Der Eröffnungsbeschluss im Rahmen des § 203 StPO

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Ein Wahlfeststellungsstapel Papiere auf einem Schreibtisch.

Grundsätzlich muss das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens beschließen, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. Aber was passiert, wenn das Gericht vergisst einen wirksamen Eröffnungsbeschluss zu eröffnen?

  1. Grundsätze des § 203 StPO

Der Eröffnungsbeschluss beendet das Zwischenverfahren und bewirkt den Übergang in das Hauptverfahren. Die Bedeutung des § 203 StPO liegt darin, dass der hinreichende Tatbestand bzw. das Nichtvorliegen des hinreichenden Tatverdachts bestimmt wird. Für die Prüfung des hinreichenden Tatverdachts sind die dem Gericht vorgelegten Anklagen heranzuziehen.

Hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn nach vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit seiner Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweisen besteht. Rechtsprechung und Schrifttum gehen davon aus, dass die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht in Betracht kommt, wenn bei unterstellter konstanter Beweislage ein Freispruch wahrscheinlicher ist als eine Verurteilung. Dabei ist das schlichte Überwiegen der Verurteilungswahrscheinlichkeit für ausreichend erachtet.

Neben der zu beurteilenden Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung wirft die Funktion des Eröffnungsverfahrens die Frage nach der Wahrscheinlichkeit der Beweisbarkeit des angeklagten Geschehens auf. In der Beweisprognose ist zu prüfen, ob der Nachweis des Tatverdachts mit den prozessual zulässigen Mitteln gelingen werde. Dabei ist nicht die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblich, sondern das ihr zugrunde liegende Beweismaterial als Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung.

Letztlich muss natürlich das dem Angeklagten zur Last gelegte Verhalten strafbar sein. Dies hat das Gericht umfassend ohne Bindung an die rechtliche Würdigung in der Anklageschrift zu prüfen.

  1. Nichtvorliegen des Eröffnungsbeschlusses

Gegen den Angeklagten waren zwei Verfahren anhängig. Zum einen eins wegen versuchten Diebstahls und zum anderen wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls. Der Angeklagte wurde vom AG Tiergarten wegen beider Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.

Die Anklage wegen versuchten Diebstahls lag beim AG Tiergarten der Abteilung 403 vor. Vor Zulassung der Anklage und Eröffnung des Hauptverfahrens gab diese Abteilung die Sache an die Abteilung 422 ab. Diese verband daraufhin mittels Beschluss dieses Verfahren mit dem bereits anhängigen Verfahren wegen des Wohnungseinbruchsdiebstahls. Ein weiterer Eröffnungsbeschluss wurde jedoch nicht erlassen. Der bereits zuvor erlassene Eröffnungsbeschluss bezog sich ausschließlich auf den Wohnungseinbruchsdiebstahl und nicht auf den versuchten Diebstahl. Auch die Termins- und Ladungsverfügungen betrafen ausschließlich das Verfahren wegen des Wohnungseinbruchsdiebstahls. 

Der fehlende Eröffnungsbeschluss wurde auch nicht in der Hauptverhandlung nachgeholt, was grundsätzlich möglich ist.

Für das KG stellte sich die Frage, ob der Verbindungsbeschluss den Eröffnungsbeschluss ersetzen könnte. 

Das KG verneinte dies und begründete die Entscheidung damit, dass die durch den Beschluss herbeigeführte Verbindung der Verfahren nicht die Wirkung eines Beschlusses über die Zulassung der in dem übernommenen Verfahren erhobenen Anklage und über die Eröffnung des Hauptverfahrens hat. Es ist nämlich nicht erkennbar, dass die Abteilung 422 die Prüfung des hinreichenden Tatverdachts in Bezug auf den versuchten Diebstahl vorgenommen hat.

Das hat zur Folge, dass das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses zu einem nicht mehr behebbaren, von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrenshindernis wurde. 

Dieser Mangel führte gem. § 349 IV StPO zu einer Aufhebung des Urteils hinsichtlich des versuchten Diebstahls. Das Verfahren wurde gem. § 260 III StPO eingestellt. Eine Zurückweisung an das Landgericht kam nach Auffassung des KG Berlin nicht in Betracht, weil ein Eröffnungsbeschluss von dem Berufungsgericht nicht nachgeholt werden kann. 

Im Übrigen stellte das Gericht fest, dass die gebotene Urteilsaufhebung und Einstellung des Verfahrens der Gesamtstrafe die Grundlage entzog. Deshalb stellte das KG Berlin seine Urteilsformel dahingehend klar, dass der Angeklagte nur noch wegen des Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zu verurteilen war.


[1] Schneider, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 203, Rn. 1.
[2] Schneider, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 203, Rn. 2.
[3] Schneider, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 203, Rn. 3.
[4] Schneider, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 203, Rn. 4.
[5] BGH, Beschluss v. 19.01.2010 – StB 27/09, NJOZ 2010, 1274 (1275).
[6] Schneider, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 203, Rn. 7.
[7] Wenske, in: MüKO StPO, § 203, Rn. 22.
[8] Schneider, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 203, Rn. 11.
[9] KG Berlin, Beschluss v. 16.03.2015 – (4) 161 Ss 20/15 (27/15), BeckRS 2015, 15921, Rn. 1.
[10] KG Berlin, Beschluss v. 16.03.2015 – (4) 161 Ss 20/15 (27/15), BeckRS 2015, 15921, Rn. 11.
[11] KG Berlin, Beschluss v. 16.03.2015 – (4) 161 Ss 20/15 (27/15), BeckRS 2015, 15921, Rn. 12.
[12] KG Berlin, Beschluss v. 16.03.2015 – (4) 161 Ss 20/15 (27/15), BeckRS 2015, 15921, Rn. 12.
[13] BGH, Beschluss v. 2.11.2005 – 4 StR 418/05, NStZ 2006, 298 (298).
[14] KG Berlin, Beschluss v. 16.03.2015 – (4) 161 Ss 20/15 (27/15), BeckRS 2015, 15921, Rn. 13.
[15] KG Berlin, Beschluss v. 16.03.2015 – (4) 161 Ss 20/15 (27/15), BeckRS 2015, 15921, Rn. 14.
[16] KG Berlin, Beschluss v. 16.03.2015 – (4) 161 Ss 20/15 (27/15), BeckRS 2015, 15921, Rn. 14.
[17] BGH, Beschluss v. 11.01.2011 – 3 StR 484/10, NStZ-RR 2011, 150 (151).
[18] KG Berlin, Beschluss v. 16.03.2015 – (4) 161 Ss 20/15 (27/15), BeckRS 2015, 15921, Rn. 14.
[19] KG Berlin, Beschluss v. 16.03.2015 – (4) 161 Ss 20/15 (27/15), BeckRS 2015, 15921, Rn. 15.
[20] KG Berlin, Beschluss v. 16.03.2015 – (4) 161 Ss 20/15 (27/15), BeckRS 2015, 15921, Rn. 17.

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Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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