Raub mit Todesfolge bei Behandlungsabbruch

Beitrag teilen

Eine Person, die eine Gehhilfe benutzt.

Bei einem Raub denken wohl die meisten an einen klassischen Tatort-Tankstellenraub, bei dem der Täter den Kassierer mit einer Waffe bedroht und anschließend mit dem ganzen Geld die Tankstelle wieder verlässt. 

Tatsächlich gibt es aber so viel mehr Möglichkeiten, wie eine Straftat zu einem Raub wird. Besonders tragisch ist es immer dann, wenn durch den Raub Menschenleben zerstört werden.

 

1. Aktueller Fall

Die an Niereninsuffizienz und Diabetes leidende 84-jährige Dame war am Tattag zu Fuß unterwegs. Dabei hob sie 600€ von ihrer Bank ab. Das Geld verstaute sie in ihrer Handtasche, die sie in den Korb ihres Rollators legte, wobei sie einen Gurt um den Rollatorgriff führte. Auf dem Heimweg näherte sich der Angeklagte von hinten auf seinem Fahrrad. Obwohl er die Fixierung der Tasche am Rollator erkannte, ergriff er sie und zog so kräftig an ihr, dass seinem Opfer die Gehhilfe entglitt, sie das Gleichgewicht verlor und ungebremst mit dem Kopf auf das Pflaster aufschlug.
Mit der Handtasche entfernte sich der Angeklagte vom Tatort. 

Die Geschädigte erlitt durch den Sturz ein Schädel-Hirn-Trauma mit einer massiven subduralen Blutung. Sechs Tage nach der Tat musste mangels Besserung zur Druckentlastung unter Vollnarkose operiert werden. Nach der OP erlangte sie aufgrund des Blutverlustes und der Vorerkrankungen das Bewusstsein nicht wieder. Trotz weiterer Behandlungsversuche verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Patientin in den nächsten vier Tagen weiter, sodass die behandelnden Ärzte zusammen mit den Angehörigen in Übereinstimmung mit einer entsprechenden Patientenverfügung beschlossen, sie nur noch palliativ zu behandeln. 13 Nach der Tag verstarb die Dame. 

Das Landgericht hat festgestellt, dass es sich bei der Tat um einen Raub mit Todesfolge gem. § 251 StGB handelt.

2. Lösungsvorschläge

Einigkeit besteht darüber, dass der Unterlassende gerechtfertigt ist, wenn er bei nicht kumulativ erfüllbaren Handlungspflichten die höherwertige oder eine gleichwertige Handlungspflicht erfüllt und dadurch eine oder mehrere Handlungspflichten verletzt.

Zu Gunsten des Hilfspflichtigen greift der ungeschriebene Rechtfertigungsgrund der rechtfertigenden Pflichtenkollision ein.

Damit eine Behandlungspflicht entsteht muss eine bestimmte Maßnahme indiziert und vom Willen des Patienten getragen sein. Im Rahmen einer Corona-Behandlung ist umstritten inwieweit Patienten von einer frühen invasiven Beatmung profitieren. Für nachfolgende Überlegungen ist davon auszugehen, dass der Einsatz von einer Herz-Lungen-Maschine medizinisch indiziert gewesen ist und es dem Willen der Patienten entsprach. 

 

Grundsätzlich muss zwischen den Patienten eine gewisse Gleichwertigkeit der Behandlungspflicht bestehen. Ist dies der Fall hat der behandelnde Arzt ein Wahlrecht, das nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften anhand des Kriteriums der klinischen Erfolgsaussichten ausgeübt werden soll.

Problematisch wird es dann, wenn man die Frage aufwirft, ob die Ärzte ihr Verhalten am Merkmal der klinischen Erfolgsaussichten ausrichten müssen. Den Gremienempfehlungen zu Covid-19 kommt keine Rechtsverbindlichkeit zu, sodass das Maß des Zulässigen grundsätzlich noch erweitert werden kann. 

Angesichts der strukturellen Verknüpfung von Rettungspflichten und Rettungsinteressen bilden die in § 34 StGB normierten Abwägungsfaktoren die Grundlage der Wertigkeitsbestimmung. Die Rettungspflichten wären aufgehoben, wenn die Interessen des Opfers diejenigen seines „Konkurrenten“ „wesentlich“ überwiegen.

 

Hinsichtlich des Kriteriums der Erfolgsaussichten ist kritisch zu hinterfragen, ob die verfassungsrechtliche Bewertung des menschlichen Lebens als abwägungsfester Höchstwert der Berücksichtigung dieses Kriteriums entgegensteht. Nach Ansicht des deutschen Ethikrates verbietet der Grundsatz der Lebenswertdifferenz allen staatlichen Adressaten jede unmittelbare oder mittelbare Unterscheidung nach Wert oder Dauer des Lebens. Im Gegensatz dazu schlägt die Medizin vor als Ziel zu manifestieren möglichst viele Patienten zu retten. 

Strafrechtlich betrachtet ist allein entscheidend, ob die Erfolgsaussicht ein rechtlich bindendes Vorrangkriterium darstellt. Dass der Gesetzgeber die Erfolgsaussicht möglicherweise zu einem relevanten Abwägungsfaktor bezüglich der Zuteilung von Beatmungsplätze erheben dürfte, bedeutet nicht, dass sie auch bereits de lege lata als Vorrangskriterium agiert.


Die Fallgruppe der zeitlichen Reihenfolge („first come, first served“) stellt hingegen keinen rangbestimmenden Faktor dar. Dieses Prinzip ist letztlich eine Variante des Zufallsprinzips.

