Abgas Skandal – Dieselfahrzeuge mit illegaler Abschalteinrichtung als Betrugstatbestand?
Der Dieselabgasskandal war groß in den Medien und eigentlich ist niemand um die Thematik der illegalen Abschalteinrichtung bei Dieselfahrzeugen herumgekommen, unabhängig davon, ob man selbst betroffener Autofahrer war oder selbst gar nicht in Besitz eines Kfzs gewesen ist. Verschiedene deutsche Autohersteller wurden von den Haltern verklagt, weil sie im Verdacht standen, illegale Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen verbaut zu haben. Die ursprünglichen Klagen betrafen primär die Zivilgerichte, bei denen die Halter einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machten, allerdings ist auch nicht uninteressant, ob nicht möglicherweise auch der Betrugstatbestand durch das Verbauen der Abschalteinrichtungen erfüllt ist.
Der eigentliche Abgasskandal
Unter dem Dieselabgasskandal wird die Kombination aus einer Reihe von überwiegend illegalen Manipulationen verschiedener Autohersteller zur Umgehung gesetzlich vorgegebener Grenzwerte für Autoabgase und der politischen Einflussnahme zu deren Absicherung bezeichnet. Am 18. September 2015 wurde öffentlich bekanntgemacht, dass die Volkswagen AG eine illegale Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung ihrer Diesel-Fahrzeuge verwendete; die US-amerikanischen Abgasnormen wurden nur in einem speziellen Prüfstandsmodus erreicht, im Normalbetrieb wird dagegen ein Großteil der Abgasreinigungsanlage weitgehend abgeschaltet. Die ursprüngliche VW-Abgasaffäre war Auslöser einer weitreichenden Krise in der Automobilindustrie. Viele Studien stellten Abweichungen zwischen realen und Prüfstandemissionen bei den Modellen deutscher und anderer Hersteller fest. Es ist bewiesen, dass die Hersteller viele Jahre vor Bekanntwerden des Skandals die Maßnahmen anordneten oder von diesen wussten. Politische und wissenschaftliche Gremien, Regierungsstellen und Interessenverbände hatten ebenfalls Jahre vor dem Bekanntwerden auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen und vor deren Folgen gewarnt.
Rechtliche Einordnung
Die zivilrechtlichen Dieselverfahren halten bis heute an. Noch immer sind nicht alle Verfahren mit allen Autoherstellern abgeschlossen oder durchentschieden. Immer wieder kommen neue Tatsachen ans Licht, die die Richtung der Rechtsprechung verändern können.
Strafrechtliche Relevanz entsteht bei diesen Entscheidungen in dem Moment, in dem festgestellt werden kann, dass die Firmenchefs die Käufer der Fahrzeuge wirklich getäuscht haben und dadurch ein Vermögensschaden bei den Haltern der Fahrzeuge entstanden sind. Die strafrechtlichen Verfahren laufen in diesem Zusammenhang primär gegen die Führungskräfte des Autoherstellers VW. Die Angeklagten sollen Autokäufer dadurch (mittelbar) betrogen haben, dass sie diese über den Einsatz illegaler Abschalteinrichtungen in den gebauten Fahrzeugen getäuscht und dadurch zum Kauf bewogen haben. in besonderes Augenmerk der strafrechtlichen Debatte liegt dabei auf der Frage, ob durch den Erwerb eines Fahrzeugs mit einer illegalen Abschalteinrichtung, die durch einen Eingriff in die Funktion des Emissionskontrollsystems eine ordnungsgemäße Abgasreinigung im regulären Fahrbetrieb verhindert, zulasten der Käufer ein Betrugsschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB begründet wird.
Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB setzt im Ausgangspunkt voraus, dass das Vermögen des Opfers in seinem Gesamtwert verringert wurde, was durch einen Vergleich der Vermögenslage unmittelbar vor und nach der Vermögensverfügung zu ermitteln ist (Prinzip der Gesamtsaldierung). Die herrschende Meinung im Strafrecht bejaht allerdings einen Vermögensschaden auch dann, wenn der Erwerber „die angebotene Leistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann“ (Lehre vom individuellen Schadenseinschlag).
Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass sich der zivilrechtliche und der strafrechtliche Vermögensbegriff voneinander unterscheiden, sodass Entscheidungen, die in den zivilrechtlichen Urteilen getroffen wurden, nicht unmittelbar auf das Strafrecht übertragen werden können.
Nach Auffassung von Saliger/Rüsse steht die „abstrakte Betriebseinschränkungs- bzw. Betriebsstilllegungsgefahr des Fahrzeuges im Zeitpunkt des Vertragsschlusses“ der Annahme voller Brauchbarkeit nicht entgegen: Sie gehen stattdessen von einer „uneingeschränkten objektiven Brauchbarkeit des mangelbehafteten Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr“ aus.
Allerdings könnte sich das Fehlen voller Brauchbarkeit im Einzelfall daraus ergeben, dass der Käufer sich einem besonders umweltfreundlichen Lebensstil verschrieben hat. Dagegen spricht aber, dass sich derjenige, der sich „Abschaffung von Fahrzeugen mit fossiler Brennstofftechnik verschrieben hat“, sich kein Dieselfahrzeug kauft.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich einerseits der Schadensbegriff des Zivilrechts in seiner Auslegung durch den BGH nicht in der Weise als „subjektiver Schadensbegriff“ klassifizieren lässt, dass allein der „ungewollte Vertrag“ per se zur Annahme eines Schadens berechtigt. Andererseits ist dem strafrechtlichen Schadensbegriff ein gewisser Dispositionsschutz immanent, als nach der Lehre vom persönlichen Schadenseinschlag auch bei wirtschaftlicher Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung ein Schaden anzunehmen ist, wenn etwa die Leistung für den Getäuschten nicht voll brauchbar oder in anderer Weise zumutbar verwertbar ist.
[1] Wikipedia, in: Abgasskandal, https://de.wikipedia.org/wiki/Abgasskandal, abgerufen am 12.05.2023.
[2] Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 24. Aufl. 2022, § 13 Rn. 155.
[3] BGH, Beschluß vom 16. 8. 1961 – 4 StR 166/61, NJW 1962, 309 (309).
[4] Saliger/Rüsse, in: Wider einen subjektiven Schadensbegriff im Strafrecht
Zur Abgrenzung des Vermögensschadens im Zivil- und Strafrecht, NStZ 2021, 513 (515).
[5] Wolf, in: Der Betrugsschaden beim Erwerb von Dieselfahrzeugen mit illegalen Abschalteinrichtungen, NStZ 2023, 263 (270).