Die Digitalisierung in der Justiz

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Eine Frau vor einer Videokamera für strafrechtliche Ermittlungszwecke (Kriminologie).

Die Digitalisierung in der Justiz

Die Justiz bemüht sich auch die Arbeitsabläufe bei Gericht zu digitalisieren. Dazu gehört zum einen die elektronische Akte, die bisher allerdings nur in Zivilsachen genutzt wird, das elektronische Postfach für Anwälte (beA), sowie im zivilrechtlichen Bereich Online-Verhandlungen. Gerade Corona hat diese Entwicklung in den letzten Jahren nochmal mehr befeuert, sodass auch im Strafrecht immer mehr Digitalisierung gefordert wird.

 

Vorlage des Bundesjustizministeriums im Bereich des Strafrechts

 

In der deutschen strafrechtlichen Prozessordnung (StPO) weist der Richter eine besonders wichtige Rolle auf. Dabei ist der Richter nicht dafür zuständig „Gerechtigkeit“ zu schaffen, sondern seine entscheidende Aufgabe ist es, überhaupt Tatsachen herbeizuschaffen, die eine juristische Bewertung ermöglichen. Im Gegensatz zum Zivilverfahren, wo die Parteien gegeneinander, aber gleichwertig agieren, ist das Strafverfahren von einem Über-Unterordnungsverhältnis geprägt, was der Staat gegen einen Bürger führt. Die Wahrheitsfindung findet meist in der Hauptverhandlung gem. §§ 244 ff. StPO statt, weil nur der in die Hauptverhandlung eingeführte Tatsachenstoff später im Urteil verwendet werden kann. Die Aufklärung des Sachverhalts findet aber nicht im Wege eines autoritären Feststellungsbefehls statt, denn der Bürger ist nicht bloßes Objekt staatlicher Zwecke. Die Wahrnehmung, Auswahl und Feststellung von Tatsachen ist typischerweise nicht neutral und deshalb fehleranfällig. Das ist insbesondere dann problematisch, wenn auf die Tatsachen das Urteil beruht, was für den Angeklagten hinreichende Folgen haben kann. Das ist der Grund, wieso das Strafverfahren hoch formalisiert und mit verschiedenen Sicherungsmechanismen ausgestattet ist. Ziel ist es dabei, sowohl objektive als auch subjektive Willkür zu verhindern. 

Diese vorgenannten Sicherungen werden schwieriger, je mehr sich die Aufgaben von Tatsachenfeststellungen und Rechtsanwendung vermischen. In den komplizierten Verfahren vor dem Landgericht, die häufig über Tage, Wochen oder sogar Monate hinweggehen, entstehen immer eine Vielzahl von Aufzeichnungen der Beweisergebnisse, aus denen der Richter am Ende die festgestellten Tatsachen festlegt. Tatsächlich bestehen diese Aufzeichnungen fast immer aus eigenen handschriftlichen Notizen des Gerichts. Diese Notizen sind aber nicht Bestandteil der Akten und dürfen deshalb nicht ohne Zustimmung des Verfassers von anderen Beteiligten eingesehen werden. Damit das Gericht sich auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren kann, kann es sinnvoll sein, den Richtern das „sichern“ der Beweise durch eine Aufzeichnung der Hauptverhandlung zu ersparen.

 

Mit Bild und Ton sollen deshalb Hauptverhandlungen künftig aufgezeichnet werden. „Eine objektive und transparente Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung ist nicht nur überfällig – sie ist auch dem Stand der heutigen Technik angemessen“ laut Aussagen des deutschen Anwaltvereins (DAV).

Der deutsche Richterbund (DRB) sieht eine Dokumentation mittels Bild- und Tonaufnahme hingegen kritisch. Eine Aufnahme bedeute tiefe Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten und Gefahren der Wahrheitsfindung im Strafverfahren seien vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt worden, so der DRB. Außerdem befürchtet der DRB, dass die ohnehin überlastete Justiz durch die Digitalisierung noch weiter belastet wird. 

Die Generalstaatsanwaltschaft merkte diesbezüglich an, dass die Verfahrensbeteiligten durch eine Bild- und Tonaufnahme nicht mehr frei sprechen würden. 

 

Videoverhandlung im Zivilprozess

Während im Strafrecht noch davon geträumt wird, dass die elektronische Akte eingeführt wird, werden die Verfahren im Zivilrecht bereits ausschließlich digital geführt. Schriftsätze, die von den Parteien an das Gericht geschickt werden, werden ausschließlich per beA akzeptiert. Neben verschiedenen Vorteilen, die die Digitalisierung mit sich bringt ist auch ein Vorteil, dass in Zivilsachen die Möglichkeit der Videoverhandlung besteht. So müssen Anwälte nicht mehr quer durch Deutschland reisen, um an einer Verhandlung teilzunehmen, sondern können an ihrem Kanzleistandort ihren Mandanten angemessen vertreten. Im Übrigen ermöglicht es Anwälten eine deutlich engere Taktung der einzelnen Gerichtstermine, weil der Anreiseweg zu den unterschiedlichen Gerichten wegfällt. Auch für das Gericht bietet die Videoverhandlung den Vorteil, dass die Wahrscheinlichkeit von Terminverlegungsanträgen, Verspätungen im Sitzungsbetrieb wegen Staus oder Störungen im Bahnverkehr reduziert werden. Geregelt ist die Videoverhandlung in § 128a ZPO. Danach sind aber nur mündlichen Verhandlungen per Videoverhandlung möglich. Eine Güteverhandlung ist von der Norm explizit ausgenommen. Problematisch ist allerdings derzeit noch, dass nicht alle Gerichte mit der notwendigen Technik ausgestattet sind. Dabei fehlt es zum einen an den technischen Gerätschaften und zum anderen auch an ausreichend schnellem Internet. Auch im Zivilverfahren sind die Verhandlungen öffentlich. Die Videoverhandlungen finden derzeit noch in den Sälen statt, sodass das Öffentlichkeitserfordernis gewahrt wird. Perspektivisch soll aber für die Richter auch die Möglichkeit bestehen, die Verhandlung am heimischen Schreibtisch durchzuführen. Um der Öffentlichkeit dann immer noch die Möglichkeit der Teilnahme zu bieten, könnte im Gericht ein Terminal bereitgestellt werden, auf dem die aktuell stattfindenden Verhandlungen angezeigt und übertragen werden.

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Über mich

Mein Name ist Tobias P. Ponath und ich bin Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und arbeite seit 2009 als Rechtsanwalt in Hamburg. Hier informiere ich über grundsätzliche Themen und Rechtsgebiete und über strafrechtliche Themen im Besonderen. Ich freue mich über Feedback, Fragen und Anregungen.

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