Zum Glück ist die Zeit der strengen Corona-Auflagen seit einigen Jahren vorbei. Trotzdem müssen die Gerichte sich bis heute mit Streitigkeiten während der Corona-Pandemie beschäftigen. Dabei ist die Aufgabe der Verwaltungsgerichte, die Auflagen, die vom Staat erlassen wurden, zu überprüfen, die Aufgabe der Zivilgerichte ist es, etwaige Schadensersatzansprüche zu kontrollieren und Aufgabe der Strafgerichte ist es, Straftaten, die im Zusammenhang mit Corona begangen wurden, zu sanktionieren. Manchmal liegt die Straftat aber gar nicht in dem Verstoß gegen eine Corona-Maßnahme, sondern in der Kritik an den Corona-Maßnahmen.
Die Veröffentlichung eines Fotos, auf welchem eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung sichtbar ist, welche mittig die Abbildung eines sogenannten Hakenkreuzes trägt, im Zusammenhang mit Kritik an den Corona-Maßnahmen erfüllt den Tatbestand des § 86a I Nr. 1 StGB.
Der Sachverhalt
Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte zu den fraglichen Zeitpunkten auf seinem bei der Plattform X geführten, öffentlich einsehbaren Nutzerprofil mit dem Benutzernamen @c…_f… ein Foto veröffentlichte, auf welchem eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung sichtbar ist, welche mittig die Abbildung eines sogenannten Hakenkreuzes trägt. Der Veröffentlichung des Fotos am 24.8.2022 fügte er den folgenden Text bei: „Die #Masken sind Symbole der Ideologiekonformität. Das ist alles, was sie sind. Das waren sie schon immer. Hören Sie auf, so zu tun, als wären sie jemals etwas anderes, oder gewöhnen Sie sich daran, sie zu tragen. #MaskensindkeinmildesMittel“. Der Veröffentlichung des Fotos am 27.8.2022 fügte er den folgenden Text bei: „,Von der Maske geht immer auch ein Signal aus‘ – K… L…, August 2022“. Darunter verlinkte er einen Artikel der „Welt“ mit dem Titel „Von der Maske geht immer auch ein Signal aus“. Wie der Angeklagte wusste, konnte dieser Post durch einen größeren, durch persönliche Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden. Ihm war ferner bewusst, dass es sich bei dem Hakenkreuz um ein Symbol der verbotenen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) handelt.
Die erste Instanz hat den Angeklagten vom Vorwurf, im Inland Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation in zwei Fällen verbreitet zu haben, „aus tatsächlichen Gründen“ freigesprochen, mit der Begründung, dass die Veröffentlichungen des Angeklagten nicht vom Tatbestand des § 86a StGB erfasst seien. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wurde dieses Urteil aufgehoben. Der Angeklagte wurde des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in zwei Fällen schuldig gesprochen. Die Sache wurde an eine andere Abteilung des AG Tiergarten – Strafrichter – zurückverwiesen.
Die Entscheidungsgründe:
Die zulässige Sprungrevision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Der Freispruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Rechtsfehlerhaft hat das AG eine Strafbarkeit des Angekl. wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a I Nr. 1, II StGB) verneint.
Wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wird gem. § 86a I Nr. 1, II StGB bestraft, wer Kennzeichen einer der in § 86 I Nr. 1, 2 und 4 oder II StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in einem von ihm verbreiteten Inhalt (§ 11 III StGB) verwendet. Zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass das abgebildete Hakenkreuz ein Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation iSd § 86a I Nr. 1, II iVm § 86 I Nr. 4 StGB darstellt, das der Angeklagte auf seinem öffentlich einsehbaren X-Account mit seinen „Followern“ teilte und damit einer unbestimmten Vielzahl von Personen zugänglich machte.
Kennzeichen sind alle sicht- oder hörbaren Symbole, deren sich die genannten Organisationen bedienen und bedient haben, um propagandistisch auf ihre politischen Ziele und die Zusammengehörigkeit ihrer Anhänger hinzuweisen. Unter diesen Begriff fällt das Hakenkreuz als eines der Hauptkennzeichen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Unter Verwenden ist jeder Gebrauch zu verstehen, der das Kennzeichen optisch oder akustisch wahrnehmbar macht. Entscheidend für die Öffentlichkeit der Verwendung ist die Wahrnehmbarkeit für einen größeren, durch persönliche Beziehungen nicht zusammenhängenden Personenkreis. Der Umstand, dass die inkriminierte Abbildung lediglich mit den „Followern“ des Angekl. geteilt wurde, steht dem nicht entgegen, weil es sich bei diesen von vornherein nicht um einen durch persönliche Beziehungen zusammenhängenden Personenkreis handelte, der überdies nicht überschaubar war. Die Verwirklichung des Tatbestands des § 86a StGB ist entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Angeklagte die Kennzeichen in Darstellungen verwendet hat, bei denen sich bereits aus ihrem Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise ergibt, dass sie in einem nachdrücklich ablehnenden Sinne gebraucht werden. Ein solcher Gebrauch liegt hier nicht vor.
Die Vorschrift des § 86a StGB dient der Abwehr der symbolhaft durch die Verwendung eines Kennzeichens ausgedrückten Wiederbelebung bestimmter verfassungsfeindlicher Organisationen sowie der symbolhaft gekennzeichneten Wiederbelebung der von solchen Organisationen verfolgten Bestrebungen. Als abstraktes Gefährdungsdelikt wehrt sie Gefahren ab, die allein mit dem äußeren Erscheinungsbild solcher Kennzeichen verbunden sind, und verbannt deshalb die von diesen Organisationen verwendeten Symbole aus dem Bild des politischen Lebens.