeber das Handlungsgebot nicht unmittelbar normiert, sondern es ist einem Begehungsdelikt im Sinne von § 13 StGB zu entnehmen. Danach kann ein Begehungsdelikt auch durch die Nichtvornahme einer dem aktiven Tun gleichgestellten Handlung verwirklicht werden. Außerdem muss der Unterlassende für die Abwendung des tatbestandlichen Erfolgs rechtlich einstandspflichtig sein (Garantenstellung).  Ist der Unterlassende kein Garant, scheidet eine Strafbarkeit des ausschließlich Unterlassenden aus, sofern kein echte Unterlassungsdelikt eingreift. 

Historisch betrachtet stellt das deutsche Strafrecht nur Gebote und Verbote im Umgang der Menschen untereinander auf. Im Rahmen des gesellschaftlichen Wandels hat der Gesetzgeber Art. 20 a GG in das Grundgesetz eingeführt wonach allen drei Staatsgewalten mit einer Staatszielbestimmung eigenes eine hoheitliche Schutzpflicht gegenüber Tieren auferlegt bekommen haben.  

 

Unechte Unterlassungsdelikte zu Lasten von Tieren

Bei dem unechten Unterlassungsdelikt zu Lasten von Tieren ist insbesondere die Garantenstellung des Unterlassenden zu problematisieren. Nach allgemeiner Auffassung handelt es sich bei der Garantenpflicht um eine Einstandspflicht zur Abwendung eines tatbestandlichen Erfolgs. Dabei kann sie weder durch einfache Handlungspflichten noch durch bloße Tätigkeitsgebote begründet werden, sondern es muss einer bestimmten Person eine „Sonderverantwortlichkeit“ zugeschrieben werden. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass von einem Garant zum Einen verlangt wird, das betroffene Rechtsgut zu schützen, weil ihm „die Unversehrtheit des Schutzwertes“ anvertraut wurde

Wer ein Tier verhungern oder verwahrlosen lässt, indem er sich nicht adäquat und den jeweiligen Bedürfnissen des Tieres entsprechend um dieses sorgt, oder wer es unterlässt, Schmerzen von ihm abzuwenden, kann sich daher wegen eines Verstoßes gegen das TierSchG durch Unterlassen strafbar machen. Normativer Anknüpfungspunkt für eine entsprechende Strafbarkeit zu Lasten des Tieres ist § 17 TierSchG. Danach wird bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt. Dabei besteht Einigkeit, dass auch § 13 StGB auf § 17 TierSchG Anwendung findet. Eine Garantenstellung für Tierhalter und -betreuer unmittelbar aus Gesetz folgt bereits aus § 2 TierSchG. Tierhalter ist jede Person, die aufgrund ihres Besitzes am Tier für jedenfalls eine gewisse Dauer und im eigenen Interesse die tatsächliche Bestimmungsgewalt über dieses ausübt. Als Tierbetreuer ist grundsätzlich derjenige zu qualifizieren, der ohne Tierhalter zu sein, auch nur vorübergehend, die tatsächliche Bestimmungsgewalt über das Tier ausübt und dieses in seiner Obhut hat. Unter Berücksichtigung der Zwecksetzung des § 1 TierSchG sowie des Wortlauts des § 2 TierSchG lässt sich daher zunächst festhalten, dass jeder, der in diesem Sinne „für das Wohlbefinden des Tieres rechtlich einzustehen hat“, Garant ist.

 

Echte Unterlassungsdelikte gegenüber Tieren

Fraglich ist, ob eine Strafbarkeit aus § 323 c StGB auch zu Lasten von Tieren begründet werden kann. Der Wortlaut der Norm lässt eine Einbeziehung von Tieren ohne Weiteres zu. Möglicherweise ist jedoch der Wortlaut im Hinblick auf das Schutzgut der Norm teleologisch zu reduzieren. Was konkret das Schutzgut von § 323 c StGB ist, ist umstritten. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die Norm dem Schutz der Individualrechtsgüter dient.

Eine solche Sicht ist jedoch seit der Reform des Art. 20 a GG überholt, da die Erweiterung des Wortlauts der Norm um die Worte „und die Tiere“ ausdrücklich der „Verwirklichung eines wirksamen Tierschutzes“ dienen sollte. Eine Einschränkung besteht jedoch für Tiere, die nicht im Eigentum eines Menschen stehen und keine Wirbeltiere sind. 

 

 

 

[1] Bülte, in: Massentierhaltung – Ein blinder Fleck bei der Verfolgung von Wirtschaftskriminalität? NJW 2019, 19 (19); Dr Gerhold/Noetzel, in: Unterlassungsstrafbarkeit zu Lasten von Tieren, JuS 2022, 993 (994). 

[2] Freund, in: MüKo StGB, § 13, Rn. 105. 

[3] Dr Gerhold/Noetzel, in: Unterlassungsstrafbarkeit zu Lasten von Tieren, JuS 2022, 993 (994).

[4] Freund, in: MüKo StGB, § 13, Rn. 105.

[5] BT-Drs. IV/650, 124.

[6] Kluge/Ort/Reckewell, in: TierSchG § 17 Rn. 104–108.

[7] AgrarR/Sandkuhl/Bellinghausen, in: MAH, § 24 Rn. 92.

[8] Hirt/Maisack/Moritz, in: TierSchG, § 2 Rn. 4.

[9] BayObLG, Urteil vom 24.10.1995 – 4 St RR 135/95, NStZ-RR 1996, 89 (89).

[10] AgrarR/Sandkuhl/Bellinghausen, in: MAH, § 24 Rn. 92.

[11] v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK StGB, § 323 c, Rn. 1. 

[12] Dr Gerhold/Noetzel, in: Unterlassungsstrafbarkeit zu Lasten von Tieren, JuS 2022, 993 (999).

[13] Dr Gerhold/Noetzel, in: Unterlassungsstrafbarkeit zu Lasten von Tieren, JuS 2022, 993 (999).

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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