Erste Entscheidung zu Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge gem. § 315

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Eine Langzeitbelichtungsaufnahme einer Autobahn bei Nacht, die das rasante Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge einfängt.

Erste Entscheidung zu Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge gem. § 315

Das Berliner Raserurteil ist unter Juristen ausgesprochen bekannt und hoch umstritten. Immer wieder entschied das Landgericht auf Mord und der Bundesgerichtshof fand Fehler im Urteil oder der Beweisverwertung und verwies die Entscheidung zurück zum Landgericht. 

Weil die Tat, die von den Angeklagten dort begangen wurde, aber unbestritten schrecklich war, hat sich der Gesetzgeber entschieden einen neuen Paragrafen ins StGB einzuführen, der illegale Straßenrennen konkreter unter Strafe stellt. 

Deshalb gilt seit ca. drei Jahren nunmehr der § 315d StGB, bei dem nicht immer ein Mensch sterben muss oder dem Täter Vorsatz nachgewiesen werden muss. 

 

Sachverhalt

Der ersten Entscheidung zu dem neuen Paragrafen lag folgender Sachverhalt zugrunde: 

Der Angeklagte mietete sich am Tattag morgens einen Jaguar mit 550 PS, der innerhalb von 4,2 Sekunden von 0 auf 100 beschleunigen und eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h erreichen kann. Nachdem der Angeklagte schon den ganzen Tag halsbrecherisch durch die Stadt gefahren war, holte er gegen 23:30 Uhr einen Bekannten ab, um noch eine Runde zu drehen. Sie fuhren über die beleuchtete und vorfahrtsberechtigte Straße, auf der 50 km/h zulässig sind, zu einem Einkaufsmarkt. Zwischen dem Einkaufsmarkt und der späteren Unfallkreuzung verläuft eine langgezogene Rechtskurve. Hinter der Kurve kommen von rechts mehrere Stichstraßen, sowie über Linksabbiegerspuren in diese Stichstraßen einbiegen. Entlang der Straße sind zahlreiche Restaurants und ein Kino, sodass die Straße auch zu später Stunde noch belebt war. Nach Erreichen der Einkaufsmeile gab der Angeklagte Vollgas und beschleunigte sein Auto auf 163 km/h. Dabei waren ihm die örtlichen Verhältnisse gut bekannt. Kurz vor Erreichen der Unfallkreuzung bremste er in der Kurve leicht auf 150 km/h ab, um das Auto in der Kurve zu halten. Den hinter der Kurve befindlichen Kreuzungsabschnitt konnte er zu dem Zeitpunkt noch nicht sehen. Auf der gegenüberliegenden Fahrbahn wollte ein Zeuge nach links in die Stichstraße einbiegen. Als der Angeklagte den abbiegenden Zeugen erblickte, erkannte er, dass eine Vollbremsung eine Kollision mit dem Fahrzeug des Zeugen nicht würde verhindern können, weswegen er mit dem Fahrzeug nach links ausweichen und um den Zeugen herumfahren wollte. Bei diesem Lenkmanöver verlor der Angeklagte die Kontrolle über sein Fahrzeug, welches immer noch eine Geschwindigkeit von 138 km/h hatte und fuhr nach Überfahren einiger Bordsteinkanten mit mindestens 90 km/h seitlich in das Fahrzeug des Geschädigten, der gerade einen Parkplatz verlassen wollte. Am Unfallort starb der Geschädigte, sowie seine Beifahrerin. 

Das Landgericht Stuttgart konnte bei dem Angeklagten zunächst den erforderlichen Tötungsvorsatz nicht feststellen. Zwar wurde angenommen, dass der Angeklagte die Möglichkeit einer Kollision und damit auch eines Todeseintritts eines anderen Verkehrsteilnehmers für möglich gehalten hat, das Gericht nahm aber zu seinen Gunsten an, dass er auf seine fahrerischen Qualitäten vertraute und von daher pflichtwidrig davon ausging, einen Unfall vermeiden zu können. 

Dem stimmte auch der BGH zu.  

 

Entscheidung des BGH

Auch der BGH ist der Ansicht, dass sich kein Tötungsvorsatz bei den Angeklagten nachweisen lässt. 

Allerdings kann der Angeklagte wegen eines tateinheitlich begangenen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge gem. § 315d Abs. 5 StGB verurteilt werden. Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen ist der Grundtatbestand des § 315d StGB verwirklicht und weiter die einen vorsätzlichen konkreten Gefahrenerfolg voraussetzende Qualifikationsnorm des § 315d Abs. 2 StGB sowie die daran anknüpfende Erfolgsqualifikation des § 315d Abs. 5 StGB erfüllt. Mit der Einführung des § 315d StGB wollte der Gesetzgeber neben den Rennen mit mehreren Kraftfahrzeugen auch Fälle des schnellen Fahrens mit nur einem einzigen Fahrzeug erfassen, die über den Kreis alltäglich vorkommender, wenn auch erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitungen hinaustragen, weil der Täter mit einem Kraftfahrzeug in objektiver und subjektiver Hinsicht ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt.

Indem der Angeklagte die innerortsgelegene Straße mit einer Geschwindigkeit von 163 km/h entlangfuhr, bewegte er sich als Kraftfahrzeugführer mit unangepasster Geschwindigkeit fort. Seine Handlung stellte sich schon angesichts der massiven Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit als grob verkehrswidrig dar. Der Angeklagte handelte aus eigensüchtigen Motiven unter bewusster Hinwegsetzung über die berechtigten Belange anderer Verkehrsteilnehmer. Im Übrigen war die Beschleunigung des Fahrzeugs von der Absicht getragen, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. 

Der Angeklagte hat zudem den Qualifikationstatbestand des § 315d Abs. 2 StGB und die daran anknüpfende Erfolgsqualifikation gem. § 315d Abs. 5 StGB erfüllt, indem er eine vom Vorsatz umfasste konkrete Gefahrenlage für die Tatopfer schaffte, die sich für den Angeklagten vorhersehbar in deren Tod verwirklichte.

________________
[1] BGH, Beschluss v. 17.02.2021 – 4 StR 225/20, NJW 2021, 1173 (1173).
[2] BGH, Beschluss v. 17.02.2021 – 4 StR 225/20, NJW 2021, 1173 (1173 Rn. 11).
[3] BT-Drucks 18/12964, 5 f.
[4] BGH, Beschluss v. 17.02.2021 – 4 StR 225/20, NJW 2021, 1173 (1174 Rn. 19).
[5] BGH, Beschluss v. 17.02.2021 – 4 StR 225/20, NJW 2021, 1173 (1176 Rn. 20).

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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