BGH-Rechtsprechung zum Mordmerkmal der Heimtücke

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Ein Mann mit Hosenträgern raucht eine Pfeife.

BGH-Rechtsprechung zum Mordmerkmal der Heimtücke

Entgegen der weitverbreiteten Ansicht in der Gesellschaft ist ein Mord nicht einfach nur ein vorsätzlicher Totschlag. Auch ein Totschlag muss vorsätzlich begangen werden. Soll der Täter wegen Begehung eines Mordes verurteilt werden, muss das Gericht besondere Mordmerkmale feststellen. Weil aber die Feststellung der Mordmerkmale nicht immer ganz leicht ist, kommt es immer mal wieder zu Überprüfungen der landgerichtlichen Urteile durch den BGH. 

 

Sachverhalt

 

Der Angeklagte litt bereits seit vielen Jahren an einer chronifizierten paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, die aufgrund der hohen sozialen Kompetenz des Angeklagten von seinem beruflichen und familiären Umfeld als solche unbemerkt blieb. In Folge seiner Erkrankung entwickelte der Angeklagte die Wahnvorstellung, seine zuletzt von ihm getrenntlebende Ehefrau intrigierte im Familienkreis gegen ihn und wolle ihn vergiften. 

 

Am Tattag hielt sich der Bruder des Angeklagten mit seiner Ehefrau, dem späteren Opfer, und den Kindern zu Besuch bei der Ehefrau des Angeklagten und den gemeinsamen Kindern in deren Wohnung auf. Von dem Besuch, der von den Beteiligten planmäßig vor dem Angeklagten verdeckt wurde, hatte der Angeklagte keine Kenntnis. 

 

Gegen Abend fasst der Angeklagte den Entschluss, die ihm aus seiner Sicht von seiner Ehefrau drohende Gefahr zu beenden. Er nahm eine mit sechs Patronen geladene Pistole, einen Teleskopschlagstock sowie einen Nachschlüssel für die Wohnung seiner Ehefrau an sich und fuhr zur Wohnung seiner Ehefrau. Der Angeklagte war gewillt, seine Frau mit seinem Verdacht zu konfrontieren, diese wolle ihn vergiften und spinne seit Jahren eine Intrige gegen ihn, um ihm zu schaden und die Familie gegen ihn aufzubringen. Er nahm sich dabei vor, für den Fall, dass er die von ihr ausgehende Gefahr nicht anders beenden kann, seine Frau zu töten, wie er es gedanklich schon mehrere Male zuvor durchgespielt hatte. Dabei beabsichtigte er, den Nachschlüssel und auch die Waffen für seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder unerwartet einzusetzen und das hieraus ergebende Überraschungsmoment für die Tat auszunutzen. 

Am Wohngebäude der Ehefrau angekommen gelangte der Angeklagte, der die Waffe schussbereit hinter dem Rücken im Hosenbund verborgen hatte und den Schlagstock versteckt in der Bekleidung trug, in den Hausflur und klingelte an der Wohnungstür. Auf das Klingeln trat einer der Söhne des Angeklagten an die Wohnungstür und sah durch den Türspion seinen Vater, dessen Bewaffnung für ihn nicht erkennbar war. Ohne die Wohnungstür zu öffnen, kehrte der Sohn zurück ins Wohnzimmer, wo sich alle weiteren Personen aufhielten und berichtete davon, dass sein Vater vor der Tür stünde. Für die Personen in der Wohnung unerwartet, öffnete der Angeklagte mit seinem Nachschlüssel die Wohnung, betrat den Flur der Wohnung und drängte in das Wohnzimmer, was sein Sohn und der Bruder des Angeklagten durch Zudrücken der Wohnzimmertür vergeblich versuchten zu verhindern. 

 

Durch die geöffnete Wohnzimmertür nahm der Angeklagte wahr, dass sich neben seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern auch sein Bruder und dessen Ehefrau befanden. Dass sowohl sein Bruder, als auch dessen Ehefrau anwesend waren, nahm der Angeklagte als Bestätigung seiner Befürchtung, dass seine Frau gegen ihn integrieren würde, wahr und nahm an, dass auch sein Bruder und seine Frau Teil der Verschwörung seien. 

 

Der Angeklagte griff mit einer Hand nach seinem Bruder und forderte ihn auf, mit ihm nach draußen zu kommen. Der Bruder, der davon ausging, dass der Angeklagte sich mit ihm schlagen wolle, verweigerte das Mitkommen. Dann trat die Ehefrau des Bruders auf die beiden Männer zu, um diese zu trennen, was den Angeklagten in Rage versetzte. Aus Wut über die vermeintliche Intrige entschloss der Angeklagte sich nunmehr dazu seinen Bruder und dessen Ehefrau zu töten. Er zog die Pistole aus seinem Hosenbund und richtet sie auf seine Schwägerin und schoss ihr in den Brustkorb, wodurch sie, wie von ihm beabsichtigt, tödliche Verletzungen erlitt. Sodann richtete der Angeklagte die Pistole auf seinen Bruder und schoss. Dieser erlitt jedoch lediglich einen oberflächennahen Durchschuss ohne konkret lebensbedrohliche Verletzungen. Beide Schüsse gab der Angeklagte in dem Bewusstsein ab, dass seine Opfer nicht mit einem Angriff auf ihre Leben mittels Schusswaffe gerechnet hatten. 

Unmittelbar danach gelang es den Anwesenden den Angeklagten zu überwältigen. 

 

Das Landgericht Bielefeld hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit versuchten Mord und mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Dagegen legte der Angeklagte Revision ein. 

 

Gründe

Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg. 

Das Landgericht war erstinstanzlich von einem unrichtigen Verständnis des Mordmerkmals der Heimtücke ausgegangen. 

Heimtückisch handelt, wer in feindseliger Willensrichtung die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit bewusst zur Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen Angriff rechnet. Dabei ist nicht maßgeblich, ob das Opfer gerade einen Angriff gegen das Leben erwartet oder es die Gefährlichkeit des drohenden Angriffs in ihrer vollen Tragweite überblickt.

In diesem Fall war ausschließlich maßgeblich, ob die Tatopfer zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte mit Tötungsvorsatz die Waffe aus dem Hosenbund zog, jeweils irgendwie geartete erhebliche tätliche Angriffe gegen ihre Person erwarteten. Das Landgericht war davon ausgegangen, dass es ausreichend ist, dass sie nicht mit einem bewaffneten oder sonst lebensbedrohenden Angriff des Angeklagten rechneten. Nach Ausführungen des BGH sind demnach die Erläuterungen des Landgerichts nicht ausreichend um das Mordmerkmal der Heimtücke ausreichend zu bejahen.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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