Ärztliche Sterbehilfe

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Auf schwarzem Hintergrund leuchtet eine Kerze.

Ärztliche Sterbehilfe

Über sehr lange Zeit galt das Prinzip in der Medizin, dass alle therapeutischen Maßnahmen ausgeschöpft werden müssen, um das Leben um jeden Preis zu erhalten und zu verlängern. Dies führte dazu, dass immer mehr Menschen geheilt wurden und immer höhere Heilungschancen auch bei schweren Krankheitsverläufen bestanden. Dabei rückt die Frage nach der ärztlichen Limitierung der Behandlung wegen infauster oder ungünstiger Prognosen immer weiter in den Mittelpunkt. Schließlich wurde in manchen Situationen zwar der Todeszeitpunkt verschoben, der Patient aber nicht vom Leid erlöst, sondern das Leid nur verlängert. Dabei steht vor allem im Vordergrund, dass technische Möglichkeiten der Intensivstation nicht für das Menschenrecht auf einen würdigen Tod geopfert werden dürfen. 

 

1. Problemstellung

Es gibt Situationen in denen Menschen so schwere Krankheiten haben, dass sie einfach nicht mehr weiterleben wollen. Um zu sterben benötigen sie aber die Hilfe eines Arztes. Rechtliche Bestimmungen über erlaubte Behandlungsabbrüche, Grenzen der ärztlichen Behandlungspflicht sowie der Abgrenzung zwischen strafloser Beihilfe zum Selbstmord und strafbarer Tötung auf Verlangen sind nicht immer eindeutig und praktisch nie unproblematisch. Auch die Verfassung bietet keine sichere, dem jeweiligen Einzelfall gerecht werdende, rechtlich verlässliche und vom subjektiven Verständnis des Beurteilers unabhängige Orientierung. Die Frage nach der Sterbehilfe stellt sich einem Arzt allerdings regelmäßig. Was soll ich mich gegenüber einem moribunden Patienten verhalten, der nicht mehr leben möchte? Was darf der Arzt im Grenzbereich zwischen Leben und Tod bzw. wozu ist er verpflichtet? Besteht ein Recht oder sogar eine Verpflichtung für den Arzt, sich dem Todeswunsch des Lebensmüden zu beugen?

2. Maßgebliche Entscheidungen der Rechtsprechung

Einige Fälle der Sterbehilfe haben es bis vor den BGH geschafft. Um nur ein paar Beispiele zu nennen sind nachfolgend zwei Fälle aufgeführt.

In dem Fall Dr. Wittig hatte der Hausarzt einer 76-jährigen Witwe, die an hochgradiger Verkalkung der Herzkranzgefäße und an Gehbeschwerden wegen einer Hüft- und Kniearthrose litt, keinen Rettungsversuch unternommen, nachdem die Patientin mehrfach ihren Todeswunsch geäußert hatte. Die Patientin hatte den Arzt im Vorhinein mehrfach gebeten sie von ihrer Qual zu erlösen. Dabei hatte der Arzt mehrfach erfolglos versucht sie von ihrem Wunsch abzubringen. Am Tattag wollte der Arzt der alten Dame einen Hausbesuch abstatten und fand sie bewusstlos in ihrem Haus und rief, im Wissen ihres Wunsches, keinen Notruf, weshalb die Dame verstarb. Das Landgericht Krefeld sprach den Angeklagten frei.

In einem anderen Fall aus 2011 befand sich die 82-jährige Schwiegermutter des Angeklagten wegen Verdachts auf Lungenentzündung und Herzinsuffizienz im Krankenhaus. Im späteren Verlauf musste sie wegen einer deutlichen Verschlechterung ihres Befindens auf die Intensivstation verlegt werden, intubiert und ins künstliche Koma versetzt und an medizinische Geräte versetzt werden. Ihr Zustand war zwar ernst, aber aus ärztlicher Sicht nicht hoffnungslos. Am Tattag forderte der Schwiegersohn auf Bitten seiner Frau die Stationsärztin, auf Grund einer bisher unbekannten Patientenverfügung, auf, sofort alle Geräte abzuschalten. Dabei spielte neben seiner Unlust, im Krankenhaus weiter unnötig „rumsitzen“ und warten zu müssen, seine Besorgnis eine Rolle, die Schwiegermutter könne ihm nach ihrer Genesung zur Last fallen.
Die Stationsärztin kam seinem Verlangen nicht nach, sondern ließ sich die Patientenverfügung zeigen und wies den Angeklagten darauf hin, dass diese erst überprüft werden müsste. Daraufhin schritt der Angeklagte selber zur Tat und betätigte die Ausschalter der Geräte, weshalb es zu einem dramatischen Abfall des Blutdrucks kam. Eine Krankenhausschwester konnte allerdings noch rechtzeitig eingreifen, sodass keine bleibenden Folgen bei der Patientin verblieben. 

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags verurteilt. 

 

Einige der Sterbehilferechtsprechung wurde zum Teil heftig kritisiert. Dabei wurde vor allem angemerkt, dass es Ungereimtheiten gäbe, wichtige Fragen ungeklärt blieben und die Differenzierung zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe ungenau sei. 

Grundsätzlich wurde aber festgestellt, dass das Leben eines Menschen in der Werteordnung des Grundgesetzes an oberster Stelle der zu schützenden Rechtsgüter steht.