2. Entscheidung des BGH

Der BGH hat den Feststellungen des Landgerichts Recht gegeben. Entscheidend bei der Frage, ob der Tatbestand des § 251 StGB vorliegt ist, ob ein gefahrspezifischer Zusammenhang zwischen dem vom Angeklagten begangenen Raub und dem Tod des Verstorbenen vorliegt.

Typischer Fall des § 251 StGB ist es, wenn der Täter einen Raub begeht und durch die Gewaltausübung dabei einen Menschen tötet. Besonders im vorliegenden Fall ist es, dass das Opfer gestorben ist, nachdem die Behandlung der Verletzungen abgebrochen wurde. 

Der BGH begründet seine Entscheidung auch im vorliegenden Fall den § 251 StGB zu bejahen damit, dass die deutlich erhöhte Strafandrohung des § 251 StGB wenigstens eine leichtfertige Todesverursachung durch die Tat nötig macht. Eine leichtfertige Todesverursachung ist dann anzunehmen, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie gegeben ist, sondern sich im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand einhergehen. § 251 StGB ist dem darin enthaltenen Unrecht ist nur dann genügt, wenn sich die im Raub innewohnende Gefahr für die betroffenen Rechtsgüter in einer über den bloßen Ursachenzusammenhang hinausgehenden Weise in der Todesfolge niedergeschlagen hat. Der notwendige qualifikationsspezifische Zusammenhang ist auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eine eigen besondere Gefährlichkeit verwirklicht. Danach liegt regelmäßig ein Raub vor, wenn der Tod des Opfers unmittelbar durch eine Nötigungshandlung bewirkt wird, die der Ermöglichung der Wegnahme dient. 

Dieser Risikozusammenhang kann jedoch dann unterbrochen sein, wenn die tödliche Folge erst durch das Eingreifen Dritter oder durch ein eigenverantwortliches Handeln des Opfers selbst herbeigeführt wurde. Dies führt allerdings nicht dazu, dass § 251 StGB immer dann ausgeschlossen ist, wenn die tödliche Folge nicht unmittelbar durch die im Rahmen der Nötigung eingesetzte Gewalt, sondern erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände herbeigeführt wird. Bei der Bewertung, ob ein solch eine Situation vorliegt, ist das Gewicht und die Bedeutung des Eingriffs für den weiteren Geschehensablauf in Betracht zu ziehen. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob die Realisierung der spezifischen Todesgefahr durch das Eingreifen des Opfers nur beschleunigt oder dadurch erst geschaffen wurde.

251 StGB ist als erfolgsqualifiziertes Delikt eine jedenfalls fahrlässige Herbeiführung der schweren Folge verlangt, muss deren Eintritt objektiv voraussehbar, also nach der Lebenserfahrung erwartbar sein.

Vorliegend hat der Angeklagte mit dem Entreißen der Handtasche die spezifische Todesgefahr realisiert.
Dieser Zurechnungszusammenhang ist in der Folge nicht durch andere Ursachen unterbrochen worden.
Die Vorerkrankung des Opfers und die durchgeführte Operation steht dem Gefahrenzusammenhang nicht in Frage. Der im Krankenhaus unternommene Behandlungsversuch wurde mit dem Ziel durchgeführt, der Risikoverwirklichung Einhalt zu gebieten. Dass diese Behandlung fehlschlug, beruhte nicht auf einem eigenständigen neuen Risiko. Vielmehr war ein möglicher tödlicher Ausgang der medizinisch indizierten und lege artis durchgeführten Operation bereits zum Zeitpunkt der Tat angelegt.
Das Opfer einer Gewalttat, das ärztliche Hilfe nicht in Anspruch nimmt, setzt damit keine neue Ursache für ein solches Versterben, sondern wirkt nur dem vom Täter gesetzten tödlichen Risiko nicht entgegen. Auch die Patientenverfügung unterbricht den Risikozusammenhang nicht.

Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass eine Strafbarkeit nach § 251 StGB auch dann möglich ist, wenn Handlungen zwischen der ursprünglichen Tat und dem Erfolgseintritt dazwischentreten. 

 

[1] BGH, Beschluss v. 17.03.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 4.
[2] BGH, Beschluss v. 17.03.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 5.
[3] BGH, Beschluss v. 17.03.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 6.
[4] Sander, in: MüKO zum StGB, § 251, Rn. 6.
[5] BGH, Beschluss v. 17.03.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 7.
[6] BGH, Urteil v. 15.05.1992 – 3 StR 535/91, NJW 1992, 2103 (2104).
[7] BGH, Urteil v. 29.06.1983 – 2 StR 150/83, NJW 1984, 621 (622).
[8] BGH, Beschluss v. 8.7.2008 – 3 StR 190/08, NStZ 2009, 92 (93).
[9] BGH, Beschluss v. 17.03.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 8.
[10] BGH, Urteil v. 12.02.1992 – 3 StR 481/91, NStZ 1992, 333 (335).
[11] BGH, Urteil v. 30.06.1982 – 2 StR 226/82, NJW 1982, 2831 (2832).
[12] BGH, Beschluss v. 17.03.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 12.
[13] BGH, Beschluss v. 17.03.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 13.
[14] BGH, Beschluss v. 17.03.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 15.
[15] BGH, Beschluss v. 17.03.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 17.

Suche

Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

Letzte Beiträge

Like

Cookie-Einstellungen