Der BGH und die mörderischen Ku’damm Raser - Teil 2
Nachdem das Berliner Landgericht die beiden Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt hatte, haben beide erfolgreich Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt und die Sache wurde zurückverwiesen. Nunmehr musste das Landgericht Berlin erneut entscheiden.
Auch beim zweiten Anlauf verurteilte das Landgericht Berlin die beiden Angeklagten jeweils wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslanger Freiheitsstrafe.
Dabei hat das LG erneut festgestellt, dass die Angeklagten mehrere rote Lichtzeichen und mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit fuhren. Dem Angeklagten H war ab einem gewissen Zeitpunkt bewusst, dass er die Geschwindigkeit noch weiter steigern und damit das Risiko erhöhen musste um das Rennen überhaupt noch gewinnen zu können. Er beschloss statt an der roten Ampel zu bremsen, was ihm zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre, weiterhin Vollgas zu geben. Dabei war ihm durchaus bewusst, dass trotz der nächtlichen Uhrzeit noch Pkw-Verkehr herrschte und er kreuzende PKWs erst zu spät sehen könnte. Er hielt es für möglich, dass im Falle einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug, er aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit das andere Fahrzeug wegstoßen könnte und deren Insassen zu Tode kommen könnten.
Der Angeklagte N erkannte, dass der Angeklagte H das Rennen unter allen Umständen fortführen wollte und gab ebenfalls Vollgas. In der Kreuzung kollidierte das Fahrzeug des Angeklagten H mit dem Wagen des Geschädigten W, welcher noch am Unfallort verstarb.
Gegen dieses Urteil wandten sich die Angeklagten erneut mit einer Revision. Über diese Revision wurde im Juni 2020 entschieden.
Die Revision des Angeklagten H wurde verworfen. Der Schuldspruch wurde jedoch dahingehend geändert, dass der Angeklagte H des Mordes in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig ist.
Die Revision des Angeklagten N hat hingegen Erfolg.
Die Erwägungen des LG Berlin zu einer mittäterschaftlichen Tatbegehung durch den Angeklagten N halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Eine Mittäterschaft setzt gem. § 25 Abs. 2 StGB einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Dabei ist eine konkludente Übereinkunft ausreichend und muss nicht ausdrücklich vereinbart werden.
Ein mittäterschaftlich begangenes Tötungsdelikt setzt voraus, dass der gemeinsame Tatentschluss auf die Tötung eines Menschen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken gerichtet ist.
Das LG hat dazu ausgeführt, dass der gemeinsame Tatentschluss eine Erweiterung erfahren habe, als beide die Kurve an der Gedächtniskirche durchfahren hätten. Zunächst habe der Angeklagte H den Tatentschluss gefasst, das Rennen um jeden Preis zu gewinnen. Dies habe der Angeklagte N erkannt und H zu erkennen gegeben, dass auch er sein Rennen fortsetzen und den Tod von Menschen in Kauf nehmen wolle. Beide haben bis zu dem Zeitpunkt der Kollision die Tatherrschaft über das Geschehen gehabt.
Der BGH rügt, dass das LG sich nur mit dem Vorsatz des Angeklagten N auf seine eigene Tat auseinandergesetzt, nicht aber auf den gemeinsamen Tatentschluss. Das LG stellt nur die Behauptung auf, dass ein gemeinsamer Tatentschluss vorgelegen hat. Belegt wird diese Aussage jedoch nicht. Auch aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe des LG lässt sich nicht entnehmen, weshalb auf einen erneuten gemeinsamen Tatentschluss nach Passieren der Kurve hinter der Gedächtniskirche geschlossen wird. Es lag nur eine sehr kurze Zeitspanne zwischen Passieren der Kurve und Einfahren in die Unfallkreuzung, sodass eine auf das Töten von Menschen erweiterten gemeinsamen Tatentschlusses ebenfalls fernliegt.
Wenn einer der Beteiligten, nachdem er sich zu der Tatbeteiligung entschlossen hat, die Tatausführung nicht mehr fördern kann, weil die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs schon alles getan ist und sein Tun deshalb auf den weiteren Ablauf des Geschehens ohne Einfluss bleibt, kommt eine mittäterschaftliche Mitwirkung trotz Kenntnis nicht in Betracht.
Nach den Feststellungen des LG war es dem Angeklagten N noch möglich eine unfallvermeidende Bremsung durchzuführen, als er sich bewusst dazu entschied, die Weiterführung des Rennens anzunehmen. Dies ist jedoch angesichts der deutlich höheren Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Angeklagten H und der kurzen Zeitspanne bis zum Unfall nicht offensichtlich.
Demnach ist eine mittäterschaftliche Verurteilung des Angeklagten N nicht ausreichend begründet und wurde vom BGH zurück ans LG verwiesen.
3. Fazit
Das Berliner Raserurteil ist mittlerweile das dritte Mal zurückverwiesen worden und hat in der Zwischenzeit schon viele Richterinnen und Richter am Landgericht wie auch am BGH beschäftigt. Die Entscheidung des LG Berlin galt damals als mutige Entscheidung und bahnbrechend. Heutzutage wurde ein extra für die Raserfälle ein neuer Paragraph geschaffen, damit genau diese Probleme nunmehr gesetzlich festgehalten sind. Der neue § 315 d StGB umfasst dabei nicht nur das Teilnehmen an illegalen Autorennen oder das Organisieren, sondern auch den Fall, dass Menschen bei illegalen Autorennen zu Schaden kommen oder sogar getötet werden.
[1] Nachfolgend als LG Berlin abgekürzt.
[2] BGH, Urteil v. 18.06.2020 – 4 StR 482/19, NJW 2020, 2900 (2900 Rn. 4).
[3] BGH, Urteil v. 18.06.2020 – 4 StR 482/19, NJW 2020, 2900 (2900 Rn. 5).
[4] Nachfolgend als BGH abgekürzt.
[5] BGH, Urteil v. 18.06.2020 – 4 StR 482/19, NJW 2020, 2900 (2900).
[6] BGH, Urteil v. 18.06.2020 – 4 StR 482/19, NJW 2020, 2900 (2902 Rn. 10.)
[7] BGH, Beschluss v. 13.09.2017 – 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40 (40).
[8] BGH, Urteil v. 18.06.2020 – 4 StR 482/19, NJW 2020, 2900 (2902 Rn. 11).
[9] BGH, Urteil v. 18.06.2020 – 4 StR 482/19, NJW 2020, 2900 (2902 Rn.12).
[10] BGH, Urteil v. 18.06.2020 – 4 StR 482/19, NJW 2020, 2900 (2902 Rn.15).
[11] BGH, Urteil v. 07.08.1984 – 1 StR 385/84, NStZ 1984, 548 (548).
[12] BGH, Urteil v. 18.06.2020 – 4StR 482/19, NJW 2020, 2900 (2903 Rn. 18.).