Wie sich aus dem Verbot der Tötung auf Verlangen ergibt, gewährleistet der Strafgesetzgeber die prinzipielle Unantastbarkeit fremden Lebens. Angesichts der bisherigen Grenzen überschreitenden Fortschritts medizinischer Technologie hat der alte hippokratische Grundsatz, Leben mit allen Mitteln der ärztlichen Kunst zu erhalten seine Berechtigung verloren. Das Grundgesetz erkennt zwar kein Recht auf Selbsttötung an. Die eigenverantwortlich gewollte und verwirklich Selbsttötung erfüllt aber nicht den Tatbestand eines Tötungsdelikts, der nur die Tötung „eines anderen“ unter Strafe stellt. Demnach scheidet auch eine Strafbarkeit als Anstifter oder Gehilfe in dieser Situation aus. 

 

Einige Fälle der Sterbehilfe haben es bis vor den BGH geschafft. Um nur ein paar Beispiele zu nennen sind nachfolgend zwei Fälle aufgeführt.

In dem Fall Dr. Wittig hatte der Hausarzt einer 76-jährigen Witwe, die an hochgradiger Verkalkung der Herzkranzgefäße und an Gehbeschwerden wegen einer Hüft- und Kniearthrose litt, keinen Rettungsversuch unternommen, nachdem die Patientin mehrfach ihren Todeswunsch geäußert hatte. Die Patientin hatte den Arzt im Vorhinein mehrfach gebeten sie von ihrer Qual zu erlösen. Dabei hatte der Arzt mehrfach erfolglos versucht sie von ihrem Wunsch abzubringen. Am Tattag wollte der Arzt der alten Dame einen Hausbesuch abstatten und fand sie bewusstlos in ihrem Haus und rief, im Wissen ihres Wunsches, keinen Notruf, weshalb die Dame verstarb. Das Landgericht Krefeld sprach den Angeklagten frei.

In einem anderen Fall aus 2011 befand sich die 82-jährige Schwiegermutter des Angeklagten wegen Verdachts auf Lungenentzündung und Herzinsuffizienz im Krankenhaus. Im späteren Verlauf musste sie wegen einer deutlichen Verschlechterung ihres Befindens auf die Intensivstation verlegt werden, intubiert und ins künstliche Koma versetzt und an medizinische Geräte versetzt werden. Ihr Zustand war zwar ernst, aber aus ärztlicher Sicht nicht hoffnungslos. Am Tattag forderte der Schwiegersohn auf Bitten seiner Frau die Stationsärztin, auf Grund einer bisher unbekannten Patientenverfügung, auf, sofort alle Geräte abzuschalten. Dabei spielte neben seiner Unlust, im Krankenhaus weiter unnötig „rumsitzen“ und warten zu müssen, seine Besorgnis eine Rolle, die Schwiegermutter könne ihm nach ihrer Genesung zur Last fallen.
Die Stationsärztin kam seinem Verlangen nicht nach, sondern ließ sich die Patientenverfügung zeigen und wies den Angeklagten darauf hin, dass diese erst überprüft werden müsste. Daraufhin schritt der Angeklagte selber zur Tat und betätigte die Ausschalter der Geräte, weshalb es zu einem dramatischen Abfall des Blutdrucks kam. Eine Krankenhausschwester konnte allerdings noch rechtzeitig eingreifen, sodass keine bleibenden Folgen bei der Patientin verblieben. 

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags verurteilt. 

 

Einige der Sterbehilferechtsprechung wurde zum Teil heftig kritisiert. Dabei wurde vor allem angemerkt, dass es Ungereimtheiten gäbe, wichtige Fragen ungeklärt blieben und die Differenzierung zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe ungenau sei. 

Grundsätzlich wurde aber festgestellt, dass das Leben eines Menschen in der Werteordnung des Grundgesetzes an oberster Stelle der zu schützenden Rechtsgüter steht.

Wie sich aus dem Verbot der Tötung auf Verlangen ergibt, gewährleistet der Strafgesetzgeber die prinzipielle Unantastbarkeit fremden Lebens. Angesichts der bisherigen Grenzen überschreitenden Fortschritts medizinischer Technologie hat der alte hippokratische Grundsatz, Leben mit allen Mitteln der ärztlichen Kunst zu erhalten seine Berechtigung verloren. Das Grundgesetz erkennt zwar kein Recht auf Selbsttötung an. Die eigenverantwortlich gewollte und verwirklich Selbsttötung erfüllt aber nicht den Tatbestand eines Tötungsdelikts, der nur die Tötung „eines anderen“ unter Strafe stellt. Demnach scheidet auch eine Strafbarkeit als Anstifter oder Gehilfe in dieser Situation aus. 

 

[1] Schreiber, in: Das ungelöste Problem der Sterbehilfe – zu den neuen Entwürfen und Vorschlägen, NStZ 2006, 473 (473).
[2] BGH, Beschluss v. 17.03.2003 – XII ZB 2/03, NJW 2003, 1588 (1590).
[3] Ulsenheimer, in: Arztstrafrecht in der Praxis, Rn. 654.
[4] BGH, Urteil v. 04.07.1984 – 3 StR 96/84, NJW 1984, 2639 (2639 ff.).
[5] BGH, Beschluss v. 10.11.2010 – 2 StR 320/10, NJW 2011, 161 (161 ff.).
[6] Ulsenheimer, in: Arztstrafrecht in der Praxis, Rn. 674.
[7] BGH, Urteil v. 07.02.2001 – 5 StR 474/00, NJW 2001, 1802 (1804).
[8] BGH, Urteil v. 04.07.1984 – 3 StR 96/84, NJW 1984, 2639 (2640).
[9] Ulsenheimer, in: Arztstrafrecht in der Praxis, Rn. 678
[10] Fischer, in: Fischer StGB, §§ 211-216, Rn. 20.
[11] BVerfG, Urteil v. 26.02.2020 – 2 BvR 2347/15, NJW 2020, 905 (905).

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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