Der Erziehungsgedanke im Rahmen des Jugendstrafrechts

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Eine Frau sitzt vor einem zerbrochenen Glas und denkt über das Konzept des Jugendstrafrechts nach.

Während im Erwachsenenstrafrecht bei der Strafzumessung auch Sanktionierungsgesichtspunkte eine Rolle spielen, soll im Bereich des Jugendstrafrechts der Jugendliche abgeholt werden und es soll ein Weg gefunden werden, ihn aus dem strafbaren Verhalten und damit der Strafbarkeit rauszuholen.

Dafür ist entscheidend, dass der Erziehungsgedanke bei der Urteilsfindung Berücksichtigung findet. Nunmehr hat der BGH entschieden, dass bei Feststellung einer Jugendstrafe nach § 18 Abs. 2 JGG die Urteilsgrüne erkennen lassen müssen, dass das Tatgericht dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folge der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen hat.

Grundsätze des Jugendstrafrechts

Das Jugendstrafrecht wird von dem individualpräventiven Erziehungsgedanken beherrscht. Das gilt auch für die Jugendstrafe, die § 17 I JGG als „Freiheitsentzug in einer Jugendstrafanstalt” definiert. Das Gericht verhängt diese Strafform, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichend sind oder, wenn wegen der Schwere der Schuld eine schwerwiegendere Strafe erforderlich ist, gem. § 17 Abs. 2 JGG.

Der Wortlaut der Vorschrift deutet darauf hin, dass die erste Alternative die Reaktion auf schwerste Erziehungsmängel enthält, während die zweite Alternative primär dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach Schuldausgleich Rechnung trägt. Gleichwohl hat der BGH in seiner Entscheidung vom 11. 11. 1960 die beiden Tatbestände des § 17 Abs. 2 JGG insoweit harmonisiert, dass auch bei der Schuldstrafe „in erster Linie das Wohl des Jugendlichen”, mithin der Erziehungsgedanke maßgeblich sein soll.

Der Sachverhalt

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete Rüge einer Verletzung des materiellen Rechts mittels Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch Erfolg.

Aus den Gründen

Das Landgericht hat wegen Reifeverzögerung des Angeklagten, der zum Tatzeitpunkt 21 Jahre alt war, gem. § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewandt und die Verhängung einer Jugendstrafe mit schädlichen Neigungen des Angeklagten begründet.
Bei der Bemessung der Jugendstrafe hat das Gericht zwar den Erziehungsgedanken angesprochen, sich aber im Wesentlichen an im Erwachsenenstrafrecht geltenden Zumessungsgesichtspunkten orientiert. Darunter unter anderem die verschuldeten Auswirkungen der Tat, dem Zeitablauf seit der Tat und der Vorahndung des Angeklagten.

Nach Ansicht des BGH hat das Landgericht in seiner Entscheidung zur Verhängung einer Jugendstrafe bereits nicht tragfähig ausgeführt, warum unter Berücksichtigung der Persönlichkeit und des bisherigen Werdegangs des Angeklagten Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zu dessen Erziehung nicht ausreichend sein könnten, § 17 Abs. 2 Alt. 1 JGG.

Zudem hat das Gericht den Umfang des Erziehungsbedarfs beim Angeklagten, der gem. § 18 Abs. 2 JGG für die Bemessung der Jugendstrafe maßgeblich ist, weder konkret bestimmt noch nachvollziehbar und ausreichend begründet. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass das Tatgericht dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen hat.

Dem werden die pauschalen Ausführungen der Strafkammer nicht gerecht, weil sie sich weder mit der Qualität der Vorahndung des Angekl. und den ihr sowie dem späteren, dem hier abgeurteilten Tatgeschehen nachfolgenden Strafbefehl vom 30.11.2021 zugrundeliegenden Taten noch mit der Persönlichkeitsentwicklung des Angekl. auseinandergesetzt und sie sich auch nicht zu dem hieraus ergebenden konkreten Erziehungsbedarf des Angekl. verhalten hat.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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