Das Gesetz schreibt vor, dass wenn jemand eine Straftat nur versucht und sie nicht vollendet, ihm die Möglichkeit gegeben wird, von dem Versuch strafbefreiend zurückzutreten. An diesen strafbefreienden Rücktritt sind aber strenge Voraussetzungen geknüpft. Sinn und Zweck des Rücktritts ist es, dem Täter einen Anreiz zu geben, in das straffreie Miteinander zurückzukehren und die Tat nicht unter allen Umständen zur Vollendung zu bringen.
Damit der Rücktritt strafbefreiend wirken kann, muss der Rücktritt freiwillig vorgenommen worden sein. Für die Bewertung einer freiwilligen Vollendungsverhinderung beim beendeten Versuch (§ 24 I 1 Alt. 2 StGB) ist entscheidend, ob der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ bleibt und auf der Grundlage einer willensgesteuerten Entscheidung die Vollendung der Tat verhindert; daran kann es fehlen, wenn gerade die seelische Erschütterung des Täters ein zwingender Grund für die Verhinderung des Erfolgseintritts ist.
Der BGH hat nunmehr in einer aktuellen Entscheidung Maßgaben aufgestellt, anhand derer ein Rücktritt freiwillig vorgenommen wurde und so strafbefreiend wirken konnte.
Der Sachverhalt
Nach den landgerichtlichen Feststellungen entwickelte der sozial weitgehend isoliert lebende und intelligenzgeminderte Angekl. jedenfalls zum Ende des Jahres 2021 eine Vorliebe für Pornografie mit Gewaltbezug sowie mit nekrophilen Inhalten. Er konsumierte fortan ausschließlich Pornofilme, in denen Frauen zunächst erschlagen oder erschossen wurden und deren Leichname sodann sexuell missbraucht wurden. Den Angekl. stimulierte das Gefühl von Macht und Kontrolle. Er empfand dieses als Genugtuung und Ausgleich für die von ihm seit Jahren gefühlte Zurückweisung durch Frauen. Seine sich ständig steigernden Gewaltfantasien spitzten sich in der Folge weiter zu. Die Umsetzung seines Lebensplans, eine Familie bis zum 35. Lebensjahr zu gründen, sah er als endgültig gescheitert an.
Am Tattag war dem Angeklagten mit seinem Kollegen von seinem Arbeitgeber aufgegeben worden, das Fenster der Nebenklägerin auszutauschen.
Als der Angeklagte mit der Nebenklägerin alleine in der Wohnung war, überkam den Angeklagten rasch immer stärker werdende sexuelle Gewaltfantasien. Er entschloss sich, die Nebenklägerin mit einem Hammer zu töten, um anschließend an ihr den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Nachdem sich der Angeklagte von der Nebenklägerin weitere Räume zeigen ließ und ihr den Vortritt gelassen hatte, schlug er ihr von hinten wuchtig mit der stumpfen Schlagseite des Hammers auf den Kopf.
Die Nebenklägerin stürzte und versuchte zu entkommen. Der Angeklagte hielt sie fest und versetzte ihr mehrere weitere Schläge mit dem Hammer. Eine durch die Schläge aufgetretene Erektion ließ angesichts des für ihn unerwartet massiven Verletzungsbildes nach, und er ließ von der Nebenklägerin ab, ohne sexuelle Handlungen vorzunehmen. Dabei ging er davon aus, dass die Nebenklägerin ohne sofortige Hilfe an ihren schweren Verletzungen versterben werde. Der Angeklagte begab sich sodann in das Badezimmer und reinigte seine Hände sowie den Hammer. Hier wurden ihm die Ausweglosigkeit seiner Lage und die ihm – als bislang Unbestraftem – drohenden sozialen, beruflichen und strafrechtlichen Konsequenzen bewusst. Er geriet in einen Schockzustand, verließ die Wohnung und zog die Wohnungstür ins Schloss. Vor dem Wohnhaus lief er ziellos auf und ab. Er war aus Sorge um seine Zukunft nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, und suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Spontan kam ihm die Idee, den Tatverdacht auf einen vermeintlichen Einbrecher zu lenken und dessen Verfolgung vorzutäuschen. Er warf den Hammer in ein Gebüsch und rief, um seine Geschichte glaubhaft zu machen, laut: „Wo ist der Wichser“. Sodann forderte er – weiterhin aus panischer Angst um seine Zukunft – zwei Zeuginnen auf, für eine von einem Einbrecher verletzte Frau Hilfe zu holen; diese benötige einen Krankenwagen. Wenig später setzte die Zeugin einen Notruf ab. Der Angeklagte handelte dabei „nicht aus freien Stücken“, sondern „aufgrund eines inneren seelischen Drucks“. Auch nach Absetzen des Notrufs spiegelte der Angeklagte vor, er würde den Täter suchen. Wenig später nahm er wahr, dass Zeugen die Nebenklägerin aus der Wohnung trugen und medizinisch versorgten, weshalb er erneut einen Zeugen ansprach, ob der Notruf schon abgesetzt sei, sodass ein weiterer Notruf abgesetzt wurde.
Die Entscheidung des BGH
Für die Bewertung einer freiwilligen Vollendungsverhinderung beim beendeten Versuch sind grundsätzlich dieselben rechtlichen Maßstäbe anzulegen. Entscheidend ist auch in diesen Fällen, ob der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ bleibt und auf der Grundlage einer willensgesteuerten Entscheidung die Vollendung der Tat verhindert. Daran kann es im Ausnahmefall fehlen, wenn gerade die seelische Erschütterung des Täters ein zwingender Grund für die Verhinderung des Erfolgseintritts war. Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte die Rettungskette gezwungenermaßen begonnen und nicht freiwillig in Gang gesetzt. Bei der zum Zeitpunkt der Ansprache von Zeugen vorliegenden akuten Belastungsreaktion hatte sich eine so große panische Angst und ein großer innerer Druck aufgebaut, dass er zu selbstbestimmtem Handeln nicht mehr in der Lage war.