Strafen und ihre Wirksamkeit – Schrecken höhere Strafen wirklich ab?

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Ein Schwarz-Weiß-Foto der an einer Kette gefesselten Füße einer Person in Hamburg.

Strafen und ihre Wirksamkeit – Schrecken höhere Strafen wirklich ab?

Bevor man sich damit beschäftigt, ob höhere Strafen wirklich abschrecken, sollte man beleuchten was der eigentliche Sinn von Strafen sind. Mit dem Thema Strafen haben sich schon zahlreiche Wissenschaftler beschäftigt und eine Vielzahl von Theorien entwickelt. Dabei sind unter anderem zwei Grundauffassungen zustande gekommen.

1. Absolute Straftheorien

Innerhalb dieser Theorien herrscht die Meinung, dass der Sinn der Strafe nicht irgendeiner Zweckverfolgung dient, sondern die Strafe losgelöst von ihrer gesellschaftlichen Wirkung betrachtet werden muss. Strafe ist danach Vergeltung, stellt Gerechtigkeit wieder her und bewirkt Sühne. Schon in der Antike wurde darüber diskutiert, ob die Strafe dem Täter ohne Rücksicht auf die Folgen Gerechtigkeit widerfahren lassen sollte oder ob sie andere abschrecken sollte und so die Aufgabe habe, die Gesellschaft zu verbessern.

Für Kant war das Strafgesetz ein kategorischer Imperativ. Gemeint ist damit, dass das Strafgesetz ein von allen Zweckerwägungen losgelöstes Gebot der Gerechtigkeit ist.

Die Rechtsprechung des BGH und des Bundesverfassungsgerichts hält an der Bedeutung des Vergeltungsprinzips fest. Danach ist die Kriminalstrafe ihrem Wesen nach Vergeltung durch Zufügung eines Übels.

Es lässt sich praktisch nicht leugnen, dass auf eine Vergeltung in einem bestimmten Umfang nicht verzichtet werden kann. Aus den Erfahrungen des 12. und 13. Jahrhunderts lässt sich entnehmen, dass sich Blutrache und ähnliches nur in dem Maße zurückdrängen lässt, wie eine Zentralgewalt dazu in der Lage ist, Verbrechen wirksam zu verfolgen. 

Aber auch die Gesellschaft unterliegt Lernprozessen. So ist der Ruf nach Todesstrafe immer seltener zu hören. Auch wenn ein Großteil der Bevölkerung immer noch davon ausgeht, das Strafrecht sei nicht streng genug, wird immerhin in einer Weise bestraft, die nicht zur Destabilisierung oder Selbstjustiz führt.

2. Relative Straftheorien

Relative Straftheorien gehen hingegen davon aus, dass das Strafrecht den Sinn hat, Verbrechen zu verhüten. Es wird nicht bestraft, weil jemand etwas Unrechtes getan hat, sondern damit nicht noch mal Unrecht begangen wird.

Dabei ist zwischen Spezial- und Generalprävention zu unterscheiden.

Bei der negativen Spezialprävention geht es darum, fass der Täter durch physischen Zwang, also Wegsperren, an dem Begehen weiterer Straftaten gehindert wird. Bei der positiven Spezialprävention geht es darum, dem Täter seine kriminellen Neigungen abzuerziehen. Im Übrigen ist es auch denkbar, dass die Strafe den Täter von der Begehung weiterer Taten abschreckt. Bedeutung erlangte dabei die Theorie von Franz v. Liszt, der den Zweckgedanken im Strafrecht gewissermaßen neu entdeckte. Seine Ansatzpunkte waren dabei die Abschreckung, die Besserung und die Unschädlichmachung. Anknüpfungspunkte ist dabei der Typus des Täters.

Im Laufe der Zeit hat die Rechtsprechung auch den Gedanken der Spezialprävention in Form der Resozialisierung Bedeutung zugemessen. Dem Täter muss danach die Möglichkeit gegeben werden, sich wieder in die Gesellschaft eingliedern zu können. 

