Dem Tötungsvorsatz steht es nicht entgegen, wenn der Täter sich durch seine Handlung selbst gefährdet. Es kann zwar dafür sprechen, dass der Täter auf einen guten Ausgang vertraut hat. Dies gilt aber nur, wenn die Verhaltensweise nicht von vornherein darauf angelegt ist, eine andere Person zu verletzen oder einen Unfall herbeizuführen. Der BGH musste sich in einer aktuellen Entscheidung aus März 2023 mit der Frage beschäftigen, ob ein heimtückischer Mord zu bejahen ist, wenn der Täter einen schweren Unfall provoziert, bei dem er selbst Fahrer des Unfallwagens war.
Der Sachverhalt
Der Angeklagte fasste den Entschluss seine Ehefrau zu töten. Denn er nahm an, sie unterhalte Kontakte zu einem anderen Mann, weshalb er eifersüchtig war. Außerdem befürchtete er, sie könne ihn mit den Kindern verlassen. Auch missfiel ihm der westliche Lebens- und Kleidungsstil seiner Ehefrau. Schließlich hatte ihn verärgert, dass die Ehefrau am Vorabend des Tattags seinen Wunsch nach Geschlechtsverkehr zurückgewiesen hatte.
Am Vormittag des Tattags blieb der Angeklagte seiner Arbeitsstätte fern. Er erklärte seiner Ehefrau, die die Kinder zur Schule und zum Kindergarten gebracht hatte, er wolle mit ihr in eine andere Stadt fahren um dort einen PKW für sie zu kaufen und abzuholen. Dabei küsste und umarmte er sie, um sie in Sicherheit zu wiegen.
Der wahre Anlass der Tat lag hingegen darin, dass der Angeklagte seine Ehefrau töten wollte und dabei ausnutzen wollte, dass sie sich keines Angriffs auf ihr Leben versah und deshalb ihre Abwehrmöglichkeiten beschränkt waren. Sodann fuhren der Angeklagte und seine Ehefrau los, wobei der Angeklagte Fahrer des Fahrzeugs war und das Fahrzeug auf eine Autobahnauffahrt lenkte. Auf der Autobahn fahrend gerieten der Angeklagte und seine Ehefrau in einen Streit. Infolgedessen erhöhte der Angeklagte die Geschwindigkeit des Fahrzeugs auf 155 km/h.
Der Angeklagte, der zuvor ausschließlich die linke Spur befahren hatte, zog nunmehr auf die rechte Spur auf der sich ein Sattelzug mit einer maximalen Geschwindigkeit von 85 km/h befand. In der Absicht, seine Ehefrau zu töten, und in dem Wissen um die Lebensgefährlichkeit seines Tuns fuhr der Angeklagte mit einer Geschwindigkeit von 155 km/h so auf den LKW auf, dass der PKW mit der Front der Beifahrerseite auf das linke Heck des Sattelaufliegers prallte. Hierdurch wurde das Fahrzeug des Angeklagten erheblich beschädigt. Der Motorblock wurde herausgeschleudert und geriet in Brand. Der Wagen kam schließlich rechts neben dem Seitenstreifen zum Stehen.
Als der Angeklagte erkannte, dass seine Ehefrau den Aufprall überlebt hatte und sein Vorhaben nicht mehr durchführbar war, schlug er ihr aus Verärgerung zweimal mit der Faust gegen den Brustkorb. Die Frau erlitt körperliche Verletzungen, aufgrund derer sie zwei Tage stationär in einem Krankenhaus aufgenommen wurde. Außerdem entwickelte sie eine posttraumatische Belastungsstörung und eine schwere depressive Episode. Der Angeklagte wurde leicht verletzt und verließ das Krankenhaus, ohne sich nach dem Gesundheitszustand seiner Frau zu erkundigen.
Das Landgericht Ansbach hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Dagegen wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügte.
Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Gründe
Das Landgericht hat zutreffende Feststellungen getroffen.
Insbesondere wurde festgestellt, dass heimtückisch handelt, wer die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung bewusst zur Tötung ausnutzt. Arglos ist ein Opfer, das sich keines erheblichen Angriffs gegen seine körperliche Unversehrtheit versieht.
Die Arglosigkeit führt zur Wehrlosigkeit, wenn das Opfer aufgrund der Überraschung durch den Täter in seinen Abwehrmöglichkeiten so erheblich eingeschränkt ist, dass ihm die Möglichkeit genommen wird, dem Angriff auf sein Leben erfolgreich zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Das ist der Fall, wenn das Opfer daran gehindert ist, sich zu verteidigen, zu fliehen, Hilfe herbeizurufen oder in sonstiger Weise auch durch verbale Äußerungen auf den Täter einzuwirken, um den Angriff zu beenden. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ist grundsätzlich der Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs, also der Eintritt des Tötungsdelikts in das Versuchsstadium.
Dies gilt indes nicht uneingeschränkt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einer von langer Hand geplanten und vorbereiteten Tat das heimtückische Vorgehen iSd § 211 II StGB auch in Vorkehrungen liegen kann, die der Täter ergreift, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, sofern diese bei der Ausführung der Tat noch fortwirken. Wird das Tatopfer in einen Hinterhalt gelockt oder ihm eine raffinierte Falle gestellt, kommt es daher nicht mehr darauf an, ob es zu Beginn der Tötungshandlung noch arglos war. Infolge seiner Arglosigkeit wehrlos ist dann auch derjenige, der in seinen Abwehrmöglichkeiten fortdauernd so erheblich eingeschränkt ist, dass er dem Täter nichts Wirkungsvolles mehr entgegenzusetzen vermag.
Dies war im vorliegenden Fall gegeben. Die Ehefrau des Angeklagten ist arglos in das Auto gestiegen. Damit hat er sie planmäßig in eine bis zur Tatbegehung fortdauernde Lage gebracht, in der ihre Möglichkeiten eingeschränkt waren, einen Angriff auf ihr Leben durch einen absichtlich herbeigeführten Verkehrsunfall abzuwenden. Dies nutzte er bei der Herbeiführung der Kollision bewusst aus.