Die Auferlegung von Kosten im Jugendstrafrecht

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Nahaufnahme in Schwarzweiß von Händen, die einen kleinen Stapel Münzen halten und zählen. Eine Hand ist offen und die Münzen liegen in der Handfläche, während die Finger der anderen Hand die Münzen durchsehen. Der Hintergrund ist dunkel.

Kommt es zu einem Gerichtsprozess, entstehen Kosten. Zum einen entstehen Kosten für beispielsweise einen Pflichtverteidiger und zum anderen Gerichtskosten. Diese Kosten können von der Staatskasse übernommen werden, oder, sofern der Angeklagte verurteilt wird, dem Angeklagten auferlegt werden. Dieser Grundsatz gilt zunächst einmal für das Erwachsenenstrafrecht. Kosten entstehen aber auch, wenn Jugendliche vor Gericht sind und verurteilt werden. Das Problem daran ist aber, dass die allermeisten Jugendlichen gar nicht die finanziellen Mittel haben, um für die Kosten aufzukommen was zur Folge hätte, dass sie entweder Schulden anhäufen würden, oder die Eltern der Jugendlichen zur Verantwortung gezogen würden. Die Eltern der Angeklagten sollen aber eigentlich gerade nicht sanktioniert werden. 

Nunmehr hat das OLG Nürnberg entschieden, in welchen Situationen dem Jugendlichen Kosten auferlegt werden dürfen. 

 

Die Entscheidung, einen jugendlichen Angeklagten gemäß § 74 JGG die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, ist eine Ermessensentscheidung, die von dem Beschwerdegericht lediglich auf Ermessensfehler überprüfbar ist. Maßstab der Ermessensentscheidung ist es, einerseits eine wirtschaftliche Gefährdung der Verurteilten zu vermeiden, andererseits, ihr durch die Auferlegung von Kosten zu zeigen, dass sie für die Folgen ihres Tuns unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens einzustehen hat. Dabei ist im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung die Möglichkeit gemäß § 74 JGG – um Folgewirkungen im Sinne einer negativen Sanktionierung durch die Auferlegung der Kosten zu vermeiden – bei Jugendlichen tendenziell ausgedehnt zu nutzen.

 

Der Sachverhalt

 

Das LG hat die zum Tatzeitpunkt jugendliche Verurteilte unter Anwendung von Jugendstrafrecht wegen fünf Fällen der Beihilfe zum Diebstahl mit Sachbeschädigung schuldig gesprochen, ihr eine Geldauflage iHv 500 EUR erteilt und sie für die Dauer von einem Jahr der Aufsicht und Betreuung eines Betreuungshelfers unterstellt.

Nachdem die StA beantragt hatte, bei der Verurteilten von der Auferlegung von Kosten abzusehen, hat das LG angeordnet, dass die Verurteilte die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Von der Möglichkeit des § 74 JGG, aus erzieherischen Gründen von der Auferlegung von Kosten abzusehen, hat das LG keinen Gebrauch gemacht.

Hiergegen wendet sich die Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde. Sie ist der Auffassung, dass das LG sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt habe, weil die Kostenentscheidung nicht berücksichtige, dass ein Großteil der angefallenen Kosten nicht auf den Tatbeitrag der Bf. zurückzuführen sei. Zudem sei es aus erzieherischen Gründen geboten, dass die Verurteilte, die derzeit arbeite, eine Berufsausbildung beginne, was angesichts der Kostentragungslast von geschätzt 20.000 EUR erschwert werde. Schließlich ergebe sich aus der Urteilsbegründung, dass die Auferlegung der Kosten der zusätzlichen Sanktionierung dienen solle, was mit dem Erziehungsgedanken des JGG unvereinbar sei. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Die Entscheidung des OLGs

 

Die Entscheidung, der zur Tatzeit jugendlichen Verurteilten gem. § 74 JGG die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, ist eine Ermessensentscheidung, die von dem Beschwerdegericht lediglich auf Ermessensfehler überprüfbar ist. Maßstab der Ermessensentscheidung ist es, einerseits eine wirtschaftliche Gefährdung der Verurteilten zu vermeiden, andererseits, ihr durch die Auferlegung von Kosten zu zeigen, dass sie für die Folgen ihres Tuns unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens einzustehen hat. Dabei ist im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung die Möglichkeit gem. § 74 JGG – um Folgewirkungen im Sinne einer negativen Sanktionierung durch die Auferlegung der Kosten zu vermeiden – bei Jugendlichen tendenziell ausgedehnt zu nutzen. Auch die Gesamtbelastung, die die Kostenentscheidung bewirkt, ist abwägungsrelevant.

Die vom LG getroffene Entscheidung genügt diesen Anforderungen nicht.

Zum einen führt das LG aus, dass die festgesetzte Geldauflage der Höhe nach nur deshalb so gering bemessen wurde, weil die Verurteilte mit der Kostentragungspflicht belastet wird. Angesichts der Höhe der Kosten des Verfahrens tritt die eigentliche Rechtsfolge in den Hintergrund, was mit dem Erziehungsgedanken nicht zu vereinbaren ist.

Zum anderen begründet das LG seine Entscheidung damit, dass die Verurteilte bei Berücksichtigung ihrer gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage bei einem Nettoverdienst von 1500 EUR durch ihre auf sechs Monate befristete Tätigkeit imstande ist, die Kosten des Verfahrens in Raten zu begleichen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass zum einen das Arbeitsverhältnis befristet ist und zum anderen die Jugendliche plant, eine Ausbildung zur Verkäuferin oder im Bereich Kosmetik zu machen. Für die – unter Erziehungsaspekten wünschenswerte – Beendigung der Hilfstätigkeit und Absolvierung einer Ausbildung ist die Belastung mit den gesamten Verfahrenskosten kontraproduktiv. Der Verurteilten, die derzeit noch bei ihren Eltern wohnt, wird damit die Gründung einer tragfähigen selbständigen Existenz durch eine Berufsausbildung über einen nicht absehbaren Zeitraum massiv erschwert.

 

[1] OLG Nürnberg, Beschl. v. 9.11.2023 − Ws 982/23, NStZ 2024, 307 (307).
[2] OLG Nürnberg, Beschl. v. 9.11.2023 − Ws 982/23, NStZ 2024, 307 (307).
[3] OLG Nürnberg, Beschl. v. 9.11.2023 − Ws 982/23, NStZ 2024, 307 (307).
[4] OLG Nürnberg, Beschl. v. 9.11.2023 − Ws 982/23, NStZ 2024, 307 (307 Rn. 7).
[5] OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. 2. 2011 – III-4 Ws 59/11, NStZ-RR 2011, 293 (293).
[6] OLG Nürnberg, Beschl. v. 9.11.2023 − Ws 982/23, NStZ 2024, 307 (307 Rn. 8).
[7] OLG Nürnberg, Beschl. v. 9.11.2023 − Ws 982/23, NStZ 2024, 307 (307 Rn. 9); LG Freiburg, Beschluß vom 14. 1. 2000 – VI Qs 47/99, NStZ-RR 2000, 183 (183).
[8] OLG Nürnberg, Beschl. v. 9.11.2023 − Ws 982/23, NStZ 2024, 307 (307 Rn. 10).

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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