Ein Einwand gegen spezialpräventive Grundsätze ist, dass diese Lehre mit Tätern, die nicht resozialisierungsbedürftig sind, nichts anfangen kann. Grundsätzlich gilt es als unmöglich das Maß des spezialpräventiv Erforderlichen zu bestimmen. Dabei fehlt es regelmäßig an der hinreichenden Beurteilungsgrundlage, um beim einzelnen Täter die Gefahr eines Rückfalls zu ermitteln.

Abschließend kann man feststellen, dass die Theorie der Spezialprävention nicht geeignet ist, den Sinn der Strafe umfassend und abschließend zu erklären.

Davon abzugrenzen sind die Theorien zur Generalprävention. 

Die Generalprävention hat nahezu eine Renaissance erfahren. Zweck der Strafe ist danach die Einwirkung der Allgemeinheit, die entweder durch Abschreckung (negative Generalprävention) oder durch Einübung von Rechtstreue (positive Generalprävention) erfolgen kann.

Paul Johann Anselm v. Feuerbach entwickelte damit im Rahmen der negativen Generalprävention die Theorie des psychologischen Zwangs. Die Theorie umfasst die Überlegung, dass der Straftäter zum Verbrechen hingedrängt und ihm die Androhung der Strafe so viel Unlustgefühl vermittelt, dass die Motive, die gegen eine Begehung der Tat sprechen, überhandnehmen. Voraussetzung ist dann, dass jeder Bürger die Strafgesetze versteht. Dafür müssen die Gesetze möglichst klar gefasst sein, hinreichend bestimmt und mit abschreckenden Strafandrohungen versehen sein. 

Dabei ist jedoch kritisch zu betrachten, dass diese Theorie nur dann funktioniert, wenn das menschliche Verhalten überhaupt auf diese Art und Weise beeinflusst werden kann. Im übrigen finden viele Straftaten nicht geplant und abgewogen, sondern spontan statt. Der Täter hat also gar nicht die Zeit sich zu überlegen, ob die mögliche Strafe abschreckend wirkt oder nicht.

Bei der Lehre von der positiven Generalprävention erfolgt Prävention nicht durch Abschreckung, sondern durch Einübung von Rechtstreue. Die Bereitschaft zur Normbefolgung lässt dann nach, wenn der Bürger merkt, dass andere die Norm verletzen können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.

3. Forderung nach höheren Strafen

Gerade im Bereich der Sexualstrafbarkeit werden immer mal wieder Stimmen nach einer höheren Bestrafung laut. Dabei spielt nicht nur der Vergeltungsgedanke eine Rolle, sondern auch eine mögliche Prävention vor weiteren Straftaten. 

Die Bundesregierung prüft in regelmäßigen Abständen, ob eine Strafschärfung Täter messbar von Straftaten abhält. Das Problem dabei ist, dass die Frage, ob eine Strafschärfung präventiv wirkt, sich nicht so einfach mit Fallzahlen beantworten lässt. Aufwendigerer Studien in diesem Bereich werden jedoch nicht unternommen.

Ob eine höhere Strafe also einen potenziellen Täter abschreckt, lässt sich dementsprechend nicht eindeutig bestimmen. Der Trend geht jedoch immer weiter in Richtung Erhöhung der Strafen und eine damit einhergehende Abschreckung möglicher Täter. Ob der gewünschte Effekt eintritt wird sich erst in der Zukunft zeigen.

[1] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 51.
[2] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 53.
[3] BVerfG, Beschluss v. 04.07.1967 – 2 BvL 10/62, NJW 1967, 1748 (1748).
[4] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 58.
[5] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 58.
[6] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 59.
[7] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn.60.
[8] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 61.
[9] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 63.
[10] BVerfG, Beschluss v. 27.11.2008 – 1 BvQ 46/08, NJW 2099, 350 (350).
[11] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 64.
[12] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 65.
[13] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 66.
[14] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn.67.
[15] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 68.
[16] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 70.
[17] Joecks/Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, Einleitung, Rn. 71.
[18] Sehl, in: Schrecken schärfere Strafen wirklich ab?, https://www.lto.de/recht/justiz/j/strafen-strafrecht-praevention-abschreckung-wirkung-stgb-bmjv-sexueller-missbrauch/, abgerufen am 16.10.20.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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