Gefälschter Ausweis strafbar?
In Deutschland besteht eine Ausweispflicht. Diese Ausweise werden von der Behörde ausgestellt und jeder, der diesen Ausweis aus welchen Gründen auch immer einfordert, vertraut auf die Richtigkeit. Wer ein Ausweisdokument fälscht und damit eine Urkunde verfälscht, begeht eine Straftat. Sinn und Zweck der Strafbarkeit ist dabei der Schutz des Rechtsverkehrs. Doch macht sich derjenige strafbar, der eine Kopie eines gefälschten Ausweises nutzt um sich Vorteile zu verschaffen?
1. Der Sachverhalt
Der Angeklagte bot über das Internet hochwertige Armbanduhren zum Kauf an, obwohl er diese weder liefern konnte noch wollte. Zahlreiche Käufer überwiesen vorab, im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages, den Kaufpreis. Eine Versendung der Waren fand allerdings nicht statt.
Der Angeklagte hatte kurz zuvor auf einer Online-Verkaufsplattform einen Account für nichtexistierende Personen unter Angabe fingierter Kontaktdaten angelegt oder trat bei Verkaufsverhandlungen unter falschem Namen auf, um über seine Identität zu täuschen.
In einem anderen Fall hatte der Angeklagte mit der Telekom einen Mobilfunkrahmenvertrag mit einer Laufzeit von 24 Monaten geschlossen und spiegelte wahrheitswidrig vor, die Verträge würden nach Vertragsschluss von zahlungswilligen Dritten übernommen. Der Angeklagte selbst war weder zahlungsfähig, noch –willig. In diesem Zusammenhang legte der Angeklagte den Mitarbeitern der Telekom gefälschte Dokumente und Kopien von gefälschten Dokumenten vor und fälschte Unterschriften. Zur Vertragserfüllung erhielt der Angeklagte zahlreiche hochwertige Mobiltelefone, ohne dass er seiner Zahlungsverpflichtung nachkam.
Das Landgericht Hamburg hatten den Angeklagten wegen Betrugs in 38 Fällen, davon in zehn Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in neun Fällen in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten, in drei Fällen in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren u.ä. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Dagegen legte der Angeklagte eine Revision ein.
Diese hatte jedoch nur Teilerfolg.
2. Entscheidung des BGH
Entscheidendes Problem ist vorliegend, ob es sich bei der Tathandlung des Angeklagten um eine Fälschung von Ausweispapieren im Sinne von § 281 StGB handelt.
Nach Auffassung des Senats ist der Begriff des „Gebrauchens“ im Sinne von § 281 StGB genauso wie in § 267 I StGB zu verstehen. Danach wird dann von einer Urkunde Gebrauch gemacht, wer dem zu täuschenden Gegenüber die sinnliche Wahrnehmung der Urkunde ermöglicht. Dies kann nicht nur durch Vorlage der Urkunde selbst, sondern auch dadurch geschehen, dass der Täter dem zu Täuschenden eine Fotokopie einer Urkunde zugänglich macht. Nach diesen Maßstäben erfüllen die Übersendung einer Lichtbilddatei und die Vorlage der Kopie eines echten Ausweises jeweils die Alternative des Gebrauchens.
1964 hat der Senat zwar entschieden, dass ein Gebrauchen nur durch die Vorlage des Originaldokuments erfolgen kann, daran ist aber der Senat mit seiner neuen Entscheidung nicht gebunden.
Aus dem Wortlaut des § 281 StGB ergibt sich keine Einschränkung der Tathandlung auf besondere Formen des Gebrauchs eines Ausweispapieres. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann ein Gebrauchen auch dann vorliegen, wenn ein Abbild des Ausweisdokumentes vorgelegt wird.
Eine abweichende Auslegung der Tathandlung lässt sich nicht am Tatobjekt festmachen. Die Unterschiede bezüglich der Tatobjekte verdeutlichen lediglich, weshalb von § 281 StGB auch das Überlassen der Ausweispapiere an einen andere erfasst wird. Die Zuordnung des Ausweispapiers zum berechtigten Inhaber wird schon von Gesetzeswegen ein großer Stellenwert zugeordnet.
Auch nach der Gesetzessystematik ist der Begriff „gebraucht“ in § 281 StGB wie in § 267 StGB auszulegen. Begründet wird diese Auffassung damit, dass derselbe Begriff in zwei Strafnormen im selben Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs verwendet wird und deshalb gleich ausgelegt werden muss. Im Übrigen führt es zu massiven Wertungswidersprüchen, wenn die Tathandlung des Gebrauchens in § 267 StGB und § 281 StGB bezogen auf Kopien echter oder verfälschter Ausweise unterschiedlich ausgelegt wird.
Die Auslegung des Senats wird auch dem Sinn und Zweck des § 281 StGB gerecht. § 281 StGB dient dem Identitätsschutz im Rechtsverkehr. Wer ein für einen anderen ausgestelltes echtes Ausweispapier im Rechtsverkehr zur Täuschung über seine Identität nutzt, macht sich die besondere Beweiswirkung zunutze. Dabei ist es unerheblich ob es sich bei dem Dokument um ein Original oder eine Kopie handelt. Der Rechtsverkehr vertraut besonders darauf, dass nur derjenige zum Identitätsnachweis ein amtliches Ausweispapier nutzt, der berechtigter ist.
Die Rechtsprechung geht zwar davon aus, dass eine Fotokopie keine Urkunde ist, der BGH hat seine Rechtsprechung jetzt aber dahingehend geändert, dass die mittelbare Nutzung einer zuvor hergestellten unechten oder verfälschten echten Urkunde ein Gebrauchen im Sinne von § 267 StGB sei. Dies ist jedoch als problematisch anzusehen. Für die dritte Variante des § 267 StGB soll die Benutzung einer Kopie einer unechten oder verfälschten echten Urkunde ausreichen, obwohl die Urkundeneigenschaft einer Kopie von der Rechtsprechung gerade abgelehnt wird. Das hat zur Folge, dass wenn der Täter die Bestandteile von mehreren Urkunden nur lose zu einer Collage zusammenfügt und davon eine Kopie anfertigt, dies auch das mittelbare Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde darstellen kann. Im Rahmen von § 281 StGB ist jedoch die Manipulation der Tatobjekte keine Tatbestandsvoraussetzung. Dies könnte als Argument gegen die gleiche Auslegung des Begriffs des Gebrauchens aus § 281 StGB und § 267 StGB vorgebracht werden.
[1] BGH, Beschluss v. 21.07.2020 – 5 StR 146/19, NJW 2020, 3260 (3260).
[2] BGH, Urteil v. 20.03.1951 – 2 StR 38/51, BeckRS 1951, 101764.
[3] BGH, Beschluss v. 21.07.2020 – 5 StR 146/19, NJW 2020, 3260 (3261).
[4] BGH, Urteil v. 11.05.1971 – 1 StR 387/70, NJW 1971, 1812 (1813).
[5] BGH, Beschluss v. 21.07.2020 – 5 StR 146/19, NJW 2020, 3260 (3261 Rn. 23).
[6] BGH, Beschluss v. 21.07.2020 – 5 StR 146/19, NJW 2020, 3260 (3261 Rn. 24).
[7] BGH, Beschluss v. 26.02.2003 – 2 StR 411/02, NStZ 2003, 543 (544).